Inhaltspezifische Aktionen

Die römische(n) IV. Ein Quiztett zur römischen Literaturgeschichte

Niklas Kaiser

 

 Foto: Helge Baumann

 

„Wenn die Eltern noch mit ihren Kindern Quartett spielen würden, wäre Pisa nicht passiert“ – diese Worte stammen von Ernst Krumbein, einem im Jahre 2017 verstorbenen Mathematiklehrer und dem bedeutendsten deutschen Sammler und Experten auf dem Feld des Quartettspiels. Auch wenn man die sehr eindeutige Diagnose Krumbeins nicht vollumfänglich teilen muss, ist an ihr sicher etwas dran. Denn das Quartett hat seinen Ursprung nicht an der Kneipentheke oder im bürgerlichen Kinderzimmer des 19. Jh., sondern am Schreibpult der Mönche; der Franziskaner Thomas Murner hat im frühen 16. Jahrhundert für seine Studenten ein didaktisches Kartenspiel, das Chardiludium logicae erfunden. Sogar Ludwig XIV. hat sich seinen Stammbaum mithilfe eines Kartenspiels in der Tradition Murners eingeprägt. Auch wir, eine Gruppe von acht Studierenden der Klassischen Philologie, haben im Sommersemester 2021 zusammen mit unseren Kursleitern Dr. Helge Baumann und Prof. Dr. Helmut Krasser im Rahmen der Veranstaltung „Hätten Sie´s gewusst? Literaturgeschichte im Spiel“ ein „Quiztett“ zur Römischen Literaturgeschichte entworfen und bei Friedmann Print Data Solutions GmbH drucken lassen. Dieses Spiel, das eine Mischung aus Quartett und Quiz darstellt, trägt den Titel QVIZ ILLE? und möchte dabei helfen, Grundlagen- und Expertenwissen über die Top 40 der römischen Autoren spielerisch zu lernen.

Die ursprüngliche Motivation der vierstündigen Veranstaltung war es, ein der Examensvorbereitung dienliches Quartett zu konzipieren, mit dessen Hilfe man die wesentlichen Fakten zu römischen Autoren spielerisch wiederholen und festigen kann. Aus dieser anfänglichen Vorstellung ist ein Projekt entstanden, in dessen Verlauf wir nicht nur sehr viel Neues und Kurioses über das literarische Leben in der Antike dazugelernt, sondern auch wesentliche Softskills erworben haben. Aus dem Quartett haben wir im Laufe des Semesters ein „Quiztett“ entwickelt. Auf der Vorderseite jeder Autorenspielkarte befinden sich die Quartett- bzw. Trumpfkategorien, wie es bei Quartettkarten gängig ist. Diese Kategorien decken die wichtigsten Daten zu dem jeweiligen Autor ab, wie z.B. die Anzahl der bezeugten Werke, die Anzahl der erhaltenen Werke, das Lebensalter oder die Entfernung des Geburtsortes von Rom. Die Ermittlung dieser Entfernung der jeweiligen Geburtsorte von Rom hat uns nochmal eindrücklich vor Augen geführt, wie viele römische Autoren auch aus Spanien oder Nordafrika und nicht unbedingt aus Italien stammten. Auf der Kartenrückseite wiederum finden sich zehn skurrile Fakten, Anekdoten und Zitate, anhand derer man beispielsweise im Quizmodus erraten kann, um welchen Autor es sich handelt.

