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Hüftgelenksdysplasie

Hüftgelenkdysplasie (HD)

Übersicht

Bei der Hüftgelenkdysplasie (HD) handelt es sich um eine abnorme Entwicklung eines oder beider Hüftgelenke. Die HD wird in der Mehrzahl der Fälle bei großen Hunderassen festgestellt. Sie besitzt eine erbliche Komponente, weshalb viele Zuchtvereine ein striktes Zuchtregime zur Verminderung ihrer Häufigkeit durchführen. Umweltfaktoren (z.B. Fütterung, Haltung, Bewegung) können genetisch vorbelastete Patienten in der Entwicklung ihres Hüftgelenkes negativ beeinflussen, so dass das Risiko für die Ausprägung einer Hüftgelenkdysplasie steigt. Die HD ist beim jungen noch wachsenden Patienten durch eine vermehrte Lockerheit des Gelenkes charakterisiert, die bis zur Subluxation oder Luxation des Oberschenkelkopfes aus der Gelenkpfanne führen kann. Beim älteren, ausgewachsenen Patienten können degenerative Folgeschäden am Gelenk (z.B. Arthrose und Fibrose) zu einer Reduktion der Bewegungslust und Lebensqualität führen.

Welche Symptome zeigen die betroffenen Patienten?

Die HD kann sich bei Hunden unterschiedlich äußern. Bei Jungtieren ist mitunter ausschließlich ein reduzierter Bewegungstrieb im Vergleich zu gleichaltrigen Hunden festzustellen. Zögernde Aufstehversuche aus einer sitzenden oder liegenden Haltung, Vermeidung von Sprüngen in den Kofferraum oder aber ein schwankend-ausladendes Gangbild der Hintergliedmaßen können hinweisend sein. Eventuell fällt eine Entlastungshaltung oder Muskelatrophie der betroffenen Gliedmaße auf. Der Patient versucht seinen Körperschwerpunkt auf die Vorderbeine zu verlagern. Bei älteren Patienten, die mit den Folgeerscheinungen einer Arthrose kämpfen, äußert sich die Erkrankung meist in einer Lahmheit unterschiedlichen Ausmaßes, einer reduzierten Bewegungslust und einem Muskelabbau.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnostik beginnt mit einer klinischen Untersuchung. Neben einer Ganganalyse erfolgt eine Untersuchung des gesamten Bewegungsapparates zum Ausschluss weiterer orthopädischer Probleme. Bei der palpatorischen Untersuchung wird auf Muskelabbau sowie Schmerzreaktionen geachtet. Zur Überprüfung einer möglichen Gelenklockerheit  der Hüfte werden spezielle manuelle Tests (u.a. Bardens-Test, Ortolani-Test) durchgeführt. Hierbei wird ein Rutschen des Oberschenkelkopfes aus seiner Gelenkpfanne provoziert. Rotationsschmerz oder Schmerzäußerungen bei Streckung der Hüfte können hinweisend auf eine HD sein. Auf die klinische folgt eine röntgenlogische Untersuchung der Hüftgelenke. Diese klinisch indizierte Röntgenuntersuchung ist von der von vielen Zuchtvereinen für die Zuchtzulassung geforderte Aufnahme abzugrenzen. Die Röntgenuntersuchung stellt die Diagnose der HD anhand verschiedener Kriterien. Hierzu zählen z.B. die Gelenkkongruenz und der Grad der Überdachung des Oberschenkelkopfes durch die Gelenkpfanne, aber auch Folgeschäden i.S. einer Arthrose können beurteilt werden. Eine spezielle Distraktionsaufnahme kann eine Gelenklockerheit darstellen.

Wie wird die Erkrankung therapiert?

Die Wahl der Therapie ist in erster Linie vom Alter des Patienten und dem Schweregrad der HD abhängig. Man unterscheidet den konservativen und den chirurgischen Therapieansatz.

Der konservative Ansatz kann zunächst bei allen Patienten mit einer HD angewandt werden. Die Therapie umfasst ein kontrolliertes Bewegungsmanagement zum Muskelaufbau sowie zur Gewichtskontrolle. Unterstützend werden entzündungshemmende Schmerzmedikamente entweder lokal oder systemisch eingesetzt. Eine professionell durchgeführte Physiotherapie zur Lockerung von Muskelverspannungen ist für Patienten ohne oder nur mit milden klinischen Symptomen geeignet. Bei ausbleibender Besserung oder anhaltenden Schmerzen im Alltag aufgrund der Lockerheit oder der Arthrose wird jedoch eine chirurgische Therapie empfohlen.

Die Wahl der Operationstechnik ist von dem zweiphasigen Charakter der HD abhängig. Bei jungen Patienten mit lockeren Hüftgelenken und einem veränderten Gangbild bieten sich prophylaktische Eingriffe an. Diese sollen die Gelenklockerheit reduzieren und die Überdachung des Oberschenkelkopfes steigern. Beim erwachsenen Hund mit HD ist eine vermehrte Gelenklockerheit häufig nicht mehr festzustellen, da Gelenkkapselfibrosen stabilisierend auf das Gelenk wirken. In diesen Fällen verursachen die Folgeschäden (z.B. Arthrosen, Knorpelschäden und Kapselfibrosen) die klinischen Beschwerden. Durch die chirurgischen Eingriffe soll bei diesen Patienten eine Linderung der Schmerzen und eine verbesserte Gelenkbeweglichkeit erreicht werden. Übergangslösungen, die eine temporäre Schmerzlinderung erzielen können (z.B. die Denervation des Hüftgelenkes sowie die Myotomie des chronisch verspannten Musculus pectineus) werden heutzutage nur noch selten durchgeführt, da sie keinen dauerhaften Erfolg aufweisen können.

