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Epilepsie

Epilepsie bei Hund und Katze

Das Gehirn besteht aus einem Netzwerk von Nervenzellen die permanent aktiv sind. Elektrische Strömungen werden entsprechend der jeweiligen Funktionsabläufe zwischen funktionellen Hirnabschnitten hin- und hergeleitet. Nach der Ausführung einer Aktion wird der elektrische Befehl unterbrochen oder zumindestens eingedämmt. Es besteht ein ständiges Gleichgewicht zwischen der Entstehung einer Erregung und der Eindämmung eines elektrischen Stromes in dem Nervenzellnetzwerk.

Eine plötzliche elektrische Entladungen vieler Nervenzellen ohne eine ausreichende Kontrolle, die in jedem Gehirn von nahezu allen Tieren auftreten kann, sind die Auslöser von epileptischen Anfällen. Ein Anfall allein ist noch keine epileptische Erkrankung, die einer Behandlung bedarf. Erst die wiederkehrende Anfallsaktivität muss Ernst genommen werden und weiter untersucht werden.

 

Wie sehen epileptische Anfälle bei Hunden und Katzen aus?

Das Wort Epilepsie stammt aus dem aus dem Griechischen und bedeutet „ergriffen“ oder „überwältigt werden“. Dies beschreibt einerseits die „Entrücktheit“, ein Verhalten der sinnliche Abwesenheit, das Starren in die Leere und die Unbeantwortung von Ansprache. Die Tiere können dabei Urin verlieren oder Anfangen zu Speicheln. Die Pupillen sind erweitert und die Augen weit geöffnet. Diese Anzeichen sind Ausdruck einer Erregungskonzentration in einem abgrenzbaren Teil des Gehirns, der Aufmerksamkeit und Konzentration, und vegetative Prozesse steuert. Die Pupillen sind massive vergrößert und die Augen werden oft weit aufgerissen. Aktiviert die elektrische Erregung ein Areal, das für die Kontrolle von Muskelbewegungen verantwortlich ist, kann es zu Zuckungen einzelner Muskeln des Gesichts oder der Gliedmaßen kommen. Breitet sich die Erregung ungebremst über das ganze Gehirn aus kommt es zu einem generalisierten Anfall. Der gesamte Körper zeigt ungebremste Muskelaktivität, die sich entweder tonisch darstellt, also in fest gespannter Muskelaktivität, oder in rhythmischen Zuckungen aller Gliedmaßen, des Kopfes und der Gesichtsmuskulatur. Die Tiere sind nicht bei Bewußtsein und bekommen weder von ihrer Umgebung, noch von ihrem Anfall, oder von ihrer Bezugsperson etwas mit. In der Regel wird Urin und Kot abgesetzt und die Tiere speicheln stark. In den allermeisten Fällen ist das Gehirn in der Lage den Anfall wieder zu stoppen und die Symptome legen sich von selbst.

 

Was passiert vor einem Anfall?

Ein epileptischer Anfall folgt meistens einer gewissen Dramaturgie. Bevor die Nervenzellen sich so massiv entladen, dass ein Anfall ausgelöst wird, kommt es bereits zu Störungen der normalen Hirnfunktion, die von den betroffenen Tieren bemerkt wird. Die Tiere können nervös sein, die Nähe des Besitzers suchen, ängstlich sein und gewohntes Verhalten verändern. Episoden von Abwesenheit können ebenfalls auftauchen.

  

Was passiert nach einem Anfall?

Das Gehirn macht im Prinzip nach einem Anfall das was man mit einem fehlerhaften Computer machen würde - Ausschalten und neu Starten. Nach einem Anfall kann eines oder mehrere Gehrinareale ausgeschaltet werden. Das äußert sich in Desorientiertheit, Abwesenheit, ja sogar in Blindheit und gelähmten Gliedmaßen. Bitte achten Sie darauf ihrem Hund oder ihrer Katze nach einem Anfall erst einmal Zeit zu geben sich zu erholen. Viele Tiere reagieren aggressiv, entweder während oder auch nach einem Anfall. Selbst sie freundlichsten Tiere können in einer solchen Situation zubeißen – sie sind nicht sie selbst.

