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Dienstleistungen von Call Shops

Von Lukas Buchner und Tilman Nun, 2015

„Transnationale Dienstleistung“ wird in diesem Beitrag verstanden, als die vom Call Shop angebotenen Dienstleistungen, die insbesondere von migrationserfahrenen und fluchterfahrenen Menschen in Anspruch genommen werden, z.B. um über nationalstaatliche Grenzen hinweg zu kommunizieren oder Geld zu transferieren.

 

 

 

Informationsaustausch und Kontaktpflege

Der Call Shop fungiert einerseits als Ort des Informationsaustauschs und andererseits als Anbieter von Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese Technologien ermöglichen es Kontakt in die Herkunftsländer der Migrations- und Fluchterfahrenen herzustellen und zu pflegen.

 

Transnationale Geldtransfers

Zudem ist der Call Shop Anbieter weltweiter Bargeldtransfers und wird dadurch wichtiges Verbindungsglied zwischen Geldsender_In und -empfänger_In. Laut der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) entsprach im Jahr 2012 das Volumen der Geldtransfers von Migrant_Innen in ihre Herkunftsländer einem Betrag von 406 Mrd. US Dollar. Dieser Betrag entspricht dem dreifachen des Betrags, der im gleichen Jahr weltweit für öffentliche Entwicklungshilfe ausgegeben wurde. Geldtransfers spielen eine wesentliche Rolle für die (Über-)Lebensstrategien vieler Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Charakteristisches Merkmal für Geldtransfers (im Englischen „remittances“) ist, dass sie grenzüberschreitend zwischen Personen, die zumeist verwandt oder befreundet sind, ohne eine Gegenleistung oder ein Grundgeschäft getätigt werden. Meist handelt es sich um wiederkehrende Transfers, die in zeitlichem Zusammenhang mit dem regelmäßigen Einkommen der Sender_Innen stehen. Anbieter transnationaler Geldtransfers, wie Money-Gram, Western Union und Ria Money Transfer haben auch im Call-Shop Einzug erhalten und werden von Seiten des Call-Shops offensiv beworben. Es scheint, dass der Call Shop für Migrant_Innen als Anbieter von transnationalen Gelddienstleistungen den Vorzug gegenüber der lokalen Bank genießt.

 

Hindernisse transnationaler Geldtransfers

Der Dipl. Volkswirt und Dipl. Kaufmann Dirk H. Kranen kennt die Schwierigkeiten für Geldtransfers und beschreibt mit welchen Hindernissen Migrant_Innen zu kämpfen haben um Teile ihres Einkommens in ihre Herkunftsländer zu schicken. Im grenzüberschreitenden (transnationalen) Zahlungsverkehr ist die Auslandsüberweisung das entsprechende Instrument, sie ist jedoch sehr kostspielig und langwierig. Überweisungsgebühren in Höhe von 10-20% des Transferbetrags sind hier nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es vergehen zudem meist mehrere Tage bis der Geldbetrag dem Empfänger gutgeschrieben wird. Die exakte Dauer der Transaktion kann im Allgemeinen nicht angegeben, sondern nur geschätzt werden. Oftmals scheitert, laut Kranen, eine Auslandsüberweisung daran, dass Sender_In und Empfänger_In für die Ausführung der Transaktion jeweils ein eigenes Konto benötigen, von dem aus das Geld überwiesen beziehungsweise auf dem der Überweisungsbetrag gutgeschrieben werden kann. Jedoch verfügen viele Migrant_Innen nicht über ein eigenes Konto, insbesondere dann nicht, wenn ihr aufenthaltsrechtlicher Status nicht gesichert ist. In diesem Fall wird die Kontoeröffnung auf der Bank, wegen der Angst sich ausweisen zu müssen, gemieden. Selbst wenn die Übersender_Innen über ein Konto verfügen, scheitert eine Überweisung oft an der mangelhaften Versorgung mit Finanzdienstleistungen im Herkunftsland. „Die mangelnde Verfügbarkeit, die hohen Kosten und die als zu lang und unkalkulierbar empfundene Transaktionsdauer haben Geldüberweisungsdiensten wie Western Union und Moneygram in den vergangenen Jahren die Möglichkeit eröffnet, von den starken Zuwächsen der Migrantentransfers überproportional zu profitieren.“

