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Gute Zellen, schlechte Zellen – neuer Ansatz bei Lungenkrebs?

Umprogrammierung von Tumorassoziierten Makrophagen bietet neue immuntherapeutische Option für Lungenkrebs

Pressemitteilung des Forschungszentrums Mittelhessen

 

10. Juni 2020

Lungenkrebs ist die häufigste Krebstodesursache bei Männern und bei Frauen. Dass die Erkrankung häufig tödlich verläuft – nur rund 14 Prozent der Patientinnen und Patienten überleben die ersten fünf Jahre nach der Diagnose – ist vor allem auf mangelnde Früherkennung und das Fehlen wirksamer Therapien in späteren Stadien zurückzuführen. So spricht die derzeit verfügbare Immuntherapie nur bei einem Teil der Patientinnen und Patienten an. Verschiedene Forscherteams, insbesondere die Arbeitsgruppe von PD Dr. Rajkumar Savai am Max-Planck-Institut für Herz-Lungenforschung in Bad Nauheim und der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben nun einen Ansatzpunkt für eine neue immuntherapeutische Behandlung von Lungenkrebs identifiziert. Ihre Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.


Um neue zielgerichtete Therapien zu erforschen, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das gesamte Spektrum der Zellen und der Gewebestruktur im Tumor-Mikro-Milieu: umgebende Blutgefäße, Immunzellen, Fibroblasten, Signalmoleküle und die extrazelluläre Matrix. Besonders häufig sind hier sogenannte Tumor-assoziierte Makrophagen (TAMs) zu finden. Diese „Frontzellen“ des Immunsystems tragen entscheidend zu krebsbedingten Entzündungen bei. Die Forscherteams konnten nun zeigen, dass bei Lungenkrebs eine hohe Dichte von TAMs im Tumor-Mikro-Milieu mit einer schlechten Prognose und einem reduzierten Gesamtüberleben der Patientinnen und Patienten korreliert. Eigentlich hemmen die TAMs den Krebs, doch es gibt auch Varianten, die ihn fördern.


Wie aus tumorhemmenden Makrophagen solche werden, die Tumore fördern, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim und der JLU nun herausgefunden. Sie konnten zeigen, dass eine durch das Protein β-Catenin vermittelte Transkription – die Übersetzung von DNA in RNA – eine zentrale Rolle spielt. „Die selektive Manipulation dieses Signalwegs in TAMs bietet daher eine neue immuntherapeutische Option, um die Lungentumorprogression zu unterdrücken“, so Dr. Savai. Dabei werden die TAMs quasi umprogrammiert, um die Variante zu bilden, die die Tumorzellen abtötet – die Antitumorimmunität der Lunge wird reaktiviert.


„TAMs als Zielstrukturen bei Krebsbehandlungen zu nutzen, ist eine vielversprechende neue Strategie“, sagt Prof. Dr. Dr. Friedrich Grimminger, Direktor der Medizinischen Klinik IV/V (JLU). „TAM-Targeting-Agenzien dringen rasch in den klinischen Bereich vor, sowohl in Kombination mit traditionellen Therapeutika als auch mit weiteren immunmodulatorischen Wirkstoffen. Die aktuelle Studie vertieft unser Verständnis der TAM-Biologie und erlaubt besser fokussierte Therapien.“


Prof. Werner Seeger, Direktor am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim und der Medizinischen Klinik II an der JLU, ergänzt: „Die Entdeckung des molekularen Schalters, der das tumorfördende gegenüber dem tumorhemmenden Verhalten dieser Zellen bestimmt, ist ein wichtiger Schritt zu einem neuartigen Ansatz in der Präzisionsmedizin: der selektiven Förderung des antitumoralen Verhaltens von Makrophagen in der Mikroumgebung von Lungenkrebs, um multiple Nebenwirkungen zu vermeiden.“

  • Publikation

Sarode et al.: Reprogramming of tumor-associated macrophages by targeting β-catenin/FOSL2/ARID5A signaling: A potential treatment of lung cancer, Science Advances Vol. 6, Nr. 23, online veröffentlicht am 5. Juni 2020
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aaz6105

  • Weitere Informationen

https://advances.sciencemag.org/content/6/23/eaaz6105

  • Kontakt


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Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL)
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Telefon: 06032 705-420

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Schlagwörter
Forschung