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Gießener Historiker nehmen Jugendgangs, Söldnergruppen und Räuberbanden ins Visier

DFG fördert Forschergruppe zu „Gewaltgemeinschaften“ mit zwei Millionen Euro – Wie funktioniert Gewalt in der Gruppe?

Nr. 191  • 3. August 2009


Von jugendlichen Gewalttätern in Großstädten über Milizen und Rebellen in den Krisengebieten der Welt bis hin zu Terroristen: Gewalt wird oft von Gruppen ausgeübt. In der Gemeinschaft Gleichgesinnter scheint die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung zu sinken. Aber was hält solche Gruppen zusammen und welche Rolle spielt die Gewalt für sie? Dieser Frage widmet sich an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) die neue DFG-Forschergruppe „Gewaltgemeinschaften“. Sprecher der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit zunächst rund zwei Millionen Euro für drei Jahre geförderten Gruppe ist Prof. Dr. Winfried Speitkamp vom Historischen Institut der JLU.

Den beteiligten Wissenschaftlern geht es vor allem um die geschichtliche Dimension: So untersuchen sie unter anderem, ob es Gewaltgemeinschaften schon immer gegeben hat und wie sie sich in einzelnen Epochen oder Kulturen unterscheiden. Warum sind einzelne Gewaltgemeinschaften, zum Beispiel Räuberbanden, zeitweise zum Mythos geworden? Das alles soll in neun Teilprojekten erforscht werden. Die Themen reichen von gotischen Kriegergruppen im Römischen Reich über mittelalterliche Fehdegruppen und frühneuzeitliche Söldner bis zu osteuropäischen und afrikanischen Gewaltgemeinschaften. Auch städtische Jugendgruppen und politische Kampfverbände des 20. Jahrhunderts kommen zur Sprache.

Das innovative Konzept verspricht neue Ergebnisse, die auch für das Verständnis von Gewaltgemeinschaften in der Gegenwart Bedeutung haben werden. Bisher hat die Forschung eher nach den Ursachen und den Folgen von Gewalt gefragt, aber die innere Dynamik von gewalttätigen Gruppen, den Zusammenhalt, die Funktionsweise, etwa die Rolle der Führer oder die Bedeutung einer eigenen „Moral“ und Wertordnung, vernachlässigt. Danach aber muss man fragen, so eine These der Forschergruppe, wenn man verstehen will, warum immer wieder gewaltbereite Gruppen Angst und Schrecken verbreiten.

Neben den neun Projektleitern (den Gießener Historikern Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg, Prof. Dr. Horst Carl, Prof. Dr. Peter Haslinger, Prof. Dr. Markus Koller, Prof. Dr. Friedrich Lenger, Prof. Dr. Christine Reinle, Prof. Dr. Winfried Speitkamp und Prof. Dr. Hans-Ulrich Wiemer sowie dem Siegener Soziologen Prof. Dr. Trutz von Trotha) werden sich ab sofort zwölf wissenschaftliche Mitarbeiter an die Arbeit machen. Ihre Arbeitsergebnisse wollen die Mitglieder der Forschergruppe regelmäßig auch der interessierten Öffentlichkeit vorstellen. Auf einer eigenen Homepage, die in den nächsten Wochen eingerichtet wird, werden sie über ihre Arbeit berichten, und im kommenden Sommer, wenn die ersten Ergebnisse vorliegen, wird eine erste öffentliche Ringvorlesung stattfinden.

  • Kontakt:

Prof. Dr. Winfried Speitkamp, Historisches Institut
Otto-Behaghel-Straße 10 C, 35394 Gießen
Telefon: 0641 99-28162, Fax: 0641 99-28169

Sonja Dinter M.A. (wissenschaftliche Koordinatorin der Forschergruppe)
Otto-Behaghel-Straße 10 C, 35394 Gießen
Telefon: 0641 99-28164