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Was Materie zusammenhält

Die Physikerin Dr. Saskia Kraft-Bermuth baut an der Universität Gießen eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe auf – Tieftemperatur-Detektoren im Fokus

Nr. 78 • 28. April 2010

Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) kann sich über eine weitere Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe freuen: Am Institut für Atom- und Molekülphysik wird die Physikerin Dr. Saskia Kraft-Bermuth eine Arbeitsgruppe aufbauen, die sich mit der „Entwicklung kalorimetrischer Tieftemperatur-Detektoren für die Atom- und Kernphysik mit schweren Ionen“ beschäftigt. Hierfür stellt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen ihres renommierten Emmy Noether-Programms für Nachwuchswissenschaftler über einen Zeitraum von fünf Jahren Personal- und Sachmittel für den Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe zur Verfügung. Ziel dieses Programms ist es, junge Wissenschaftler mit herausragenden wissenschaftlichen Leistungen für eine Berufung als Hochschullehrer zu qualifizieren.

Die Emmy-Noether-Gruppe „Tieftemperatur-Detektoren“ wird das neuartige Konzept der Tieftemperatur-Kalorimeter in der Atom- und Kernphysik anwenden, um die Physik sogenannter schwerer Ionen zu erforschen. Als schwere Ionen bezeichnet man alle elektrisch geladenen Atome von Helium bis hin zu Uran und Blei. Die Struktur solcher Atome einschließlich ihrer Kerne wie auch die Untersuchung ihrer Reaktionen liefern Informationen über Entstehung und Aufbau der Materie bis hin zur Erzeugung neuer chemischer Elemente, wie sie an den Beschleunigeranlagen der Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt künstlich hergestellt werden.

Der Fokus der Emmy-Noether-Gruppe liegt auf zwei Anwendungsbereichen: Zum einen beschäftigt sie sich mit dem Nachweis von Röntgenstrahlung, die durch hochgeladene schwere Ionen erzeugt wird, um beispielsweise die fundamentale Theorie der Quantenelektrodynamik zu überprüfen oder auch die Größe von radioaktiven, sehr seltenen Kernen exakt zu vermessen. Zum anderen möchten die Forscher den Energieverlust von schweren Ionen bestimmen, wenn diese durch einen Festkörper hindurch fliegen und einen Teil ihrer Energie deponieren. Diese Untersuchungen sind insbesondere von Bedeutung für die gezielte Veränderung von Materialeigenschaften durch Ionenbeschuss, wie etwa die Härtung von Oberflächen oder in der Krebstherapie mit schweren Ionen.

Die Experimente werden an den Beschleuniger-Anlagen der Universität Frankfurt, des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg und der GSI in Darmstadt durchgeführt. Die Entwicklung und Optimierung der Detektoren erfolgt an der JLU.

Die Arbeit von Dr. Kraft-Bermuth integriert sich optimal in die Forschungsschwerpunkte des Instituts für Atom- und Molekülphysik der JLU: Neue Methoden der Präzisionsspektroskopie, unter anderem zum Studium von Effekten im Grenzbereich zwischen Atom- und Kernphysik, werden dort bereits seit langem entwickelt und erfolgreich an Großforschungsanlagen wie der GSI eingesetzt. Zudem sind materialwissenschaftliche Gesichtspunkte für das Fachgebiet Physik der JLU von großem Interesse: Für den angestrebten Forschungsschwerpunkt Atom-, Plasma- und Raumfahrtphysik kann die Untersuchung von Wechselwirkungsmechanismen der Ionen in Festkörpern durch die Emmy-Noether-Gruppe wertvolle Beiträge leisten.

Dr. Kraft-Bermuth, Jahrgang 1973, studierte an der Universität Stuttgart Physik und promovierte dann an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Während ihrer Promotion begann sie, mit Tieftemperatur-Detektoren für die Schwerionenphysik zu arbeiten und erste Anwendungen zu untersuchen. Diese Arbeiten setzte sie mit einer zweijährigen PostDoc-Phase an der GSI in Darmstadt fort. Ein weiterer PostDoc-Aufenthalt führte sie an die Università Milano-Bicocca in Mailand, wo sie drei Jahre lang Tieftemperatur-Detektoren für die Neutrinophysik entwickelte. Seit April baut sie die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe an der JLU auf.

Das Emmy Noether-Programm der DFG möchte Nachwuchswissenschaftlern wissenschaftliche Selbstständigkeit ermöglichen, die sie brauchen, um frühzeitig eine eigenständige Position in der Wissenschaft zu erreichen. Es ist eines der zentralen Exzellenzprogramme für Nachwuchswissenschaftler. Wer aufgenommen wird, hat einen harten Auswahlprozess hinter sich und kann bereits in jungen Jahren beachtliche wissenschaftliche Leistungen und internationale Forschungserfahrung vorweisen. Benannt ist das Programm nach der Mathematikerin Emmy Noether (1882-1935).

An der JLU gibt es bereits am Institut für Veterinär-Physiologie eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe, die die Kommunikation von Immunsystem und Gehirn bei Krankheit erforscht (Leitung: Dr. Christoph Rummel).

  • Kontakt:

Dr. Saskia Kraft-Bermuth
Institut für Atom- und Molekülphysik
Leihgesterner Weg 217, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-15202

Herausgegeben von der Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen