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"Ich als Lehrkraft" in der Lehre: Verzahnung von Theorie und Praxis

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Das Projekt


Wie können digitale Simulationsspiele einen Beitrag zur Professionalisierung von Lehrkräften leisten?

Viele Lehramtsstudierende stehen im Übergang zur Schulpraxis vor einem großen Problem: Wie können sie das theoretische Wissen, das sie während ihres Studiums erworben haben, bestmöglich in ihre Unterrichtspraxis transferieren? Dieses Problem ist seit langem unter dem Begriff "Theorie-Praxis-Lücke" bekannt. Wir möchten mit unserem Projekt untersuchen, ob und wie digitale Simulationsspiele im Lehramtsstudium dazu beitragen können, diese Lücke zukünftig zu schließen.

"Unterricht" ist eine hochkomplexe Situation, in der Lehrkräfte ständig gefordert sind, relevante Ereignisse wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und unter hohem Druck angemessene Handlungsentscheidungen zu treffen.

Digitale Simulationsspiele können dazu genutzt werden, authentische Unterrichtssituationen und Lehrentscheidungen zu simulieren und Lehramtsstudierenden die Möglichkeit geben, unter weniger komplexen Anforderungen ihre Handlungsfähigkeit zu erproben. Die Anwendung ihres theoretischen Wissens können sie so in einem sicheren Rahmen testen und reflektieren, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Obwohl sich allgemein positive Effekte digitaler Simulationsspiele zeigen, sollten sie nicht als "didaktische Selbstläufer" betrachtet werden. Vielmehr gilt es zu untersuchen, wie sie didaktisch sinnvoll in die Lehramtsausbildung integriert werden können.

Ziele


Im Projekt wurde erforscht, ob und wie digitale Simulationsspiele zur Verzahnung von Theorie und Praxis im Lehramtsstudium beitragen können. Grundbaustein des Projekts ist die Entscheidungssimulation Ich als Lehrkraft. Diese wurde im Teilprojekt "Serious Games in der Lehrerbildung" des Arbeitsbereichs "Digitalisierung in der Lehrerbildung" des HessenHub-Netzwerk digitale Hochschullehre Hessen in Kooperation mit dem Zentrum für Lehrerbildung, den Campusschulen und den einzelnen Akteuren der zweiten und dritten Phase der Lehrerbildung entwickelt.

Eine erste Phase des Projekts fokussierte auf die Evaluation und Erforschung der Auswirkung wiederholten Spielens der Entscheidungssimulation auf Theoriewissen und Lehrerselbstwirksamkeit. Bei einmaligem wiederholtem Spielen der Entscheidungssimulation ohne eine tiefere didaktische Einbettung zeigten sich im Rahmen einer Studie mit Lehramtsstudierenden im Aufbaumodul Psychologie keine Vorteile des tatsächlichen Spielens der Simulation im Vergleich zum Anschauen einer ausgewählten Entscheidungssequenz hinsichtlich der Anwendung von Theoriewissen und eingeschätzter Selbstwirksamkeit (Kienitz et al., eingereicht). Vor diesem Hintergrund erfolgte in einer zweiten Phase die Erprobung und Evaluation einer didaktischen Einbettung der Entscheidungssimulation in ein interaktives Seminarkonzept.

Aktueller Projektstand


Unser Seminarkonzept
Da Reflexion nicht nur als ein zentrales Werkzeug pädagogischen Handelns gesehen werden kann (Leonhard, 2020), sondern auch eine vermittelnde Funktion zwischen Theorie und Praxis einnimmt (van der Donk et al., 2022) ist der Kern des Seminars die theoriegeleitete Reflexion über Handlungsentscheidungen im Unterrichtsgeschehen (reflection in action) und in Rückschau auf getroffene Entscheidungen (reflection on action) (Schön, 1983). Hierzu wird im Seminar zum einen die Entscheidungssimulation Ich als Lehrkraft als Reflexionswerkzeug genutzt, um eine theoriegeleitete Reflexion eigener Handlungsentscheidungen innerhalb der Entscheidungssimulation anzuregen. Zum anderen sollen Studierende auf Basis eigener Unterrichtspraxis selbsterlebte kritische Unterrichtssituationen herausarbeiten und theoriegeleitet reflektieren. Die herausgearbeiteten Situationen werden anschließend gemeinsam als weitere digitale Spiel-Szenarien mit theoriebasierten Handlungsoptionen sowie Feedback zu den möglichen Handlungsentscheidungen aufbereitet.