 

Was ist ein „Status epilepticus“ ?

Unter einem "Status epilepticus" versteht man Anfallsaktivität, die nicht wie üblich von selbst aufhört. Ohne tierärztliche Hilfe ist dies ein lebensbedrohlicher Zustand. Die ständige Muskelkontraktion führt zu einer Überbelastung des Körpers. Die Abfallprodukte des Muskestoffwechsel kann die Niere schädigen. Ein massiver Ausstoß von Adrenalin steigert zunächst den Blutdruck führt zu erhöhter Herzaktivität, was schließlich in einem Überlastungs-Herzstillstand münden kann. Das Gehirn selbst wird in einem Status epilepticus ebenfalls nachhaltig geschädigt, was wiederum die Entstehung neuer Anfälle begünstigt.

 

Welche Krankheiten sind mit einem epileptischen Anfall zu verwechseln?

Bei Herzerkrankungen kann es dazu kommen, daß das Gehirn zeitweise nicht genug Sauerstoff bekommt. Diesen Effekt kennt man von den Schwindelgefühlen nachdem man länger in der Hocke sitzt und plötzlich rasch aufsteht. Hier sackt das Blut plötzlich in dies Beine und ist nicht in ausreichender Menge im Gehirn. Ein solche „Synkope“ kann zu einem Bewußtseinsverlusst führen. Die Tiere können in der Erholungsphase mit den Gliedmaßen rudern und strampeln, da sie zwar schon wieder aufstehen möchten, aber nicht so weit erholt sind, daß das schon möglich ist. Ein wichtiger Unterschied zum epileptischen Anfall besteht in der fehlenden langsamen Erholung nach einem Anfall. Nach einer Herzattacke sind die Tiere in der Regel sehr schnell wieder ganz normal. Speicheln, Urin und Kotabsatz werden ebenfalls nicht beobachtet. Eine Synkope tritt oft nach Belastung des Kreislaufes auf, während ein epileptischer Anfall eher aus der Ruhe nicht selten aus dem Schlaf heraus auftreten.

Epilepsie-artige Bewegungen mit Hinfallen, Rudern der Gliemaßen und Lautäußerungen werden auch bei einer Schwindelattacke (akutes Vestibularsyndrom) beobachtet. Hier kommt es zu einer Fehlfunktion des Gleichgewichtsorgans. Die Tiere fallen hin und können nur mit fremder Hilfe wieder aufstehen. Diese Attacke dauert oft sehr lang. Die Tiere halten den Kopf schief und die Augen zucken, was ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal darstellt.

Ihr Tierneurologe wird Sie nach diesen Symptomen fragen. 

 

Wie diagnostiziert man Epilepsie bei Hund und Katze

Leider gibt es keinen Test um eine Epilepsie zu beweisen, sondern man muss die möglichen Ursachen, die einen Anfall auslösen können Schritt für Schritt ausschließen. Dazu ist es wichtig zu verstehen, dass epileptische Anfälle zwar im Gehirn entstehen, die eigentliche auslösende Ursache aber nicht im Gehirn liegen muss.

 

Ursachen für epileptische Anfälle

Ein epileptischer Anfall entsteht dann wenn das Gleichgewicht zwischen elektrischer Erregung und Eindämmung dieser Erregung verschoben wird. Dieses Ungleichgewicht kann durch eine Ursache im Gehirn oder außerhalb des Gehirns verursacht werden. Innere Ursachen liegen in Erkrankungen anderer Organe des Körpers, die zu Störungen im Stoffwechsel der Tiere führen. Lebererkrankungen und Gefäßmissbildungen der Leber (sog. portosystemischer Shunt) können zu einer Überflutung des Gehirns mit körpereigenen Giftstoffen (Ammoniak) führen, die sonst in der Leber abgebaut würden. Dieses Ammoniak stört die Gehirnfunktion maßgeblich.

