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Wissenschaft im Fadenkreuz: Unterstützung für bedrohten Anthropologen aus Kolumbien

Kolumbianischer Anthropologe setzt seine wissenschaftliche Tätigkeit nach Morddrohungen in Deutschland fort

PMCAPAZ/JLU, 7.10.2020

Der kolumbianische Anthropologe Prof. Lerber Dimas ist aufgrund seiner Forschungen zur Gewalt in Kolumbien Morddrohungen von paramilitärischen Gruppen ausgesetzt. Nun wird er seine wissenschaftliche Tätigkeit in Deutschland weiterführen. „Sein Fall zeigt exemplarisch die lebensbedrohenden Risiken für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Gewaltkontexten“, erklärt Prof. Dr. Stefan Peters, Direktor des Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstituts (Instituto CAPAZ) in Bogotá und Professor für Friedensforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU).

Dank der Zusammenarbeit von Partnerinstitutionen wie das Instituto CAPAZ, der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Freien Universität Berlin, der Universität Erfurt und des Arnold-Bergstraesser-Instituts für kulturwissenschaftliche Forschung (ABI) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der deutschen Botschaft in Kolumbien konnte Prof. Lerber Dimas von der Universidad de La Guajira (Kolumbien) Ende September einen vorläufig nicht befristeten Forschungsaufenthalt – maßgeblich finanziert durch das Instituto CAPAZ, das ABI und die JLU – in Deutschland antreten. Prof. Dimas wird in den kommenden Monaten im Rahmen seines Aufenthaltes an diversen Aktivitäten in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitäten teilnehmen.

Prof. Lerber Dimas ist an der Universidad de La Guajira im Norden Kolumbiens tätig. Er arbeitet in Kooperation mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen des CAPAZ zur andauernden Gewalt in der kolumbianischen Karibikregion, insbesondere im natur- und ressourcenreichen Gebiet der Sierra Nevada de Santa Marta. Schwerpunkte seiner Forschungen sind die Gewaltkriminalität und der Drogenhandel im Norden Kolumbiens. Als Mitglied der Forschungsgruppe Oraloteca an der Universidad del Magdalena hat er zudem Dokumentarfilme über die paramilitärischen Massaker in der kolumbianischen Karibik gedreht. Seine Forschungsaktivitäten sind jetzt für ihn zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden, betont Prof. Peters.

„Die Herausforderungen, vor denen Kolumbien vor allem durch das Wiederaufflammen der Gewalt steht, erfordern schnelle Reaktionen. Ich erinnere mich an die Umwelt- und Menschenrechtenaktivistinnen und -aktivisten, die getötet wurden, weil sie nicht rechtzeitig die Aufmerksamkeit des Staates erhielten, die ihr Leben hätten retten können. Persönlich habe ich nur Worte des Dankes für Deutschland, die Menschen und Institutionen, die diesen Aufenthalt schnell und unbürokratisch ermöglicht haben. Ich fühle mich nun ruhig und sicher. Auf Antworten aus meinem Land warte ich noch immer“, sagte Prof. Dimas bei seiner Ankunft in Deutschland.

Der Fall Dimas verdeutlicht auf grausame Art die Schwierigkeiten, mit denen empirische Forschungsarbeiten in der Friedens- und Konfliktforschung oftmals konfrontiert sind.
„Wir können leider nicht davon ausgehen, dass Prof. Dimas in Kolumbien seiner Tätigkeit gefahrlos weiter nachgehen kann bzw., dass er ausreichend staatlichen Schutz erhält. Nichtsdestotrotz bleibt eine solche Arbeit unerlässlich für die Friedens- und Konfliktforschung, wenn wir verstehen wollen, wie solche Gewaltdynamiken funktionieren“, sagt Dr. Alke Jenss, Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin des Cluster State & Governance am Arnold-Bergstraesser-Institut Freiburg.

Kolumbien erlebt seit Wochen eine Verschärfung der Gewalt, vor allem in den ländlichen Gebieten. „Die Gewalt in Kolumbien nimmt besorgniserregende Formen an und bedroht auch die Wissenschaft. Die Bedrohungen sind leider sehr ernst zu nehmen. Aus unserer Geschichte wissen wir, wie wichtig internationale Solidarität ist – für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber selbstverständlich auch für zivilgesellschaftliche Gruppen und Einzelpersonen“, betont Prof. Peters.

Die Gewalt in Kolumbien kostet viele Menschenleben. Großen Gefahren ausgesetzt sind vor allem junge Menschen, indigene Gruppen und Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten. Die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft befinden sich laut Prof. Dimas inmitten des Konflikts: „Kolumbien steht vor einer Neugruppierung bewaffneter Gruppen, die versuchen, die Regionen zu destabilisieren und Gewalt als Hauptachse der täglichen Aktivitäten durchzusetzen. Inmitten dieser illegalen Gewalt befinden sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Aktivistinnen und Aktivisten sowie die einfache Bevölkerung, die tagtäglich zu überleben versucht. Ich hoffe, dass dieser akademische Austausch dazu beiträgt, Diskussionsräume zu schaffen, die uns helfen, diese Realität in Kolumbien in den Fokus zu rücken und das Echo dann auch in die Region zurückzuspielen“.


Instituto CAPAZ

Vier Institutionen, die den Aufenthalt von Prof. Dimas in Deutschland ermöglichen, sind Mitglieder des deutsch-kolumbianischen Friedensinstituts - Instituto CAPAZ. Das CAPAZ wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Auswärtigen Amts finanziert und soll einen Beitrag zum Friedensprozess und zur Friedensetablierung in Kolumbien durch Wissenschaft und Austausch im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung leisten. Die JLU hat die Projektverantwortung des Instituto CAPAZ.

 

Weitere Informationen
www.instituto-capaz.org

  • Kontakt


Professor für Friedensforschung der JLU Gießen
Direktor des Instituto CAPAZ