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Coronoidpathologie

Coronoidpathologie

Übersicht

Der innere Kronfortsatz (Processsus coronoideus medialis ulnae) ist ein Knochenvorsprung an der Elle, der einen wichtigen Teil des Ellenbogengelenkes darstellt. Hier wirken während der mechanischen Belastung des Ganges starke Kräfte. Aufgrund dieser wichtigen Gelenkbeteiligung kann das Ablösen von Teilen oder des gesamten Kronfortsatzes in einer schmerzhaften Beeinträchtigung des Gelenks enden. Der fragmentierte Processus coronoideus (FCP = engl. fragmented coronoid process) gehört neben anderen Erkrankungen dem Erkrankungskomplex der Ellbogendysplasie (ED) an. Die Erkrankung hat eine genetische Basis. Umweltfaktoren (z.B. Fütterung, Haltung, Bewegung) können das Risiko für die Ausprägung einer ED bei genetisch vorbelasteten Patienten erhöhen. Bezüglich der Entstehung einer Coronoidpathologie existieren zwei Haupttheorien. Möglicherweise handelt es sich um eine Störung der Knochenbildung. Hierdurch bildet sich ein Kronfortsatz aus, der empfänglich für Knorpelschäden, Nekrosen, Fissuren und Fragmentation ist. Eine andere Theorie besagt, dass durch eine bestehende Gelenkinkongruenz der Kronfortsatz einer übermäßigen Krafteinwirkung ausgesetzt ist, weshalb dieser folglich fragmentieren kann. Eine endgültige Bestätigung einer Theorie wurde bislang noch nicht erbracht.

Welche Symptome zeigen die betroffenen Patienten?

Die klinische Symptomatik eines FCPs kann sich biphasisch äußern: bei noch wachsenden Hunden sowie bei ausgewachsenen mittelalten bis alten Hunden. Betroffen sind vor allem Hunde großer Rassen (z.B. Labrador Retriever, Rottweiler, Berner Sennenhunde). Erste klinische Symptome treten in der Form einer intermittierenden Lahmheit meist im Alter von 5-7 Monaten auf, werden aber oft auch erst später bei zunehmenden Problemen durch sekundäre Arthosen erkannt. Die Lahmheiten sind für die Besitzer häufig nach Ruhe und nach Belastung stärker ausgeprägt. Oftmals wird berichtet, dass betroffene Tiere sich einlaufen, d.h. dass sich die Lahmheit nach einigen Schritten zunächst bessert. Die Erkrankung kann beidseits ausgeprägt sein. Zur Entlastung des inneren Kronfortsatzes während des Ganges wird die Pfote häufig nach außen rotiert. Bei chronischem Verlauf kann eine Muskelatrophie der Oberarmmuskulatur auffällig sein.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Untersuchung beginnt mit einer klinischen Untersuchung. Neben einer Ganganalyse erfolgt dann eine Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates zum Ausschluss weiterer orthopädischer Probleme. Bei der palpatorischen Untersuchung wird auf Muskelabbau im Oberarmbereich geachtet. Bei der Untersuchung der betroffenen Ellbogen fällt meist eine Beugehemmung sowie eine Schmerzhaftigkeit bei Beugung und Streckung auf. Gegebenenfalls ist eine vermehrte Gelenkfüllung zu palpieren. Bei der Coronoidprobe wird untersucht, ob der Patient bei gezielter Kraftübertragung auf den inneren Kronfortsatz eine Unwilligkeit oder eine Schmerzreaktion zeigt. Bei verdächtigen klinischen Befunden werden Röntgenbilder des Ellbogens angefertigt. Dieses bildgebende Verfahren ist meist nicht in der Lage eine endgültige Diagnose zu liefern. Jedoch handelt es sich um eine Diagnostik, die in den meisten Fällen wach durchgeführt werden und andere Differentialdiagnose ausschließen kann. Des Weiteren ergeben sich häufig Befunde, die  die Diagnose einer Coronoidpathologie wahrscheinlich machen. Hierzu zählen z.B. eine Knochenverdichtung (Sklerose) an der Basis des Kronfortsatzes oder eine Dichteminderung eben diesen. Außerdem dient das Röntgen zur Einschätzung schon ausgeprägter Folgeschäden (Arthrosen). Freie Fragmente sind nur selten darstellbar. Als Verfahren mit höherer diagnostischer Sicherheit wird im nächsten Schritt eine Computertomographie (CT) der Ellbogen durchgeführt. Das Schnittbildverfahren ist in der Lage eine überlagerungsfreie Darstellung des Kronfortsatzes zu gewährleisten. Hierfür muss der Patient allerdings in Vollnarkose gelegt werden. Hier lässt sich häufig eine Fissurlinie oder aber ein freies Fragment des inneren Kronfortsatzes darstellen. In seltenen Fällen liefert auch die Computertomographie keine eindeutige Diagnose, so dass in solchen Fällen direkt eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) durchgeführt wird. Die Gelenkspiegelung hat den Vorteil, dass man unter Sicht und mit starker visueller Vergrößerung die Knorpeloberfläche nach Defekten absuchen kann. Außerdem kann die Struktur des Kronfortsatzes auf Konsistenz und Lockerheit mit einem feinen Tasthaken geprüft werden. Bestätigt sich nun die Diagnose kann die Arthroskopie umgehend für die Therapie genutzt werden.

Wie wird die Erkrankung therapiert?