So könnte man das Projekt in groben Zügen vorstellen. Dahinter steckt natürlich die akribische Arbeit eines ganzen Semesters, in dem wir wöchentlich mittwochvormittags via MS Teams zusammengekommen sind. Zunächst mussten wir aus pragmatischen Gründen einen Rahmen von vierzig Autoren abstecken, die eine Aufnahme in das Spiel finden sollten. Dies hat uns vor Probleme und manchmal auch schmerzhafte Entscheidungen gestellt, wenn etwa ein geschätzter Lieblingsautor nicht berücksichtigt werden konnte. Dabei haben wir uns immer wieder kritisch mit tradierten Kanonisierungen auseinandergesetzt und mussten uns zum Kanon positionieren. Dabei haben natürlich Klassiker wie Cicero, Vergil oder Seneca eine eigene Karte erhalten, aber auch unbekanntere Autoren wie Varro, ein antiker Universalgelehrter, oder Gallus, ein oft vergessener, aber literaturgeschichtlich unheimlich relevanter Autor, den man am ehesten durch die Gallus-Inschrift auf dem Obelisken kennt, der heute auf dem Petersplatz in Rom steht, dürfen sich posthum über eine ihnen gewidmete Spielkarte freuen, die die relevantesten Autoreninformationen übersichtlich aufbereitet.

In einem nächsten Schritt galt es, in Kleingruppen die von uns gewählten Kategorien des Stichspiels auf jeder der vierzig Karten mit Informationen zu füllen. Dazu war eine sorgfältige Recherche zu den aufgenommenen Autoren notwendig. Unsere Herausforderung an dieser Stelle war, wissenschaftliche Informationen und ein umfangreiches Datenmaterial mit einer möglichst hohen Spielbarkeit in Einklang zu bringen, sodass wir uns bei strittigen Überlieferungsdaten (z.B. im Falle der Werkanzahl) auf eine uns plausibel erscheinende Zahl festlegen mussten. Hier sollte allerdings nicht der Eindruck der Willkürlichkeit entstehen: Wir haben uns dabei stets mit den Thesen des Forschungskonsenses auseinandergesetzt und uns an diesen orientiert. Für die Kartenrückseiten hat der Kurs nicht nur aktuelle Standardwerke durchkämmt, sondern auch in antiken Autorenviten, die etwa von Sueton oder Hieronymus verfasst worden waren, oder älteren Literaturgeschichten wie der W.S. Teuffels nach skurrilen und kuriosen Anekdoten gesucht, mit denen wir pro Autor zehn Quizpunkte erstellen konnten. Ein Beispiel für einen solchen Quizpunkt lautet: „Er [hier darf sc. kein Name genannt werden, A. d. V.] legt die optimale Teilnehmeranzahl bei einem Gastmahl anhand der Grazien und Musen auf mindestens drei und höchstens neun fest.“ oder auch „Er behauptet, die einzige Möglichkeit, einen Basilisken trotz dessen giftigen Blickes und Hauches zu besiegen, seien die Ausdünstungen eines Wiesels.“ Auch Zitate, die wir im O-Ton und beigefügten Übersetzungen präsentieren, finden sich auf den Kartenrückseiten. Der entsprechende Stellenvermerk steht gespiegelt auf dem unteren Rand der Karte. Im Umgang mit den angesprochenen älteren Literaturgeschichten war wegen der oft stigmatisierenden und pauschalisierenden Äußerungen eine besonders kritische Lektüre erforderlich.

Nach der Zusammenstellung der Daten und Anekdoten haben wir für die nächsten Schritte der Spielkonzeption in Kleingruppen zusammengearbeitet. Natürlich mussten die Karten auch ein Design erhalten. Dies war nur dank der Grafik-Design-Kenntnisse Herrn Dr. Helge Baumanns möglich. Nachdem er den gesamten Kurs in zwei Onlinesitzungen in das Programm „Affinity Publisher“ eingeführt hatte und wir uns nach diversen eigenen Kartenentwürfen schließlich für ein Design entschieden hatten, hat er die Betreuung der Kleingruppe „Design“ übernommen und mit dieser zusammen unserem Literaturquiz eine Form gegeben, wie sie unser aller anfängliche Erwartungen übertroffen hat. „QVIZ ILLE?“ hat so auch die Pressestelle und das Eventmanagement der Justus-Liebig-Universität überzeugt, sodass das Spiel ab Oktober dankenswerterweise einen Platz im Uni-Shop finden wird.

