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Mediale Dimensionen der Herstellung und Repräsentation transnationaler Familien- und Versorgungsarrangements

Adjungiertes Projekt des Instituts für Soziologie (Prof. Heike Greschke, Prof. Andreas Langenohl)

Das Projekt untersuchte die Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) für die Herstellung, Aufrechterhaltung und Repräsentation transnationaler Familien- und Versorgungs-arrangements. Konzeptioneller Ausgangspunkt des Projekts ist die Annahme, dass nicht nur Alltagsleben, soziale Beziehungen und Praktiken zunehmend mediatisiert werden (vgl. Schwerpunktprogramm „Mediatisierte Welten“ der DFG), sondern auch umgekehrt Medien im Alltag vor allem anderen ihre Bedeutung als Instrumente der Gestaltung des sozialen Lebens entfalten, Medien mithin im Zuge ihrer Innovations- und Gebrauchsgeschichte zunehmend sozialisiert werden. Wie und mit welchen Folgen dieser Prozess „techno-sozialer Hybridisierung“ (Greschke 2009) sich im Kontext transnationaler Migration vollzieht, wurde im Forschungsprojekt genauer untersucht. Der Fokus lag dabei auf dem Zusammenhang zwischen kommunikativer, physischer und sozialer Mobilität im transnationalen Kontext.

 
Zunächst sollte eine explorative Feldstudie am Beispiel polnischer Pendelmigrant_innen, die in privaten Haushalten in Frankfurt a.M. Pflege- und Sorgetätigkeiten übernehmen, während sie gleichzeitig elterliche Aufgaben in der Herkunftsfamilie wahrnehmen, durchgeführt werden.

Dabei standen folgende Fragen im Mittelpunkt:

  • Wie werden (welche) IKT zur Organisation des Familien- und Arbeitslebens in transnationalen Familien- und Versorgungssettings genutzt? Wie sind die Zugangsmöglichkeiten zu diesen Technologien sozial verteilt und welche sozialstrukturellen Implikationen hat diese Verteilung etwa im Hinblick auf innerfamiliale Rollen(zuschreibungen), Macht- und Aufgabenverteilung, Geschlechterverhältnisse, Eltern-Kind-Beziehungen oder das Verhältnis zwischen Migrant_in (Arbeitnehmer_in) und Angehörige_r der Mehrheitsgesellschaft (Arbeitgeber_in)?
  • Wie werden transnationale Familien gesellschaftlich, d.h. in Mediendiskursen repräsentiert und wie steht dies im Verhältnis zu ihrer eigenen Repräsentationslogik (Selbstwahrnehmung) und ihren Praktiken? Auf welche Weise beziehen sich Familien(mitglieder) auf solche Diskurse in Polen und/oder Deutschland, um ihre Rollen zu bestimmen und zu verhandeln? Wie entstehen somit unterhalb der Schwelle der politisch-medialen Öffentlichkeit familiale „tiny publics" (Fine/Harrington 2004), in denen sich die transnationalen und praktischen Implikationen nationalöffentlicher Debatten zeigen und die wiederum – beispielsweise durch Interviews – zum Bezugspunkt journalistischer Debatten werden können?
  • Auf welche Weise verändern sich im Zuge der zunehmenden „Digitalisierung“ des transnationalen Familienlebens die Primärbeziehungen zwischen Müttern bzw. Vätern und ihren Kindern? Welche Formen der Sozialität und Intimität entstehen in Familien, in denen elektronisch vermittelte und leibliche Anwesenheitsformen gleichermaßen zur Normalität gehören? Wie wird Vertrauen und Loyalität zwischen den Familienangehörigen gesichert? Inwieweit verändern sich Kommunikations-stile, -gattungen und soziale Konventionen durch die anhaltende Erweiterung der zur Verfügung stehenden kommunikativen Mittel?


Das methodische Design der Untersuchung fokussierte auf IKT als „sozial-konstitutive Elemente“ (Rammert/Schubert 2006) transnationaler Beziehungsgefüge und verband ethno- mit technografischen Verfahren sowie kommunikations- mit diskursanalytischen Analysemethoden. Das Forschungsfeld der explorativen Studie ist zunächst regional auf den städtischen Raum Frankfurt a.M. begrenzt, in sich jedoch dem Forschungsgegenstand entsprechend komplex, weil es die verschiedenen öffentlichen, privaten, 'online' und 'offline' Kontexte der IKT-Nutzung und medialen Repräsentation polnischer Pendel-migrant_innen miteinander in Beziehung setzt.