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Der Koloss der Naxier

Der sog. Koloss der Naxier gehört zu den Capolavori der archaischen Großplastik (zuletzt: L. Giuliani, Meisterwerke der antiken Kunst, 2005, 13ff.) und fehlt in keiner Gesamtdarstellung der Epoche der Archaik (zuletzt: P.C. Bol, Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst I. Die frühgriechische Plastik, 2002, 117ff). Seine umfassendste und beste Würdigung hat der Koloss durch G. Gruben (JdI 112, 1997, 267ff.) erfahren. Dennoch bleiben Fragen. Die Deutung der Statue als Bild des Apollon  bleibt ohne großplastische Parallele. Die archaische Inschrift an der Rückseite der Basis ist ebenfalls ohne Parallele. Ohne Parallelen sind die Proportionierung und der Stil des Kolosses in der archaischen Großplastik, der A. Hermary (REA 95,1993, 11ff.) veranlasste, in den erhaltenen Teilen die Reste einer klassischen Ersatzstatue zu sehen. Diese radikale Position ist kaum diskutiert worden, obwohl Stil und Ikonographie des Kolosses sowie technische Aspekte viele Fragen aufwerfen.
Bei zwei Aufenthalten auf Delos (2005 und 2007) bot sich dank der Gastfreundschaft der École Française d'Athènes und vor allem dank der überwältigenden Hilfsbereitschaft von Marie-Françoise Billot und dem Entgegenkommen der 21. Ephorie der Kykladen, namentlich P. Chatzidakis, die Möglichkeit die Torsen bei unterschiedlichstem Licht, die beiden linken Hände im Museum und Magazin und die übrige zeitnahe Plastik im Museum gründlich zu studieren. In dankbarer Erinnerung sind auch die Gespräche mit Marie-Françoise Billot und Jean-Charles Moretti. Sobald Gelegenheit besteht, das stilistisch irritierende linke Fußfragment in London zu sehen, soll eine differenzierte Bewertung mit dem Ziel der Klärung der genannten Fragen vorgenommen werden.  

Inzwischen ist der geplante Aufsatz im Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 2018 erscheinen.

Prof. Dr. Wolfram Martini