Butzbacher Handschriften
DFG-Projekt: Digitalisierung, erweiterte Kurzkatalogisierung und Web-Präsentation mit Strukturdatenvergabe der Handschriften des ehemaligen Fraterherrenstifts St. Markus zu Butzbach in der UB Gießen (2020-2022)
Die Universitätsbibliothek Gießen verfügt über mehr als 2.770 Handschriften (und Autographen). Etwa 450 davon sind mittelalterliche Handschriften aus der Zeit des 9. bis 15. Jahrhunderts.
Die mittelalterlichen Handschriften aus dem Fraterherrenstift St. Markus zu Butzbach
221 der mittelalterlichen Handschriften und damit der größte zusammenhängende Bestandsanteil stammen aus der Bibliothek des ehemaligen Butzbacher Fraterherrenstiftes St. Markus (1468/69–1555) in der Wetterau (überwiegend aus dem 15. Jahrhundert). Graf Eberhard III. von Eppstein-Königstein (†1475) gründete das Stift an der dortigen Stadtkirche und erhielt hierzu in einer Urkunde die Zustimmung von Papst Paul II. (1464–1471). Die Kirche musste vergrößert werden. Das Stift besaß mehrere Häuser in Butzbach. In der Nachbarschaft der Kirche baute man ein Bruderhaus, das heute noch steht und in dem sich früher die Bibliothek befand.
Die Handschriften sind durch zwei gedruckte und in Manuscripta Mediaevalia online vorliegende Kataloge ausführlich nach den DFG-Richtlinien für die Handschriftenkatalogisierung erschlossen. Hinzu kommen weitere Stücke, die inhaltlich mit ihnen zusammenhängen.
Die einzige vollständig erhaltene Fraterherrenbibliothek
Dieser Bestand ist in mehrfacher Hinsicht singulär. Es handelt sich um den außerordentlichen Glücksfall der einzigen bekannten, bis heute nahezu vollständig und geschlossen an einem Ort erhaltenen Handschriftensammlung als Teil einer theologischen Studienbibliothek der sogenannten „Brüder vom gemeinsamen Leben“. Als solche hat sie höchsten Ensemblewert. Als herausragender Bestandteil befindet sich darin als Kryptobibliothek die ebenfalls vollständig erhaltene Gelehrtenbibliothek (ca. 70 Handschriften) Gabriel Biels (†1495). Er war Mainzer Domprediger, erster Butzbacher Prior sowie später Gründungsmitglied der Universität Tübingen. Biel gilt als „letzter Scholastiker“. Die Handschriften gelangten 1771 auf Anordnung Landgraf Ludwigs IX. von Hessen-Darmstadt nach Gießen.
Digitalisierung, Katalogisierung und Strukturdatenvergabe im DFG-Projekt
In dem von der DFG bewilligten Projekt wurden alle noch nicht online verfügbaren Bände des Butzbacher Handschriftenbestandes (insgesamt 223, einschließlich Einbandmakulatur) mit den in ihnen eingebundenen Inkunabeln bestandsschonend mit einem kamerabasierten Verfahren digitalisiert und online zugänglich gemacht. Begleitend erfolgte eine konservatorische Prüfung mit einfachen restauratorischen Arbeiten.
Die Handschriften selbst und die in ihnen enthaltenen Inkunabeln sowie deren Digitalisate wurden in der hebis-Datenbank auf der Basis der vorliegenden Beschreibungen katalogisiert und anschließend im neuen Handschriftenportal nachgewiesen. Bestandteil der Aufnahmen sind auch Normdaten sowie ergänzende neue und teils korrigierende Informationen. Dazu musste der ältere der beiden Kataloge (1980) an den Erkenntnissen des neueren (2004) überprüft werden. Die umfangreichen, bis zu 470 Blätter zählenden und oft mehr als 20 Einzeltexte enthaltenden Handschriften erhielten ebenso inhaltliche Strukturdaten.
Virtuelle Butzbacher Fraterherrenbibliothek
Der Bestand ist im Sondermagazin der UB Gießen nach Themengebieten und deshalb verteilt aufgestellt. Durch das Projekt kann er erstmals virtuell wieder zusammengeführt werden. Der Forschung ermöglicht es den schnellen Zugang zu einer theologie- und buchgeschichtlich singulären Sammlung aus der Umbruchphase zum Gutenbergzeitalter und am Vorabend der Reformation, an die sich damit völlig neue, erstmals überhaupt mögliche Fragestellungen richten lassen.
Recherche
Bayerer, Wolfgang Georg: Die Handschriften des ehemaligen Fraterherrenstifts St. Markus zu Butzbach. Teil 1: Handschriften aus der Nummernfolge Hs 42–Hs 760. Wiesbaden 1980.
https://doi.org/10.22029/jlupub-7641
Ott, Joachim: Die Handschriften des ehemaligen Fraterherrenstifts St. Markus zu Butzbach. Teil 2: Die Handschriften aus der Signaturenfolge Hs 761–Hs 1266, NF-Signaturen, Ink-Signaturen. Gießen 2004.
https://doi.org/10.22029/jlupub-2917
Die mittelalterlichen Handschriften des ehemaligen Fraterherrenstifts St. Markus zu Butzbach in den Digitalen Gießener Sammlungen (DIGISAM)
https://digisam.ub.uni-giessen.de/ubg-ihd-fb
Inkunabeln des ehemaligen Fraterherrenstifts St. Markus zu Butzbach (teils in den Handschriften enthalten) in den Digitalen Gießener Sammlungen (DIGISAM)
https://digisam.ub.uni-giessen.de/ubg-ihd-fbi
Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin: Dr. Carola Fey
Scan-Operator/in: Melissa Kleinhans, Christof Rade