Selbstgenähter Mund-Nasen-Schutz: Medizinische und Psychologische Wirkungsweise
In Tschechien ist es beim Aufenthalt in der Öffentlichkeit Pflicht, in Österreich beim Einkauf in Supermärkten, in vielen asiatischen Ländern wird es schon lange getan, immer mehr Personen in Deutschland tun es freiwillig und Prominente fordern dazu auf:
Schutzmasken in der Öffentlichkeit zu tragen (Berliner Morgenpost, 07.04.2020).
Da der Bestand an partikelfilternden Masken aktuell knapp ist, sollten diese medizinischen Masken allerdings den Menschen überlassen werden, die direkt mit Corona-Patienten zusammenarbeiten (Klinikpersonal, Rettungsdienst, etc.).
Zum Erfüllen der Mundschutzpflicht reicht auch das Tragen eines selbstgenähten oder anderweitig selbsthergestellten Mundschutzes aus. Im folgenden Bericht wird sowohl die medizinische als auch die psychologische Wirkungsweise eines selbstgenähten Mund-Nasen-Schutzes erläutert. Was kann ein solcher bewirken und wo stößt er an seine Grenzen?
Medizinische Wirkungsweise
Ein Fremdschutz durch einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz ist wissenschaftlich gesichert.
Für selbsthergestellte Mund-Nasen-Bedeckungen wird ein Fremdschutz vermutet,
ein Eigenschutz wird nicht angenommen (RKI, 03.04.2020)
Fremdschutz. Bei einer Person, die an einer akuten respiratorischen Infektion erkrankt ist, könnte das Tragen einer selbsthergestellten Mund-Nasen-Bedeckung das Risiko verringern, andere Personen anzustecken. Hierbei ist es wichtig, zu wissen, dass nicht jeder das Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion (rechtzeitig) bemerkt. Zum Teil treten nämlich nur geringe oder keine Symptome auf. Die infizierte Person ist für andere Menschen dann allerdings trotzdem ansteckend. Darum ist das vorsorgliche Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nützlich, um das Übertragungsrisiko zu verringern, insbesondere beim Betreten öffentlicher Räume, in denen das Einhalten eines Sicherheitsabstandes nicht möglich ist (z.B. beim Einkaufen, in Bussen).
Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung könnte dazu beitragen, die Weiterverbreitung des Virus einzudämmen. Beachtet werden muss hierbei, dass eine solche Bedeckung regelmäßig erneuert oder gereinigt werden muss. Grund dafür ist die Feuchtigkeit, die bei der Ausatmung austritt.
Ein Eigenschutz durch eine solche Mund-Nasen-Bedeckung ist laut RKI allerdings nicht anzunehmen. Das Tragen einer selbstgenähten Mund-Nasen-Bedeckung kann Menschen nicht davor schützen, von anderen Personen angesteckt zu werden. Tröpfchen, die andere Personen beim Sprechen, Husten oder Niesen ausstoßen, können diesen selbstgenähten „Schutz“ durchqueren. Allerdings reduziert das Tragen eines solchen Schutzes den häufig unbewussten Kontakt der Hände mit Schleimhäuten wie Mund und Nase. So könnte eine Mund-Nasen-Bedeckung die Wahrscheinlichkeit einer Schmierinfektion senken und das Risiko einer Infektion durch einen unbewussten Griff in das Gesicht leicht verringern.
Psychologische Wirkungsweise
Einen der größten Stressoren in der aktuellen Situation stellt laut vieler Psychologen das Erleben eines unerwarteten, plötzlichen Kontrollverlustes dar (https://onlinemarketing.de/jobs/artikel/corona-anxiety-angst-sorgen-psyche-leistung).
Ein selbstgenähter Mundschutz kann helfen, ein Stück Kontrolle wiederzuerlangen. Mögliche Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit können sowohl durch das Tragen einer Maske als auch durch das Herstellen von Mund-Nasen-Bedeckungen verringert werden.
Außerdem kann das Herstellen einer Mund-Nasen-Bedeckung, das als Ausführen einer sinnvollen Tätigkeit erlebt werden kann, das Selbstwirksamkeitserleben stärken und aufkommender „Langeweile“ entgegenwirken.
Zudem kann durch das Nähen einer Mund-Nasen-Bedeckung der soziale Austausch angeregt werden, wodurch einem Einsamkeitserleben aktiv entgegengewirkt werden kann. Dies kann die Stimmung heben.
Als weiterer psychologischer Aspekt ist zu nennen, dass durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung das Bewusstsein für Abstandhalten („physical distancing“) und gesundheitsbewusstes Verhalten im Allgemeinen unterstützt werden kann.
Wissenschaftler warnen gleichzeitig vor einem möglicherweise zu hohen Sicherheitsempfinden durch selbstgenähte Masken. Ein gänzlicher Schutz vor der Ansteckung mit SARS-CoV-2 ist durch einen selbstgenähten Mund-Nasen-Schutz nicht möglich. Wichtig ist es, auch beim Tragen einer solchen Maske die weiteren empfohlenen Schutzmaßnahmen (z.B. Händehygiene, Abstand halten und das Wahren der Hustenetikette) einzuhalten und sich nicht fälschlicherweise in völliger Sicherheit zu wiegen.
Fazit
Zusammenfassend wird aus medizinischer Sicht vermutet, dass das Tragen einer selbsthergestellten Mund-Nasen-Bedeckung einen Fremdschutz bei einer eigenen Infektion darstellen kann. Diese Infektion kann unbemerkt erfolgen, weshalb ein vorsorgliches Tragen sinnvoll sein kann. Ein Eigenschutz ist durch das Tragen einer selbstgenähten Mund-Nasen-Bedeckung allerdings nicht anzunehmen. Hierfür spricht lediglich, dass die Gefahr einer Schmierinfektion durch einen Griff in das Gesicht verringert wird.
Aus psychologischer Sicht kann das eigene Sicherheits- und Kontrollempfinden erhöht werden.
Man sollte sich allerdings nicht völlig auf den selbsthergestellten Mundschutz verlassen, sondern unbedingt die weiteren Schutzmaßnahmen beachten (Handhygiene, Hust- und Niesetikette, Abstandhalten).
Dies ist ein Beitrag von Katharina Christine Kühn, B.Sc. Psych, cand. M.Sc. Psych