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Gießener Lungenforscher für Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert

Team um Prof. Ghofrani nach Entwicklung von Medikament gegen Lungenhochdruck in der Endausscheidung

Nr. 166 • 16. September 2015

Prof. Dr. Ardeschir Ghofrani. Foto: JLU-Pressestelle / Rolf K. Wegst

Ein Forschungs-Team um den Gießener Lungenforscher Prof. Dr. Ardeschir Ghofrani ist für die Entwicklung eines Medikaments gegen Lungenhochdruck für den Deutschen Zukunftspreis 2015 nominiert worden. Zu dem Team, das für den Technik- und Innovationspreis des Bundespräsidenten nominiert wurde, gehören außerdem Prof. Dr. Johannes-Peter Stasch und Dr. Reiner Frey, beide Bayer-Konzern.

Das Gießener Lungenforschungszentrum unter der Leitung von Prof. Dr. Werner Seeger und Prof. Dr. Dr. Friedrich Grimminger, zählt zu den größten und wissenschaftlich produktivsten seiner Art weltweit und hat sich durch die Entwicklung neuer Therapien für verschiedene Lungenerkrankungen – von der Grundlagenforschung bis zum Patienten – in den letzten Jahrzehnten eine Ausnahmestellung erarbeitet.

Im Ehrensaal des Deutschen Museums in München gab Dr. Christoph Braß vom Bundespräsidialamt am Mittwoch die drei Teams für die Endausscheidung bekannt. Aus 24 hochkarätigen Einreichungen wählte eine Expertenjury die bedeutendsten Arbeiten für die endgültige Entscheidung aus, die Bundespräsident Joachim Gauck am 2. Dezember 2015 in Berlin verkünden wird.

Prof. Dr. Ardeschir Ghofrani und Prof. Dr. Johannes-Peter Stasch (Bayer) haben zusammen mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Medikament zur Behandlung von zwei lebensbedrohlichen Formen des Lungenhochdrucks entwickelt. Menschen, die von dieser schweren Erkrankung betroffen sind, haben eine erheblich eingeschränkte Lebenserwartung. Sie leiden unter Leistungsmangel, Atemnot und kreislaufbedingten Ohnmachtsanfällen, wodurch sie selbst bei alltäglichen Aktivitäten wie Treppensteigen oder beim Verrichten des Haushaltes stark eingeschränkt sind. Bleiben Erkrankte unbehandelt, führt der Lungenhochdruck binnen weniger Jahre zum Tod durch Herzversagen.

„Es erfüllt mich mit Stolz, dass einer unserer renommiertesten Mediziner für den Deutschen Zukunftspreis nominiert wurde“, sagte JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee. „Das spricht nicht nur für die Forschungsstärke der JLU und die Exzellenz ihrer Lungenforschung, sondern auch für die Innovationskraft der Medizinregion Mittelhessen.“ Besonders Prof. Ghofrani, der in diesen Tagen den Ruf auf die W3-Professur für Pulmonary Vascular Medicine an der JLU angenommen hat, freute sich über die gute Nachricht aus Berlin: „Dieses Medikament schenkt unseren Patienten mit Lungenhochdruck neue Hoffnung auf Besserung ihrer schweren Erkrankung. Die Entwicklung von Riociguat, welche aus einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Gießener Lungenforschungszentrum und den Wissenschaftlern der Firma Bayer resultierte, steht beispielhaft für das Potential, welches in strategischen Forschungsallianzen steckt.“
 
Die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech); eine der vorschlagberechtigten Institutionen des Deutschen Zukunftspreises, hatte das Projektteam um das Medikament für den Deutschen Zukunftspreis vorgeschlagen. Die Erforschung des Wirkmechanismus des Medikaments beruht auf einer 130 Jahre alten Therapie mit Nitroglycerin: Initial als Sprengstoff verwendet, wird es bei Angina pectoris eingesetzt. Im Körper setzt es Stickstoffmonoxid (NO) frei, das die Gefäße erweitert und den Blutdruck senkt, aber auch sehr schnell abgebaut wird. NO wird auch vom Körper selbst gebildet. Patienten mit Lungenhochdruck bilden zu wenig NO und der Druck in den Lungenarterien steigt. Der innovative Wirkstoff dagegen stimuliert direkt ein Enzym namens lösliche Guanylatcyclase (sGC) und beeinflusst es gleichzeitig so, dass es auf das körpereigene NO sensibler reagiert. Die sGC nimmt im Herzkreislauf-System eine Schlüsselfunktion ein und reguliert wichtige physiologische Prozesse, wie zum Beispiel die Erweiterung von Blutgefäßen. Medikamente, welche die sGC direkt stimulieren und somit die Wirkung von NO verstärken oder gar ersetzen können, stellen eine hoffnungsvolle Therapie für Lungenhochdruck dar.

Mittlerweile mehren sich in der Wissenschaft die Anzeichen dafür, dass sGC-Stimulatoren auch bei vielen anderen Herz-Kreislauferkrankungen positive Wirkungen haben können, wenn diese mit einer Störung des NO-sGC-Signalwegs einhergehen. In einer weltweiten strategischen Kooperation arbeitet Bayer mit seinem Partner MSD an einem umfassenden Studienprogramm zur Untersuchung dieses Potentials.

