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8. Moot Court 2018

Während des Studiums müssen Studierende der Rechtswissenschaft vorgegebene Fälle lösen, indem sie im Rahmen eines juristischen Gutachtens zu einer gut vertretbaren und überzeugenden Lösung gelangen. Damit werden sie aber nicht umfassend auf die spätere Praxis vorbereitet. Es dominiert der richterliche Blickwinkel; das anwaltlich-strategische Vorgehen wird nicht (oder jedenfalls kaum) eingeübt. Entsprechend bedeutet ein Moot Court nicht nur eine interessante und kurzweilige Abwechslung vom Studentenalltag; er befördert gerade die anwaltlich-strategische Sicht- und Herangehensweise. Letzteres gilt umso mehr, als sich mit Unterstützung der Rechtsanwaltskammer Frankfurt erfahrene Praktiker bei der Durchführung des nunmehr 8. Justus-Liebig-Moot Courts engagierten. Auf der Richterbank saß mit Herrn Alexander Druckenbrodt ein erfahrener Prozessrechtsanwalt der Frankfurter Kanzlei Arnold & Porter. Den Vorsitz hatte mit Herrn Thomas Offenloch ein Richter des Bundesgerichtshofs.

Für den diesjährigen 8. Justus-Liebig-Moot Court erhielten die teilnehmenden Teams etwa zwei Monate vor der Finalverhandlung den Sachverhalt. Dieser unterschied sich von bisher bearbeiteten Fällen im juristischen Studium in vielerlei Hinsicht. Jedem angemeldeten Team, das aus zwei bis drei Studenten ab dem 4. Semester bestand, wurde entweder die Kläger- oder die Beklagtenrolle zugewiesen. Folglich war stets zu überlegen, welche Interessen die eigene Partei verfolgen möchte und was in einem Schriftsatz dafür vorzubringen und darzulegen ist. Für Studierende ist dies eine gänzlich neue Situation. In universitären Klausuren ist der Verfasser nicht in der Rolle eines Prozessvertreters, sondern er wägt gleich einem Richter ab. Der Justus-Liebig-Moot Court bietet die Möglichkeit, eigene Überzeugungen hinter die Interessen der eigenen Partei zu stellen und für diese das Bestmögliche vor Gericht erreichen zu wollen.

Wie bereits in den Vorjahren befasste sich auch der Fall des 8. Justus-Liebig-Moot Courts mit zentralen examensrelevanten Themen aus dem allgemeinen Zivilrecht. In diesem Durchgang stand das Gesetz zur Änderung des Bauvertragsrechts und damit einhergehend die neuen Vorschriften im Kaufrecht im Mittelpunkt. Die Beklagte hatte der Klägerin Fliesen verkauft, die nach den Herstellerangaben sowohl für den Innen- als auch den Außenbereich geeignet waren. Demgegenüber waren die Fliesen im Katalog der Beklagten allein als Innenfliesen deklariert. Die an die Klägerin verkauften Fliesen konnten aufgrund eines Fehlers im Herstellungsprozess auch tatsächlich allein im Innenraum verlegt werden. Die Klägerin wusste von diesem Mangel jedoch nichts und bewarb die Fliesen entsprechend den Herstellerangaben auch als Außenfliesen. Die Fliesen verkaufte sie weiter an ein Bauunternehmen, das die Fliesen auf der Außenterrasse einer Gaststätte verlegte. Dort bildeten sich im Winter erhebliche Risse, die das Bauunternehmen durch den Ausbau der alten und den Einbau neuer Fliesen behob. Die Klägerin ersetze dem Bauunternehmen daraufhin sämtliche Kosten (insbes. auch entgangenen Gewinn sowie die Kosten für eine erneute Imprägnierung) und verlangte nun von der Beklagten in ihrer Rolle als Verkäuferin den Ersatz aller Aufwendungen, die sie dem Bauunternehmen erstattet hatte. Im Mittelpunkt der Fallbearbeitung standen dabei AGB der Klägerin und der Beklagten, die einen Regress durch Ausschluss der einschlägigen Normen (§§ 439 Abs. 3, 445a BGB) verhindern sollten. Der Fall bot den Teilnehmern Gelegenheit, sich mit der neuen Rechtslage auseinanderzusetzen und verschiedene Streitpunkte näher zu erforschen.

Nach Auswertung der hereingereichten Schriftsätze wurden vier Teams – eines aus Gießen, zwei aus Marburg und eines aus Osnabrück – zum Halbfinale geladen.

Den Vorsitz des Gerichts hatte wie bereits in den vergangenen Jahren Herr Thomas Offenloch, Richter am Bundesgerichtshof, inne. Herr Offenloch ist am Bundesgerichtshof Mitglied des VI. Zivilsenats. Unterstützt wurde er von Herrn Rechtsanwalt Alexander Druckenbrodt (Arnold & Porter) als Vertreter der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main und Herrn Prof. Dr. Martin Gutzeit.

 

 

Nach zwei spannenden Verhandlungen konnten sich jeweils das Team Gießen im 1. Halbfinale und das Team Osnabrück im 2. Halbfinale durchsetzen.

 

Team "Marburg 2"                                                   Team "Gießen" (siegreich)

Nur Seda Gülal, Sarah Kraus und Andrea Paez         Lucas Julis Schmitz, Elena Hilgers und
                                                                                 Maximilian Roth

 

Team "Osnabrück" (siegreich)                               Team "Marburg 1"

Lennart Meyer und Malte Drouet                               Jan Salomon Schröder, Jonathan Kuchinke und
                                                                                  Moritz Jetzen

 

Im Fall der Finalverhandlung hatte die Klägerin von der Beklagten eine Baumaschine erworben und diese an ein Bauunternehmen weiterverkauft. Allerdings handelte es sich bei der Maschine nicht um das neuste Modell, weshalb das Bauunternehmen nach erfolgloser Fristsetzung vom Vertrag zurückgetreten war. Die Klägerin erhielt im Rahmen des Rücktritts die Maschine zurück. Sie möchte nun ihrerseits diese an die Beklagte gegen Rückzahlung des Kaufpreises und Ersatz ihres entgangenen Gewinns zurückgeben. Gestritten wurde vor allem über die Mangelhaftigkeit der Maschine. War zwischen der Klägerin und der Beklagten der Kauf des neusten Modells vereinbart worden? Ist eine Maschine, die 18 Monate lang als Vorführmodell fungierte, „fabrikneu“? Hatte der Angestellte der Beklagten arglistig gehandelt, als er wissentlich das einzig alte Modell auf dem Hof des Unternehmens an die Klägerin ausgeliefert hatte?

Nach einer sehr spannenden und fachlich anspruchsvollen Auseinandersetzung mit der Materie kam das Gericht nach intensiver Beratung zu der Entscheidung, dass das Team aus Osnabrück mit geringem Vorsprung gewonnen hat.

 

 

In Rahmen der anschließenden Siegerehrung wurde dem Team aus Osnabrück die Siegprämie in Höhe von 1.500 Euro überreicht. Das zweitplatzierte Team aus Gießen gewann 800 Euro. Die beiden Halbfinalisten aus Marburg durften sich jeweils über Büchergutscheine im Wert von 200 Euro freuen. Es folgten interessante und aufschlussreiche Gespräche in einer angenehmen Atmosphäre am Buffet. Dazu eingeladen waren alle Teilnehmer und Besucher des diesjährigen 8. Justus-Liebig-Moot Courts.