Erprobung des Seminarkonzepts
Das Seminar wurde im Sommersemester 2023 als Blockveranstaltung an zwei Wochenenden mit zwei Lehrenden und einer Tutorin durchgeführt. Am ersten Wochenende wiederholten die teilnehmenden Studierenden zunächst besonders praxisrelevante theoretische Konzepte aus der Domäne der pädagogischen Psychologie. In verschiedenen Aufgaben stand im Anschluss an die Wiederholung die Anwendung der besprochenen Theorien auf unterrichtspraktische Situationen im Fokus. An einem zweiten Wochenende brachten die Studierenden selbst als herausfordernd erlebte Unterrichtssituationen in das Seminar ein. Basierend auf dem erlernten theoretischen Wissen analysierten die Teilnehmenden diese Situationen in Kleingruppen und erarbeiteten gemeinsam verschiedene theoriebasierte Auflösungsmöglichkeiten für diese. Aus den aufbereiteten Situationen erstellte jede Kleingruppe ein eigenes kurzes Lernspiel im Stil von „Ich als Lehrkraft“, um die Ergebnisse der Gruppen-Reflexion auch für andere zugänglich zu machen. In Vorbereitung für die Umsetzung als Spiel erstellten die Studierenden Storyboards und diskutierten diese gemeinsam mit anderen Kleingruppen, um Unklarheiten aufzulösen und Verbesserungspotentiale zu identifizieren. Im Anschluss an die Blockveranstaltung reflektierten die Teilnehmenden in schriftlicher Form die erstellten Unterrichtsszenarien. Dabei thematisierten sie auch die Erfahrungen zur Verknüpfung von theoretischem und praktischem Wissen, die sie im Rahmen der Veranstaltung gewonnen hatten.

Evaluation des Seminars
Das Seminar wurde im Projekt über zwei Wege evaluiert: Die offizielle Lehrveranstaltungsevaluation (LVE) der Justus-Liebig-Universität sowie einer eigenen Evaluation, die insbesondere das wahrgenommene Verhältnis von Theorie und Praxis adressierte. Im Rahmen der LVE bewerteten die Teilnehmenden das erprobte Seminarkonzept insgesamt als positiv (Durchschnittsnote der LVE: 1,8). Im offenen Feedback wurde insbesondere das Erarbeiten von Verknüpfung bekannter Theorie und Unterrichtspraxis und der produktive Austausch innerhalb der Seminargruppe positiv hervorgehoben. Ein häufig geäußerter Kritikpunkt am Seminarkonzept hingegen war der hohe Zeitaufwand für das Erstellen eigener Lernspiele. Die Ergebnisse der eigenen Evaluation deuten darauf hin, dass die Seminargruppe sowohl im Vergleich zu vor dem Seminar als auch im Vergleich zu Teilnehmenden eines Parallelseminars mehr Anwendungsmöglichkeiten für die behandelten theoretischen Konzepte wahrnahmen. Zwischen den Seminaren zeigten sich aber keine Unterschiede hinsichtlich der wahrgenommenen Nützlichkeit von Theoriewissen in praktischen Situationen. Diese wurde in beiden Kursen als mittelhoch eingeschätzt. 

Fazit
Insgesamt zeigte sich in der Evaluation, dass das erprobte Seminarkonzept gut von den Studierenden angenommen wurde und sich auch positive Effekte hinsichtlich einer stärkeren Verknüpfung von Theorie und Praxis zeigten. Durch das umfangreiche Feedback der Studierenden in der laufenden Veranstaltung sowie im Rahmen der LVE konnten zudem Verbesserungspotentiale für zukünftige Durchgänge des Seminars identifiziert werden (z. B. noch ein zeitlich stärkerer Fokus auf die Reflexion eigener herausfordernder Unterrichtssituationen).

Projektteam


 

Professur für Pädagogische Psychologie

Schwerpunkt für Lehren und Lernen mit Medien

Justus-Liebig-Universität Gießen

Otto-Behaghel-Straße 10 D / Raum D 110

35394 Gießen

Professur für Pädagogische Psychologie

Schwerpunkt für Lehren und Lernen mit Medien

Justus-Liebig-Universität Gießen

Otto-Behaghel-Straße 10 D / Raum D 111

35394 Gießen

Professur für Pädagogische Psychologie

Schwerpunkt für Lehren und Lernen mit Medien

Justus-Liebig-Universität Gießen

Otto-Behaghel-Straße 10 D / Raum D 112

35394 Gießen

 

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