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Zusammenfassung Blutstuten – Gibt’s die noch? Aktueller Stand zur PMSG-Gewinnung

Zusammenfassung  „Just.Us+ Tierschutz“ am 01.02.2022

Referent_innen: Prof. Dr. Stephanie Krämer (Professur für Versuchstierkunde und Tierschutz der JLU, Sabrina Gurtner (Tierschutzbund Zürich), York Ditfurth (Animal Welfare Foundation)

 

Blutstuten – Gibt’s die noch? Aktueller Stand zur PMSG-Gewinnung

Stephanie Krämer begann den Tandemvortrag mit einem Vorwort, in welchem sie an das rechtlich verankerte Staatsziel Tierschutz erinnerte und wies auf die darin enthaltene Berufsordnung für Tierärzt_innen hin, welche konstituiert, dass das Leben und das Wohlbefinden der Tiere zu schützen sei. Frau Prof. Krämer betonte dabei, dass Tierschutz von Berufswegen her zur Aufgabe von allen Tierärzt_innen gehört. Sie appellierte, dass NGOs und Universitäten bei klarer Rollenklärung zusammen arbeiten sollten und gab Anregungen, wie die Zusammenarbeit fruchtbar gelingen könnte.

Um die Belastungen der Pferde in den im Vortrag gezeigten Videos besser einschätzen zu können, gab Frau Prof. Krämer einen Überblick über die Ethologie der Pferde und erläuterte metrische Belastungskriterien (wie Körpergewicht, Körpertemperatur, Atemfrequenz etc.) sowie parametrische Belastungskriterien (u. a. äußeres Erscheinungsbild, Haltung, Verhalten sowie klinische Symptome). Sie betonte, dass Angstzeichen häufig speziesübergreifend zu erkennen seien und erläuterte die Angstverhaltensmuster sowie die Phasen der Stressreaktionen beim Pferd. Wenn Tiere lernen, dass sie den stress- und angstverursachenden Situationen nicht entkommen können, komme es zu der sogenannten "erlernten Hilflosigkeit". Betroffene Individuen würden dann nicht mehr versuchen, aus der Bedrängnis  zu kommen und in der belastenden Situation verharren. Ein Zustand, in welchen viele zur PMSG-Gewinnung genutzten Stuten gebracht würden, so Prof. Krämer. Sie wies abschließend darauf hin, dass besonders überbelastete Pferde zu gesundheitlichen Problemen neigen.

Im weiteren Verlauf ihres Vortrages gab Frau Prof. Krämer einen Überblick über die Begrifflichkeit PMSG und die Entstehung des Hormones im Organismus der tragenden Stuten. Einflussfaktoren auf die PMSG-Bildung stellen u. a. die Größe der Stute, die Anzahl vorheriger Geburten und der  Ernährungszustand der Tiere dar. Während Stuten von Pony-Rassen meist mehr PMSG produzieren und der PMSG-Gehalt mit der Anzahl der vorangegangenen Geburten bei allen Rassen sinkt, unterliegt die PMSG-Bildung im Organismus auch dem sogenannten Körpergewichtsparadoxon. Der Umstand, dass Stuten in einem schlechteren Ernährungszustand mehr PMSG produzieren, würde in der Haltung der Tiere ausgenutzt werden, sodass die Stuten häufig bewusst mangelernährt seien. Frau Prof. Krämer erläuterte, dass gemäß der Leitlinien zur Gewinnung, Lagerung, Transport und Verabreichung von Blut und Blutprodukten im Veterinärbereich die recherchierten Blutentnahmen rechtswidrig seien, da hier festgeschrieben ist, dass die blutspenden Pferde weder trächtig noch laktierend sein dürfen. Auch seien die Entnahmepraktiken sowie die abgenommenen Mengen auf den Farmen in Südamerika und Island nach deutschem Recht illegal. Auf den theoretischen Teil folgte anschießend die Videoanalyse: Hier wurden Videosequenzen gezeigt, die Stuten auf den Blutfarmen in Argentinien, Uruguay und Island zeigen. Frau Prof. Krämer diskutierte anhand des gezeigten Materials die schweren Belastungen der Tiere, welche sich in brutalen Blutabnahmeprozessen, dem unprofessionellen Handling der Tiere sowie in extrem schlechten körperlichen Verfassungen und Verletzungen der Stuten abbildeten.

Zu Beginn des zweiten Teils des Tandemvortrages stellten Sabrina Gurtner und York Ditfurth ihre Arbeit bei der Animal Welfare Foundation sowie dem Tierschutzbund Zürich vor. Herr Dithfurth gab einen Überblick über den Einsatz von PMSG in der Schweinezucht in Deutschland. Neben der Verbesserung der Fortpflanzungseffizienz durch die Auslösung einer fast zeitgleichen Rausche innerhalb einer Sauengruppe träten so auch Nebenwirkungen auf. So könne der Einsatz von PMSG zu verkürzten Erholungsphasen, Auszehrung und Superovulation führen. Als Alternative zu PMSG könnten zootechnische Maßnahmen sowie verfügbare synthetische Alternativen genutzt werden. Anschließend berichtete Frau Gurtner über die seit 2015 durchgeführten Recherchen des AWF in Südamerika und Island. Schätzungsweise werden  ca. 10.000 Stuten in Argentinien und Uruguay auf den sogenannten Blutfarmen gehalten. Da die Fohlen nur ein Nebenprodukt der PMSG-Gewinnung seien, würden sie in Südamerika systematisch abgetrieben werden. Die Aborte erfolgten entweder manuell ohne Analgetika oder medikamentös ohne medizinische Betreuung. In Island hingegen würden die Fohlen meist ausgetragen und dann geschlachtet werden. Das so gewonnene billige Pferdefleisch würde unter anderem nach Deutschland transportiert und zu Hunde- und Katzenfutter verarbeitet werden. Die isländischen Stuten seien dementsprechend bei den Blutentnahmen zusätzlich zu der Trächtigkeit gleichzeitig laktierend. Während dem Vortrag wurden Aufnahmen gezeigt, auf denen zu sehen ist, wie die Pferde auf den Farmen von Arbeitern geschlagen werden und  wie ihnen mit großlumigen Kanülen durch nicht-medizinisches Personal Blut entnommen wird. Frau Gurtner und Herr Dithfurth wiesen deutlich darauf hin, dass es  bei den Haltungsformen in Island und Südamerika schlicht unmöglich sei, den halbwilden Tieren gewaltfrei Blut abzunehmen.

Seit Ende 2023 gilt die Blutabnahme zur PMSG-Gewinnung in Island als Tierversuch; es bleibt abzuwarten, ob die neue Rechtsgrundlage zeitnah Auswirkungen auf die Praxis haben wird. Während in der Schweiz PMSG in der gesamten Nutztierbrache mittlerweile verboten ist  und in den Niederlanden vom Parlament ein EU-weites PMSG-Verbot gefordert wird, läuft in Deutschland  eine Unterschriftenaktion für ein Import- und Produktionsverbot von PMSG.

Der Vortrag endete mit dem von allen Referent_innen geteilten Appell, dass das durch die PMSG-Nutzung verursachte doppelte Tierleid rechtwidrig ist und verboten werden muss. 

 

Die Folien zu dem Vortrag finden Sie hier als PDF.