 

Vorzüge der Anbieter transnationaler Geldtransfers

Die Serviceleistungen von MoneyGram und Western Union zeichnen sich insbesondere durch die Transparenz der Kosten und die Schnelligkeit des Transfers aus. Zudem benötigen weder Empfänger_Innen noch Sender_Innen ein eigenes Konto. Nach Einzahlung des Geldes bei einer Filiale, wie sie der von uns beforschte Call Shop darstellt, können sich die Empfänger_Innen im Herkunftsland innerhalb weniger Minuten den entsprechenden Geldbetrag in der örtlichen Filiale auszahlen lassen. Dieses Verfahren erfolgt mit Hilfe einer Transaktionsnummer, die Empfänger_Innen von Sender_Innen zuvor, entweder über das Telefon oder durch das Internet, mitgeteilt bekommen haben.

 

Call Shops gewinnen an Bedeutung

Durch den geschilderten Abriss von Geldtransfers, erhält der Call Shop eine zusätzliche Bedeutung im Kontext von Migration. Denn nicht nur als Dienstleister für weltweite digitale Kommunikation zu Personen im Ausland, ist der Call Shop essentiell. Er ist darüber hinaus auch als Anbieter für transnationale Geldtransfers unentbehrlich, gerade für Menschen mit Migrationskontext und einem ungesicherten Aufenthaltsstatus.

 

Weitere Bedeutungen von „Transnationale Dienstleistung“

Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle angemerkt, dass der Begriff der „transnationalen Dienstleistung“ sehr unterschiedlich ausgelegt werden kann. Folgt man beispielsweise der Soziologin Helma Lutz, werden unter „transnationalen Dienstleistung“ gemeinhin Arbeiten in Privathaushalten verstanden, die von Menschen anderer Nationalität ausgeübt werden. Meistens sind es Aufgaben aus dem Bereich der Versorgungs- und Pflegearbeit, die vorwiegend von weiblichen Migrantinnen aus Osteuropa, Asien, Afrika und Lateinamerika übernommen werden. Insbesondere in ihrem Artikel „Die 24-Studen-Polin“ und ihrem Buch „Vom Weltmarkt in den Privathaushalt“ setzt sich Lutz mit der Thematik der transnationalen Dienstleistung auseinander. Aktuell analysiert die Soziologin an der Goethe-Universität Frankfurt die Thematik von männlich vergeschlechtlichten Haushaltsarbeiten am Beispiel von polnischen „Handwerkern“ in deutschen Haushalten.

An dieser Stelle wird jedoch die Bedeutung von Call Shops für „transnationale Dienstleistungen“ analysiert, sodass die Begrifflichkeit dem Thema geschuldet, wie zu Beginn des Beitrags beschrieben, ausgelegt wird.

 

Literatur zum Thema

Lutz, Helma (2007): Die 24-Stunden-Polin. In: Klinger, Cornelia; Knapp, Gudrun-Axeli; Sauer, Birgit (Hrsg.): Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität.
1. Auflage. Frankfurt; New York: Campus Verlag. S. 210-234.

Lutz, Helma (2008): Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung. 2. Auflage. Opladen, Farmington Hills, Mich: Budrich.

Kranen, Dirk H. (2009): Geldtransfers von Migranten in ihre Heimatländer. In: Wirtschaftsdienst 89 (1). S. 46–52.

 

Zitationshinweis

Für den Fall, dass Sie die Inhalte des Bereichs Forschung dieser Webseite an anderer Stelle zitieren möchten, stellen wir Ihnen folgenden Zitationsweis als Empfehlung zur Verfügung:

Buchner, Lukas und Nun, Tilman (2015): Geldtransfers in Call Shops. [WWW document]
URL: http://www.migracom.de/geldtransfers-in-call-shops, (zuletzt aufgerufen am TT.MM.JJJJ).

 

Bild: © CC BY 4.0 – Autor: Wegavision – via wikicommons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Callshop_M7.jpg?uselang=de