Die anderen Kleingruppen haben sich um das Erstellen von Spielregeln für die verschiedenen Spielmodi, um das Suchen von Autorenbildnissen für den Kartenhintergrund und um das Lektorat gekümmert. Bei all diesen Aufgaben haben wir über den Tellerrand unseres eigenen Faches, das man in der allgemeinen Wahrnehmung eher weniger mit Spielerischem verbindet, hinausgeschaut; Grafik-Design, Lizenzrecht, spielerische Präsentation und intensive Teamarbeit in einem Onlinesemester sind nur Beispiele dessen, was uns an dieser Veranstaltung bereichert hat. Es war für das Gelingen des Projekts auch wichtig, dass wir Studierende uns durch unsere jeweiligen Kompetenzen in den Gruppenarbeiten gegenseitig gut ergänzt haben und effektiv arbeiten konnten. Wir mussten in der Veranstaltung eine unheimlich große Masse an Informationen filtern und so auf den Spielkarten darstellen, dass sie allgemein verständlich werden und nicht ausschließlich ein Fachpublikum ansprechen. So ist es wohl keine Übertreibung zu behaupten, dass es unserem Kurs unter der professionellen Betreuung von Prof. Dr. Helmut Krasser und Dr. Helge Baumann im Laufe dieser Reise durch die zahlreichen Fakten, Daten und Anekdoten, die sich um antike Autoren ranken, gelungen ist, eine römische Literaturgeschichte im Spiel- und Taschenformat herzustellen, die nicht nur Klassische Philologinnen und Philologen anspricht, sondern auch Dozierende und Studierende anderer Fächer, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und letztlich alle, die daran interessiert sind, mehr über die Antike und ihre Literatur zu erfahren.

Neben den anderen kurz angerissenen Spielmodi, die in den Spielregeln zum Quiztett genauer erläutert werden, auch ein convivium der Autoren spielbar, bei dem es darauf ankommt, nahe- oder fernerliegende Verknüpfungen zwischen den Autoren herzustellen, um sie als Klinennachbarn (Klinen dienten beim antiken Trinkgelage als Liegeplatz, man saß nicht) mit einem geeigneten Gesprächsthema platzieren zu können. Dabei ist zwar auch ein grundständiges Wissen gefragt, aber es kommt v.a. auf die Kreativität an! So kann QVIZ ILLE? von denen gespielt werden, die schon eine Menge über die Literatur und Sprache Roms wissen, aber auch von denen, die auf dem Weg dorthin sind oder sein wollen. Die Quartettversion, bei der es auf die Stichkategorien ankommt, kann auch von Menschen gespielt werden, die bisher noch nichts mit der Antike überhaupt zu tun hatten. Schülerinnen und Schülern könnte das Spiel verdeutlichen, dass Latein nicht nur aus Cicero, Caesar und AcI besteht, sondern viel mehr als das beinhaltet.

Da das Modul „Projekt und Präsentation“ heißt, gilt es nun auch, das Projekt öffentlich vorzustellen. Dies tun wir natürlich u.a. in diesem Artikel, aber auch das Angebot des Quiztetts im Shop der Justus-Liebig-Universität, die Instagramseite unseres Instituts (klassphil_giessen) und möglicherweise weitere Medien wie das Radio sollen dazu beitragen, dass das Spiel auch den sinus unseres Instituts verlässt und, so hoffen wir, einem breiteren Publikum spielerischen Zugang zur Antike verschafft und dabei vielleicht auch dem didaktischen Anspruch gerecht wird, den schon Thomas Murners Chardiludium hatte.

 

Das Spiel ist ab sofort im Uni-Shop der JLU erhältlich: https://www.uni-giessen.de/ueber-uns/uni-shop/buecher/quiz-ille