Prophylaktische Eingriffe:

Um einen maximalen Erfolg erzielen zu können, müssen diese Operationsverfahren möglichst frühzeitig beim noch jungen Patienten durchgeführt werden. Degenerative Veränderungen der Gelenke dürfen noch nicht vorliegen. Die frühestmögliche Operation wird als Symphysiodese des Schambeins bezeichnet. Sie wird bei Hunden im Alter zwischen 12 und 22 Wochen durchgeführt. Sie hat das Ziel durch eine thermische Schädigung der Wachstumszone des Schambeins das Wachstum der Gelenkpfanne so zu beeinflussen, dass letztlich die Überdachung des Oberschenkelkopfes zunimmt. Bei Patienten bis zu einem Maximalalter von 10 Monaten ohne Anzeichen einer Arthrose kann eine Umstellungsoperation des Beckens (Double oder Triple Pelvic Osteotomy (DPO oder TPO)) durchgeführt werden. Auch diese Methode hat das Ziel die Überdachung des Hüftkopfes zu maximieren. Hierbei wird jedoch nicht das eigene Wachstumspotenzial des Beckens ausgenutzt, sondern vielmehr die Gelenkpfanne direkt durch die Operation rotiert und mit einer speziellen Platte fixiert.

 

Therapeutische Eingriffe:

Ist der Patient ausgewachsen oder sind bereits deutliche degenerative Folgeschäden bei einem Patienten erkennbar, ist der Goldstandard einer chirurgischen Versorgung das schmerzhafte Hüftgelenk durch ein künstliches Hüftgelenk zu ersetzen. Hierzu existieren mittlerweile eine Vielzahl von unterschiedlichen Implantatsystemen, die es ermöglichen den individuellen Fall bestmöglich zu versorgen. Man unterscheidet zementierte von zementlosen Hüftgelenkimplantaten. Bei ersteren wird sowohl der Ersatz der Hüftpfanne als auch der Schaft des Oberschenkelimplantates mittels eines selbstaushärtenden Werkstoffes dauerhaft mit den jeweiligen Knochen verbunden. Bei den zementlosen künstlichen Hüften wird das Press-fit-Verfahren von der Verschlussschrauben-Technologie unterschieden. Das Press-fit-Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass die Implantate passgenau in die zuvor chirurgisch vorbereiteten Knochenareale eingeschlagen werden. Ein dauerhafter Halt ist durch ein Einwachsen des körpereigenen Knochens in die Implantate möglich. Bei der Verschlussschrauben-Technologie wird das Oberschenkelimplantat mit chirurgischen Schrauben am Oberschenkel direkt verankert, was biomechanische Vorteile mit sich bringt. Die Wahl des jeweiligen Implantates wird individuell anhand der präoperativ durchgeführten Untersuchung und Diagnostik getroffen. Die Frage, ob ein Patient als Kandidat für die Implantation einer künstlichen Hüftprothese infrage kommt, wird durch viele Faktoren (u.a. Ausprägung weiterer orthopädischer/neurologischer Erkrankungen, Temperament des Patienten, finanzielle Aspekte usw.) bestimmt.

Ist die Implantation einer künstlichen Hüfte keine Option, so kann alternativ eine Femurkopfhalsresektion durchgeführt werden. Bei dieser Operationstechnik wird der Oberschenkelkopf sowie -hals chirurgisch entfernt. Hierdurch kommt es nicht mehr zu einem schmerzenden Reiben zwischen der geschädigten Gelenkpfanne und des Oberschenkelkopfes. Da kein Ersatzimplantat eingebracht wird, muss der Körper selbst ein Ersatzgelenk aufbauen. Dieses neue Gelenk ist bindegewebiger Natur. Es ermöglicht aufgrund ausreichender Stabilität nach erfolgreicher Abheilung alltägliche Belastungen und eine deutliche Besserung der Schmerzhaftigkeit im Vergleich zum Ausgangszustand kann erwartet werden.

Welche Prognose hat die Erkrankung?

Das Ziel der aufgeführten Therapiemethoden ist ein Gangbild frei von Lahmheit und Schmerzen. Jedoch ist die Prognose stark abhängig von der durchgeführten Therapie. Das Ziel der prophylaktischen Operationsmethoden ist die Verhinderung der Entstehung sekundärer Folgeschäden (z.B. Arthrose und Fibrose). Eine normale Aktivität kann in den meisten Fällen nach erfolgreicher Therapie erwartet werden. Eine Garantie, dass mit fortschreitendem Alter keine Arthrosen entstehen, kann jedoch nicht endgültig gegeben werden, weshalb weitere Maßnahmen (wie z.B. Gewichtsmanagement, Gabe von Präparaten zur Unterstützung der Knorpelgesundheit und Muskelaufbau) zu empfehlen sind. In Fällen, in denen prophylaktische Eingriffe nicht zum angestrebten Erfolg geführt haben, sind die Techniken der Hüftendoprothese oder der Femurkopfhalsresektion weiterhin möglich. Das Ziel beider zuletzt genannten Methoden ist ebenfalls die Ermöglichung eines schmerzfreien und aktiven Alltags. Die Ergebnisse der Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes sind bei optimaler Abheilung im Vergleich zu denen einer Femurkopfhalsresektion nach aktueller Studienlage jedoch überlegen.