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Risikokapital für Hightech-Start-ups: Warum die Standortwahl bei der Finanzierung entscheidend ist

Studie der Universitäten Gießen und Trier zeigt, dass Erreichbarkeit und Wissensbestand einer Region von Bedeutung sind

Nr. 190 • 3. Dezember 2020

Finanzielles Kapital ist eine Grundvoraussetzung für jede Unternehmensneugründung. Doch wie können gerade Hightech-Start-ups mit zum Teil großem Finanzierungsbedarf Risikokapitalgeber für sich gewinnen? Eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Universität Trier zeigt, dass regionale Merkmale in die Entscheidung von Risikokapitalgebern einfließen, wenn sie die Attraktivität von technologischen Start-ups bewerten. Die Erkenntnisse können sowohl für technologiegetriebene Jungunternehmen als auch für politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger von Bedeutung sein.

Neugegründete Hightech-Unternehmen, leiden in frühen Phasen häufig unter Finanzierungslücken, weil solche jungen und technologiegetriebenen Unternehmen sehr risikobehaftet sind und Kreditgeber diese Risiken typischerweise meiden. Hier bieten Risikokapitalgeber, auch Venture-Capital-Investoren genannt, Finanzierungsalternativen. Es ist bereits bekannt, dass vor allem das Wissen eines Start-ups, das sich durch die Anzahl der Patente messen lässt, eine große Rolle bei der Investitionsentscheidung spielt. „Unsere Studie zeigt, dass auch regionale Merkmale in die Entscheidung von Risikokapitalgebern einfließen, wenn sie die Attraktivität dieses Wissens von technologischen Start-ups bewerten“, so Prof. Dr. Monika C. Schuhmacher, Professur für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Technologie-, Innovations- und Gründungsmanagement an der JLU, die mit ihrem Mitarbeiter Stephan Philippi an der Studie beteiligt ist.

Doch warum spielt der regionale Kontext eine Rolle bei der Investitionsentscheidung? „Sowohl Entrepreneurship als auch Wissen stellen regionale Phänomene dar, da Start-ups mit dem regionalen ‚Ökosystem‘ interagieren und Wissensübertragungen meist innerhalb regionaler Grenzen stattfinden“, erklärt Stephan Philippi. Basierend auf einer Analyse von mehr als 46.000 deutschen Hightech-Start-ups über einen Zeitraum von zehn Jahren zeigt die Studie, dass Investoren Informationen über Regionen heranziehen, um die Investitionswürdigkeit von potenziellen Investitionsprojekten zu beurteilen. „Konkret zeigt sich, dass die Erreichbarkeit und der Wissensbestand einer Region hierbei eine maßgebliche Rolle spielen“, so Philippi.

Venture-Capital-Investoren stellen nicht nur finanzielle Mittel zur Verfügung, sondern bringen sich aktiv mit ihrer Expertise ein, um wertschöpfende Hilfestellungen zu leisten. Sie helfen zum Beispiel dabei, neu gewonnenes Wissen zu verwerten und zu kommerzialisieren. Die Zusammenarbeit lässt sich dabei effektiver und effizienter gestalten, wenn Start-ups in einer Region angesiedelt sind, die geografisch gut erreichbar ist. Dadurch lässt sich nicht nur Zeit und Geld sparen. Auch persönliche Gespräche, die zur Stärkung der Geschäftsbeziehung beitragen, lassen sich einfacher koordinieren. Diese Vorzüge führen dazu, dass Risikokapitalgeber bevorzugt in Hightech-Start-ups in gut erreichbaren Regionen investieren – gute Nachrichten für Städte wie Frankfurt am Main.

Die Studie zeigt darüber hinaus, dass nicht nur die Erreichbarkeit, sondern auch der Wissensstand einer Region eine große Rolle spielt. Dabei kann eine sogenannte wissensintensive Region mit einer hohen Dichte an Hightech-Unternehmen und Patenten – zum Beispiel München – nachteilig sein, wenn es darum geht, Investitionen zu gewinnen. Denn in diesen Regionen ist die Konkurrenz größer. Dies spielt eine wichtige Rolle für die Investitionsentscheidung, da Risikokapitalgeber potenzielle Investitionsprojekte anhand des Wissensstandes einer Region bewerten. Andere Regionen, wie beispielsweise Bremen, gelten eher als „wissensarm“. Hier können sich junge Unternehmen leichter vom Standard abheben und werden oftmals überdurchschnittlich bewertet, wodurch sich ihre Chancen auf eine Investition erhöhen. Es ist also für Hightech-Start-ups nicht immer vorteilhaft, sich in Regionen mit vielen anderen technologiegetriebenen Unternehmen niederzulassen.

Um neue unternehmerische Regionen aufzubauen, empfehlen die Autorinnen und Autoren der Studie, den Fokus auf die Verbesserung der geographischen Erreichbarkeit zu legen. „Zudem könnten Subventionen für Risikokapitalgeber, die sich in der Region niederlassen, gewährt werden“, so Prof. Schuhmacher. „Alternativ könnten staatliche Risikokapitalfonds innerhalb neuer unternehmerischer Regionen eingerichtet werden. Durch diese Maßnahmen kann eine Anschubfinanzierung geleistet und neue Venture-Capital-Investoren in die Region gelockt werden.“

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Professur für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Technologie-, Innovations- und Gründungsmanagement
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Forschung