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Vom Umgang des Rechts mit Antisemitismus

Rechtsvergleichende Studie mit dem Titel „Antisemitismus aus der Perspektive des Rechts: Verheißungen oder Unschärfen?“ an der Professur für Öffentliches Recht und Völkerrecht der Justus-Liebig-Universität Gießen bewilligt

Nr. 140 • 9. September 2020


Ist das Recht ein Instrument zur Bekämpfung von Antisemitismus? Reichen die geltenden Rechtsvorschriften aus im Kampf gegen den Antisemitismus oder greifen sie zu kurz? Mit den Wechselwirkungen zwischen Recht und Antisemitismus in ausgewählten Staaten werden sich Dr. Reut Yael Paz, Postdoktorandin am Fachbereich 01 – Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und zurzeit Gastprofessorin an der TU Berlin, und Prof. Dr. Thilo Marauhn, Inhaber der Professur für Öffentliches Recht und Völkerrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft, im Rahmen einer rechtsvergleichenden Studie in den kommenden drei Jahren beschäftigen. Das Team freut sich, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für das Vorhaben mit dem Titel „Antisemitismus aus der Perspektive des Rechts: Verheißungen oder Unschärfen?“ Forschungsgelder in Höhe von rund 850.000 Euro bewilligt hat.

„Die rechtswissenschaftliche Forschung hat diese Fragen zum Umgang des Rechts mit Antisemitismus bislang kaum thematisiert“, erläutert Prof. Marauhn. Ausgangspunkt der gemeinsamen Studie sei die Feststellung, dass das Recht einerseits ein Instrument zur Bekämpfung von Antisemitismus sei, andererseits aber Antisemitismus auch ignorieren oder gar verstärken könne. Schon die rechtliche Erfassung des Phänomens stelle ein Problem dar, zumal es bislang keine etablierte oder gar für die Justiz verbindliche Definition von Antisemitismus gibt. „Hier ergeben sich zahlreiche ,Unschärfen‘“, sagt Dr. Paz. „Das ,Versprechen‘ des Rechts, den Antisemitismus zu bekämpfen, stößt zudem auf Grenzen, die sich aus Strukturmerkmalen der jeweiligen Rechtsordnungen ergeben.“

Anhand von Beispielen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen wollen
Dr. Paz und Prof. Marauhn untersuchen, ob und wie die jeweiligen Rechtsordnungen Erkenntnisse aus anderen Disziplinen rezipieren und wie sich die zeitversetzte Reaktion des Rechts auf die Bekämpfung des Antisemitismus auswirkt. Besonders spannend ist die Parallelität von jüdischer Emanzipation, der Herausbildung universeller Menschenrechte und der Entstehung des modernen Antisemitismus. Das Recht wirkte in diesen Prozessen oft widersprüchlich, indem es Judentum und Antisemitismus gleichermaßen zu neutralisieren suchte.

Im Zentrum des Vorhabens steht eine vergleichende Rechtsprechungsanalyse. Das Wissenschaftlerteam wird sich ein breites Spektrum von Fallkonstellationen vornehmen, die verschiedene Themenkomplexe berühren, darunter die freie Religionsausübung, die Meinungsfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit, die Zensur oder den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Juristinnen und Juristen werden dabei auch die europäische Rechtsprechung sowie die Praxis universeller Menschenrechtsorgane in den Blick nehmen.

  • Weitere Informationen

https://www.uni-giessen.de/fbz/fb01/professuren-forschung/professuren/marauhn

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