Schnelles Absinken des Blutzuckerspiegels kann durch tumoröse Veränderung der Bauchspeicheldrüse (Insulinom) hervorgerufen werden.

Abweichungen des Blutspiegels von Körpersalzen wie Kalzium und Kalium, die sich bei Nieren- oder Nebennierkrankungen, sowie bei Erkrankungen der Nebenschilddrüse einstellen, können ebenfalls zu Krampfanfällen führen. Diese Ursachen, und viele mehr, führen zu einer so genannten sekundären Epilepsie, also einer Form, die nicht primär in einer Gehirnkrankheit begründet liegt.

 

Vergiftungen als Ursache eines Anfalls bei Hund und Katze

In der unmittelbaren Umwelt unserer Haustiere findet man eine Fülle von Giften, die das Gleichgewicht der Nervenfunktion stören und Anfälle auslösen können. Von Zahnpasta und Kaugummis über Frostschutzmittel, bis hin zu Pflanzeschutzmitteln auf Feldern, oder im Schneckenkorn und Insektenvertilgungsmittel aus dem eigenen Garten können Anfällen hervorrufen. Bei Anfällen durch eine Intoxikation spricht man von reaktiver Epilepsie.

Eine Liste von Giften finden sie hier: im Aufbau

 

Strukturelle Hirnerkrankungen als Ursache epileptischer Anfälle

Veränderungen der normalen Struktur des Gehirnes und seiner funktionellen Komponenten können epileptische Anfälle hervorrufen. Je nach Alter der Tiere kommen unterschiedliche Hirnveränderungen in Frage. Jungtiere haben oftmals eine Missbildung des Gehirns. Virus-Infektionen und andere bakterielle oder parasitäre Erreger können das Gehirn befallen. Junge ausgewachsene Tiere können Gehirn-Entzündungen ausbilden, die ohne eine Infektion durch Überreaktionen des Immunsystems entstehen (immunvermittelte Enzephalitiden). Ein schweres Schädel-Hirn-Trauma kann Gehirnverletzungen und “Narben” im Hirngewebe hinterlassen.

Blutungen und Hirninfarkte rufen bei älteren Tieren Anfälle hervor. Die wichtigste Ursache bei Tieren im fortgeschrittenen Alter sind Tumoren des Gehirns.

 

Seltene Auslöser von epileptischen Anfällen

Seltene in der Regeln angeborene Stoffwechselstörungen der Gehirnzellen können zur Degeneration von Neuronen führen. Diese sind oft an bestimmte Rassen gebunden.  

 

Die idiopathische Epilepsie bei Hund und Katze

Sind alle Ursachen für eine sekundäre oder reaktive Epilepsie ausgeschlossen, kommt man zu der Diagnose “primäre” oder “idiopathische Epilepsie”. Hierbei geht man von einer Schädigung einzelner Nervenzellen aus, die auf die normalen Signale einer Eindämmung der elektrischen Aktivität nicht reagieren, oder selbstständig aktiv sind und eigenständig elektrische Impulse auslösen und verbreiten. Bei einigen Hunderassen kann diese Form der Epilepsie vererbt werden.

 

Diagnose einer epileptischen Erkrankung


Erster Schritt der Abklärung: Medizinische Vorgeschichte (Anamnese)

Durch ein intensives Gespräch muss geklärt werden, wie sich die epileptischen Anfälle klinisch darstellen, in welchen Abständen sie auftreten, und wie lange sie dauern. Auslösende Faktoren in der Vergangenheit oder der Gegenwart müssen systematisch erkundet werden. Nicht zuletzt muss sicher sein, dass es sich überhaupt um einen epileptischen Anfall handelt und nicht um eine Störung des Gleichgewichts, - der Herztätigkeit. Oder eine andere Erkrankung vorliegt. Videos der Episoden sind hier von großer Hilfe.

