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Christian Matthias Schlaga

© Auswärtiges Amt

Zu frühen DDR-Zeiten in Erfurt geboren kam ich durch Flucht meiner Eltern Mitte der 50er Jahre nach Hessen. Meine Gymnasialschulzeit verbrachte ich in Friedberg: zunächst am Augustiner-Gymnasium sowie - nach einem Austauschjahr in Kanada - am Aufbaugymnasium, wo ich 1972 mein Abitur machte. Nach dem anschließenden Wehrdienst begann ich 1973 mein Jura-Studium an der JLU - schon damals mit dem diplomatischen Dienst im Hinterkopf. Auf das 1. jur. Staatsexamen 1979 folgte mein Referendariat in Darmstadt mit 2. jur. Staatsexamen 1982. Seit April 1982 bin ich im Auswärtigen Dienst mit Tätigkeiten in Bonn; Harare / Zimbabwe, Washington / USA; Lissabon / Portugal, Rom / Italien; Berlin, New Delhi / Indien; Tallinn / Estland und nun in Windhuk / Namibia.
Meine Frau - ebenfalls Absolventin der JLU - und unsere beiden Kinder bis zu ihrem Abitur haben mich zu allen Dienstorten in Europa, den USA, Asien und Afrika begleitet.

 

Herr Schlaga, Sie sind seit Mitte 2015 Botschafter in Namibia. Wenn Sie zurückblicken, gibt es vom Beginn Ihrer Zeit an der Justus-Liebig-Universität Gießen, so etwas wie einen roten Faden, der die damalige Zeit mit Ihren heutigen Aufgaben verbindet?

Es lag mir immer viel daran, meine Ausbildung - insbesondere meine Studienzeit - international auszurichten. Die europa- und völkerrechtliche Ausrichtung meines Studiums war insofern kein Zufall. Der damit verbundene Blick über den deutschen "Tellerrand" hinaus, wie auch der Blick auf Deutschland von außen war in all meinen Jahren im diplomatischen Dienst ständiger Begleiter im Privaten wie im Beruflichen. Im Übrigen ist dieser Ansatz für alle, die im weitesten Sinne international tätig sein möchten, unverzichtbarer denn je zuvor.

 

Wenn Sie zurückblicken: Was ist das Wichtigste, das Sie im Studium gelernt haben?

Ein kritisches Hinterfragen scheinbar allgemein gültiger und unumstößlicher Grundsätze war zentrales Anliegen aller Veranstaltungen des unvergesslichen Prof. Ridder. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar. Die - nicht nur von ihm - geforderte möglichst objektive Analyse beteiligter Interessen und deren Einordnung in größere Zusammenhänge blieb mir im gesamten Berufsleben eine unverzichtbare Richtschnur eigenen Handelns.

 

Gab es während Ihrer Zeit an der JLU eine Veranstaltung, die Sie - im Nachhinein betrachtet - als
besonders wertvoll für Ihren Werdegang erachten?

Ich habe im Studium bewusst dem Europa- und Völkerrecht besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Auch wenn diese Fachgebiete später nie Schwerpunkt meiner Tätigkeit war, so haben die entsprechenden Veranstaltung mit Prof. Steiger doch erheblich zu dem oben genannten internationalen Verständnis beigetragen. Das gilt besonders für meine langjährige Arbeit mit Deutschlands Beziehungen zu europäischen Staaten und Fragestellungen der Europäischen Union. Im Übrigen gilt, das es gerade im diplomatischen Dienst kaum Fragen gibt, die nicht im Kontext unserer Einbindung in die EU und unseres Bekenntnisses zu einem vom Völkerrecht getragenen multilateralen Handeln zu sehen sind.

 

Zurück in die Gegenwart: Wie empfinden Sie die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Namibia? Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie?

Namibia gilt zu Recht als einer der Staaten in Afrika mit guter demokratischer und rechtsstaatlicher Basis - keine Selbstverständlichkeit im afrikanischen Kontext. Damit ist Namibia auch für uns ein Partner, mit dem wir gerne bilateral und multilateral zusammenarbeiten möchten.
Unsere Beziehungen zu Namibia sind davon geprägt, dass das Gebiet des heutigen Namibia dreißig Jahre als "Deutsch - Südwest" Teil der kolonialen Welt des deutschen Kaiserreiches war. Dies ist Hintergrund dafür, dass Deutschland die Entwicklung Namibias seit dessen Unabhängigkeit 1990 mit weit überdurchschnittlichem finanziellem Engagement unterstützt. Es ist auch Anlass für unsere intensive Diskussion mit Namibia über die heute aus dem deutschen Kolonialkrieg zu ziehenden Konsequenzen. Unser Ziel ist es, den Weg für eine intensive und unbelastete Zusammenarbeit in der Zukunft zu ebnen.

 

"Diplomatie als Beruf" – Was raten Sie Studierenden, die sich für eine Karriere im Auswärtigen Dienst interessieren? Welche Voraussetzungen sollten Interessierte haben und welche Schlüsselqualifikationen sind gefordert?

Die besonderen Herausforderungen des Berufes ergeben sich nicht aus der inhaltlichen Arbeit, sondern den mit der ständigen Mobilität verbundenen Besonderheiten: als Diplomat wechseln sie alle drei / vier Jahre ihren Arbeits- und Lebensort. Jeder / jede am diplomatischen Beruf Interessierte (r) muss sich mit den Auswirkungen dieses ständigen Wechsels auf die eigenen Lebensinteressen sowie Partnerschaft und Familie auseinandersetzen. Nur wer dies als Chance und nicht als Problem versteht sollte sich für den auswärtigen Dienst bewerben. Im Übrigen ist eine zentrale Qualifikation sicher die Fähigkeit zur Teamarbeit auch unter Stresssituationen an schwierigen Dienstorten.

 

Direkt anknüpfend eine praktische Frage: Sie haben bereits viele internationale Erfahrungen sammeln können, was raten Sie aktuellen Studierenden, die sich für eine Laufbahn im Auswärtigen Amt interessieren?

Machen Sie genau das: sammeln sie so früh wie möglich internationale Erfahrungen durch Austauschsemester, Praktika und Ähnliches im Ausland. Erwerben sie gute Sprachkenntnisse über das als selbstverständlich erwartete Englisch hinaus. Bleiben sie offen für viele, auch über den eigenen Studienbereich hinausgehende Themen. Seien sie neugierig und interessiert am Neuen und Fremden.

 

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