2006 Siegel
Justus-Liebig-Universität Gießen, Margarete-Bieber-Saal, 13-14. Januar 2006
Siegel – Bild – Gruppe. Visualisierungsstrategien korporativer Siegel im Spätmittelalter
Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage, wie die Idee der mittelalterlichen communitas im Bildsystem Siegel umgesetzt wurde. Das Siegel war bis ins Hochmittelalter hinein ausschließlich persönliches Zeichen seines Inhabers bzw. seiner Inhaberin. Die Identität dieser Person wurde auf dem Siegel durch das Zusammenspiel von Textumschrift und Bild generiert. Seit etwa 1100 und verstärkt ab dem 13. Jahrhundert legten sich jedoch auch Gruppen Siegel zu. Zentren dieser Aneignung waren die Städte, wo sich immer mehr weltliche und geistliche Gruppen an der auf Schriftlichkeit basierenden Rechtskommunikation beteiligten.
Somit war die bis dahin bestehende Äquivalenz zwischen der siegelführenden Person und dem sie repräsentierenden Siegelbild obsolet geworden. Vielmehr wurde in korporativen Siegelbildern eine Eigendefinition des korporativen Selbstverständnisses der siegelführenden Gemeinschaft vorgenommen. Deren Ikonographie oszillierte zwischen der Rezeption der Personensiegel und dem Aufbrechen von deren engen Darstellungskonventionen. Die Schwierigkeit eine communitas in einem Bild zu erfassen wirft die Frage nach dem Verhältnis des dargestellten Fragments zur Totalität der zu repräsentierenden Gruppe auf.
Die bislang erst rudimentär erforschten hoch- und spätmittelalterlichen Gruppensiegel bieten ein hervorragendes Feld für einen Dialog zwischen den Geschichts- und Bildwissenschaften über ein Medium, das Identität aus Text und Bild konstituierte. Ziel der Tagung war es daher, diesen interdisziplinären Dialog in Gang zu setzen.
Die Tagung wurde gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung sowie die Gießener Hochschulgesellschaft
Freitag, 13. Januar 2006
09.15 - 09.30 | Begrüßung |
09.30 - 10.00 | Markus Späth (Gießen) Einführung in die Tagung |
Vorausetzungen und Grundlagen des korporativen Siegelwesens
10.00 - 10.45 | Brigitte Bedos-Rezak (New York) Ego, Ordo, Communitas. Seals and the Medieval Semiotic of Personality (1200-1350) |
10.45 - 11.15 | Kaffeepause |
11.15 - 12.00 | Franz Arlinghaus (Kassel) Konstruktionen von Identität mittelalterlicher Korporationen - rechtliche und kulturelle Aspekte |
12.00 - 12.45 | Manfred Groten (Bonn) Vom Bild zum Zeichen. Die Entstehung korporativer Siegel im Kontext der gesellschaftlichen und intellektuellen Entwicklungen des Hochmittelalters |
12.45 - 14.15 | Mittagspause |
Methodische Zugänge der mediävistischen Bild- und Textwissenschaften
14.15 - 15.00 | Ruth Wolff (Florenz) "Siegel-Gruppen" - das Projekt "Siegel-Bilder" des Kunsthistorischen Institutes (Max-Planck-Institut) in Florenz |
15.00 - 15.45 | Wolfgang Krauth (Tübingen) Westfälische Stadtsiegel aus historischer Sicht. Forschungsstand, methodisches Vorgehen, Forschungsziele |
15.45 - 16.15 | Kaffeepause |
Siegelbilder im Verhältnis zu anderen Bildmedien
16.15 - 17.00 | Peter Schmidt (Frankfurt a.M./Bamberg) Siegel, Münzen, Holzschnitte und andere Drucksachen: Vervielfältigungsmedien des späten Mittelalters zwischen den Disziplinen |
17.00 - 17.45 | Andrea Lermer (Paderborn/München) Besiegelung des Rathauses. Der Veneçia-Tondo am Dogenpalast in Venedig |
Samstag, 14. Januar 2006
Siegel als Medien der Gruppenrepräsentation (I)
09.15 - 10.00 | Antje Diener-Staeckling (Münster) Zwischen Stadt und Rat. Das Siegel als Zeichen von städtischer Repräsentation seit dem 14. Jahrhundert |
10.00 - 10.45 | Winfried Schich (Berlin) Redende mittelalterliche Stadtsiegel |
10.45 - 11.15 | Kaffeepause |
Siegel als Medien der Gruppenrepräsentation (II)
11.15 - 12.00 | Andrea Stiefdorf (Bonn) Recht und Repräsentation - Siegelführung und Siegel in mittelalterlichen Frauenkommunitäten |
12.00 - 12.30 | Kaffeepause (mit Häppchen) |
12.30 - 13.15 | Thomas Krüger (Augsburg) Die mittelalterlichen Siegel des Augsburger Domkapitels und der Augsburger Kommune. Zeugen eines Spannungsverhältnisses? |
13.15 - 14.00 | Abschlußdiskussion |