Man unterscheidet den konservativen und den chirurgischen Therapieansatz. Der konservative Ansatz kann bei Patienten angewandt werden, die bereits eine starke Ellbogenarthrose ausgebildet haben. Der Therapieansatz umfasst ein kontrolliertes Bewegungsmanagement zum Muskelaufbau sowie zur Gewichtskontrolle. Unterstützend werden entzündungshemmende Schmerzmedikamente entweder lokal oder systemisch eingesetzt. Eine professionell durchgeführte Physiotherapie zur Lockerung von Muskelverspannungen und Steigerung der Gelenkbeweglichkeit ist für Patienten mit milden klinischen Symptomen geeignet. Intraartikuläre Injektionen von plättchenreichem Plasma, hergestellt aus Eigenblut, können die Bildung von Ersatzknorpel unterstützen. Die konservative Therapie behandelt jedoch lediglich die entzündlichen Veränderungen im Gelenk sowie die umgebende Fibrose und den Muskelabbau, nicht jedoch deren Ursache. Lockere Knochenanteile im Gelenk führen weiter zu Knorpelschäden und degenerativen Veränderungen, weshalb bei ausbleibender Besserung oder anhaltenden Schmerzen im Alltag eine chirurgische Therapie empfohlen wird.

Die chirurgische Therapie umfasst u.a. die minimal-invasive Gelenkspiegelung mit dem Ziel einer Entfernung freier Fragmente und einer Auffrischung des Knochenunterbaus des Gelenkknorpels. In diesem Fall ist die Bildung von Faserknorpel im Bereich der ehemaligen Abbruchkante die Zielsetzung. Dieser erreicht zwar nicht die mechanischen Eigenschaften gesunden hyalinen Gelenkknorpels, jedoch kann eine deutliche Reduktion der Schmerzhaftigkeit erwartet werden, sofern Folgeschäden (Arthrose) noch nicht ausgeprägt sind. Die entfernten Fragmente können nun nicht mehr zur Schädigung des restlichen Gelenkknorpels beitragen. Dieses operative Verfahren bietet sich für alle Patienten an, bei denen die Diagnose eines FCPs gestellt wurde. Werden allerdings zusätzlich zu den Veränderungen am Kronfortsatz Schäden am gesamten inneren Gelenkanteil arthroskopisch festgestellt, so wird die reine Entfernung der Fragmente nicht zu einer deutlichen Besserung der Schmerzsymptomatik führen. In diesen Fällen sind operative Verfahren entwickelt worden, die den schmerzhaften inneren Gelenkanteil entlasten sollen und die mechanische Kraftübertragung während des Ganges auf den äußeren Gelenkanteil umverteilen sollen. Grundlegend muss in der zuvor durchgeführten Arthroskopie ein schadenfreier äußerer Gelenkanteil bestätigt werden, bevor dieser Schritt möglich ist. In unserer Klinik wird die sogenannte Proximal Abducting Ulnar Osteotomy (PAUL) für diesen Zweck angeboten. Hierbei wird die Elle an einer definierten Stelle durchtrennt und eine für diese Operationstechnik speziell entwickelten Knochenplatte angebracht. Diese Platte weist eine Stufe auf, die den durchtrennten Knochen in eine neue Konformation verbringt, was letztlich den inneren Kronfortsatz entlastet. Die Technik bietet sich bei Hunden bis zu einem Alter von ca. 10 Jahren an.

Welche Prognose hat die Erkrankung?

Die Prognose für die Erkrankung der Coronoidpathologie ist vorsichtig. Patienten ohne Sekundärschäden oder Schäden am Knorpel können eine deutliche und langanhaltende Besserung der Schmerzhaftigkeit bei erfolgreicher Therapie erfahren. Aufgrund des vorgeschädigten Gelenkes ist die Bildung einer Arthrose langfristig jedoch möglich. Maßnahmen zur Verlangsamung der Arthrosebildung sind unabhängig von der Therapie zu ergreifen. Sie umfassen Anpassungen des Alltagverhaltens (z.B. Sprungvermeidung), Gabe von Präparaten zur Unterstützung der Gelenkgesundheit und das Einhalten des Idealgewichtes. Patienten mit bereits bestehenden Arthrosen zeigen häufig aufgrund einer dauerhaften Entzündung im Gelenk anhaltende Schmerzsymptome. Die Knochenoberflächen können auch nach chirurgischer Therapie nicht mehr ihren natürlichen hyalinen Knorpelüberzug ausbilden und sind daher nicht im physiologischen Maße belastbar. Die um das Gelenk ausgeprägte Fibrose kann zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen führen. Das Ziel der Therapie fortgeschrittener Fälle besteht darin eine möglichst adäquate Schmerzlinderung zu erzielen. Ist dies mit den oben genannten Verfahren nicht erreichbar, müssen weitere Therapieoptionen in Betracht gezogen werden, die derzeit nur in wenigen spezialisierten Kliniken in Deutschland angeboten werden. Hierzu zählen der Ersatz des gesamten Ellbogens mit einer künstlichen Prothese, eine Teilprothese für den Ersatz des inneren Gelenkanteils oder aber eine Schmerzbestrahlung in einem spezialisierten Bestrahlungszentrum. Sofern diese genannten Verfahren nicht infrage kommen, die Schmerzhaftigkeit eine gute Lebensqualität jedoch nicht mehr erlaubt, so ist die Amputation der betroffenen Gliedmaße mitunter notwendig. Diese Option muss individuell bewertet und im vertrauensvollen Umgang zwischen Tierarzt und Besitzer abgewogen werden. Als Ultima ratio kommt bei unerträglichen Schmerzzuständen sowie bei nicht mehr erhaltener Lebensqualität neben einer Amputation nur noch eine schmerzfreie Erlösung in Betracht.