 

Zweiter Schritt der Abklärung: Die neurologische Untersuchung.

Liegt der auslösende Faktor für die Epilepsie im Gehirn selbst, ist häufig auch die Funktion anderer Systeme des Nervensystems geschädigt. Das Sehen, die Augenbewegung, der Gang, oder die Reflexe der Kopfsinne können eingeschränkt, und damit ein erster Hinweis auf eine funktionelle oder strukturelle Hirnveränderung sein.

 

Dritter Schritt der Abklärung: Blutuntersuchungen

Eine Blutuntersuchung kann die wichtigsten Hinweise auf einen Organschaden und andere Störungen des Körperstoffwechsels liefern. Neben den Standardtests muss die Funktion der Leber (Ammonikatest) aus einer Blutprobe umgehend nach Entnahme überprüft werden. Bei einem Hinweis auf Abweichungen von den Normalwerten, ist eine Ultraschalluntersuchung der Leberblutgefäße angezeigt.

Untersuchungen auf Infektionserreger aus dem Blut können einen Hinweis auf eine Infektion liefern, ob diese tatsächlich an einer Hirninfektion beteiligt sind, muss weiter geklärt werden.

 

Vierter Schritt der Abklärung: Kernspintomographie (Magnet-Resonanz-Tomographie, MRT) des Kopfes

Die bildegebende Untersuchung des Gehirns ermöglicht die Darstellung von Missbildungen, Tumoren, Blutungen und Infarkten, sowie der meisten Entzündungen,  die auf die Gehirnfunktion einwirken können.

In verschiedenen Untersuchungssequenzen können Veränderungen des Gehirns sicher aufgespürt, und Stück für Stück genauer charakterisiert werden.  Für diese Untersuchung ist eine Vollnarkose nötig.

 

Wie wird eine Epilepsie behandelt?

Bei sekundären Epilepsien muss die auslösende Grundursache beseitugt werden. Entfernt man einen Hirntumor so tritt die Epilepsie danach in der Regel nicht mehr auf. Ist ihr Tier an einer primären Epilepsie erkrankt müssen Medikamente die elektrische Aktivität im Gehirn dämpfen. DIESE MÜSSEN LEBENSLANG EINGENOMMEN WERDEN UND DÜRFEN NICHT EIGENSTÄNDIG ABGESETZT WERDEN! Über eine genaue, an ihr Tier angepasste Therapie mit antiepileptischen Medikamenten informiert sie ihr spezialisierter Tierneurologe.

 

Kann man eine Epilepsie auch mit alternativen Heilmethoden behandeln?

Die Epilepsie gehört nicht zu den Indikationen einer alternativen Therapie.

 

Was kann man tun, wenn mein Tier nicht auf Medikamente anspricht, oder diese ihre Wirkung verlieren?

Genau wie bei Menschen is das Ziel einer antiepileptischen Therapie, daß ihr Tier nicht häufiger als einmal im Monat einen Anfall bekommt. Obwohl eine völlige Anfallsfreiheiheit imer wieder vorkommt, ist dies nicht das Therapieziel.

Rund 75% der Tiere sprechen hervorragend auf ein antiepileptisches Medikament an und können ein relativ uneingeschränktes, normales Leben führen. Von den restlichen 25 % sind wiederum ca. 75% mit einem zweiten Medikament gut einstellbar.

Bei einem geringen Prozentsatz der Tier kann es schon zu Beginn oder im Laufe der Behandlung zu einer Therapieresistenz kommen. Das heißt, trotz optimaler Therapie hat das Tier viele Anfälle. Dieser Zustand ist eine Herausforderung für ihren Tierarzt und bedarf unkonventioneller Therapiestrategien.

 

Zum Weiterlesen

Den interessierten Tierbesitzern wird das Buch “ Die idiopathische Epilepsie des Hundes “ aus dem Enke Verlag empfohlen. Ein Buch für Tierärzte, das aber durchaus viele verständliche Informationen für Tierhalter enthält.

 

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