Über Lungenhochdruck
Die pulmonale Hypertonie (PH), auch Lungenhochdruck genannt, ist eine schwere, fortschreitende und lebensbedrohliche Krankheit der Lunge und des Herzens. Der Blutdruck in den Lungenarterien ist deutlich erhöht, was zu Herzversagen und zum Tod führen kann. Patienten mit PH leiden unter einer stark eingeschränkten körperlichen Leistungsfähigkeit und einer entsprechend verminderten Lebensqualität. Die häufigsten Symptome der PH sind Atemnot, Erschöpfung (Fatigue), Schwindelgefühl und Ohnmachtsanfälle und werden durch Anstrengung verstärkt. Da die Symptome einer PH nicht spezifisch sind, können bis zur richtigen Diagnose bis zu zwei Jahre vergehen. Eine frühzeitige Diagnose und eindeutige Bestimmung der PH-Form ist essentiell, da eine Verzögerung des Behandlungsbeginns die Lebenserwartung der Patienten verkürzen kann. Außerdem ist es wichtig, die Therapie engmaschig zu überwachen, um sicherzugehen, dass die Patienten für ihren individuellen Krankheitstyp und das Stadium, in dem sie sich befinden, die optimale Therapie erhalten.

Es gibt fünf verschiedene Formen von PH. Jede der fünf Formen kann sich bei Patienten unterschiedlich auswirken, auch die Ursache und klinische Manifestation der PH unterscheiden sich oft. Für die besten Erfolgsaussichten sollten Patienten in einer Spezialklinik für PH behandelt werden.

Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) ist eine Form des Lungenhochdrucks, die durch wiederholt eingeschwemmte Blutgerinnsel (sog. Lungenembolien) aus entfernten Körpervenen ausgelöst wird. Anstatt wie üblich durch körpereigene Mechanismen abgebaut zu werden, vernarben diese Gerinnsel und verschließen einen Teil der Lungenarterien dauerhaft. Damit muss Blut aus der rechten Herzkammer zur Sauerstoffaufnahme in der Lunge durch deutlich weniger Blutgefäße gepumpt werden. Die Folge ist ein erhöhter Druck, der letztlich zu Herzversagen und Tod führen kann. Für viele Patienten stellt ein operativer Eingriff, bei dem die verschlossenen Lungenarterienäste chirurgisch wieder eröffnet werden, eine potenzielle Heilung dar. Allerdings kann diese Operation bei 20-40 Prozent der CTEPH-Patienten nicht durchgeführt werden, und bei bis zu 35 Prozent der Patienten besteht die Krankheit auch nach dem Eingriff noch weiter oder tritt erneut auf. Diese Patienten benötigen eine wirksame medikamentöse Behandlung. Mit dem innovativen Wirkstoff steht erstmals ein zugelassenes Medikament zur Verfügung.

Bei der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) kommt es ebenfalls zu einer Druckerhöhung im Lungenkreislauf, jedoch ist hier neben einer Verengung der Arterien eine unkontrollierte Zellwucherung die Ursache der Erkrankung. PAH kann erblich bedingt sein, daneben können Infektionen, bestimmte Giftstoffe, sowie einige Medikamente diese ebenfalls tödliche Form des Lungenhochdrucks auslösen. Obwohl es mehrere zugelassene Medikamente für die Behandlung der PAH gibt, bleibt die Prognose für die Patienten ungünstig und neue Behandlungsoptionen werden benötigt.

Über den Wirkstoff
Der Wirkstoff ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie die deutsche Industrie und die akademischen Institutionen in enger Zusammenarbeit eine wichtige und innovative Behandlung entwickelt haben, die schwer kranken Patienten weltweit helfen kann. Das spezifische Wirkprinzip der sGC-Stimulation und seine medizinische Bedeutung wurden von Bayer-Wissenschaftlern in Wuppertal entdeckt. Die klinische Erforschung und Entwicklung von Riociguat zur Behandlung des Lungenhochdrucks hat Bayer mit führenden Experten des Lungenforschungszentrums „Excellence Cluster Cardio-Pulmonary System“ (ECCPS) der Justus-Liebig Universität Gießen durchgeführt. Diese Zusammenarbeit war der entscheidende Erfolgsfaktor für das Projekt.

Ausgehend von dieser Kooperation wurden klinische Studien an Expertenzentren in ganz Deutschland durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten die hohen Erwartungen aus der frühen Forschung, mit klaren Hinweisen für eine Wirksamkeit bei Patienten mit PAH und CTEPH. Daraufhin wurden unter der Leitung von Professor Ghofrani aus Gießen größere weltweite Studien begonnen. Diese belegten die Wirksamkeit und Sicherheit des Wirkstoffs und führten im März 2014 zur Zulassung durch die europäische Kommission. Inzwischen ist das Präparat in mehr als 50 Ländern zugelassen, darunter die USA und Japan.

  • Weitere Informationen


www.deutscher-zukunftspreis.de


  • Kontakt


, Professor für Pulmonary Vascular Medicine
Klinikstraße 36, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-42422

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041

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Forschung