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Roman Poseck

Präsident des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main


© Quelle „privat“ / OLG Stuttgart

Roman Poseck wurde 1970 in Mülheim an der Ruhr geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen und an der Universität Utrecht. Er schloss beide Staatsexamina mit der Note "sehr gut" ab und promovierte 1997 "mit höchstem Lob" ebenfalls an der JLU Gießen. Während und nach seinem Studium war er wissenschaftliche Hilfskraft und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Rechtswissenschaften. Nach einer einjährigen Tätigkeit bei der BASF AG ist er seit 2000 als Richter in Hessen tätig. Seit 2012 ist er Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und seit 2017 zugleich Präsident des Staatsgerichtshofes des Landes Hessen.

 

Sie haben einige Jahre Ihres Lebens an der JLU verbracht. Was haben Sie für sich persönlich mitgenommen?

Meine Jahre an der JLU waren sehr prägend und positiv. Ich habe nicht nur das juristische Rüstzeug für mein weiteres Berufsleben, sondern auch viele bereichernde persönliche Erfahrungen mitgenommen. Der schöne Campus und die Überschaubarkeit des Fachbereichs haben es leicht gemacht, Kontakte zu Studierenden und Lehrenden aufzubauen und Freundschaften zu schließen. Bis zum Abitur hatte ich bei meinen Eltern in der Nähe von Bonn gewohnt. Das Studentenleben in Gießen brachte ein mir bis dahin unbekanntes Maß an Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit mit sich.

 

Was hat Sie damals bewogen, sich für die JLU zu entscheiden?

Mein Studium habe ich 1990 aufgenommen. Damals waren viele juristische Fakultäten überlaufen. Ich habe mich bewusst für eine Universität entschieden, die nicht so überlaufen war und daher gute Studienbedingungen versprach. In dieser Hinsicht hatte die JLU in Rankings und Statistiken positive Werte. Die juristische Fakultät der JLU hatte im deutschlandweiten Vergleich beispielsweise sehr kurze Studienzeiten. Als eine der ersten juristischen Fachbereiche gab es in Gießen die vorlesungsbegleitende Betreuung in Arbeitsgemeinschafen.

 

Was ist Ihre erste Erinnerung an die JLU?

Lassen Sie mich ein paar Erinnerungen der ersten Wochen nennen: Mein Studium begann im Sommersemester bei schönem Wetter. Da wirkte der Campus besonders ansprechend; wir haben viel draußen gesessen; auch auf dem Schiffenberg und in der Stadt; als Nicht-Hesse habe ich meine ersten Erfahrungen mit dem Apfelwein gemacht. Die Betreuung der Erstsemester war sehr fürsorglich – sowohl durch ältere Studierende als auch durch die Professorinnen und Professoren. Der leider viel zu früh verstorbene Professor Meinhard Heinze hat uns nicht nur den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches spannend und anschaulich vermittelt, sondern auch Motivation für das gesamte Studium geschaffen und Sorgen zerstreut.

 

Gab es während Ihrer Zeit an der JLU eine Veranstaltung, die Sie - im Nachhinein betrachtet - als besonders wertvoll für Ihren Werdegang erachten?

1992 habe ich im Schloss Rauischholzhausen an einem von Professor Peter Cramer angebotenen mehrtägigen Seminar mit Studierenden der Universität Lodz über grundlegende Fragen des Strafprozessrechts teilgenommen. Es war hoch interessant, die dynamische rechtliche Entwicklung in Polen kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mitzubekommen. Die Leistung der polnischen Studierenden bei ihren Referaten war ungleich höher einzuschätzen als unsere eigene. Während wir auf ein reichhaltiges Angebot an Literatur und Rechtsprechung zurückgreifen konnten, mussten die Gäste aus Polen fast durchweg juristisches Neuland betreten. Auch über das Strafprozessrecht hinaus haben wir viele interessante Gespräche über das Leben in Polen und Deutschland geführt. Aus dem Seminar sind Freundschaften und weitere Besuche und Gegenbe-suche entstanden.

 

Wie empfanden Sie die Stadt Gießen als Studien- und Arbeitsort?

Ehrlich gesagt, musste ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis am Anfang gelegentlich für die Wahl meines Studienortes rechtfertigen. Die Attraktivität Gießens als Studien- und Arbeitsort erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Die hohe Zahl an Studierenden macht die Stadt sehr jung und lebendig. Die Universität ist der Mittelpunkt der Stadt. Die Freizeitmöglichkeiten, insbesondere das Kultur- und Sportangebot, sind für die Größe der Stadt beachtlich. Und für die Konzentration auf das Studium war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass Gießen keine Metropole ist, in der man tagtäglich zwischen verschiedenen Großereignissen auswählen kann.  

 

Womit konnte man Sie vom Lernen abhalten?

Wir haben nicht nur gelernt. Abends waren wir oft in den Kneipen rund um die Ludwigstraße unterwegs. Das lag auch deshalb nahe, weil ich die meiste Zeit meines Studiums sehr zentral in der Bleichstraße gewohnt habe. Sport war auch wichtig zur Ablenkung und zwar sowohl aktiv als auch passiv. Wir haben viel Squash und Badminton gespielt. Ich bin in Gießen auch zum Basketballfan geworden. Noch heute besuche ich gelegentlich Bundesligaspiele der Gießen 46ers in der Osthalle.

 

Alles in allem: Welche Erinnerung verbinden Sie mit Ihrer Studienzeit in Gießen?

Ich denke sehr gerne an die Studienzeit in Gießen zurück. Es waren glückliche Jahre. Das gilt auch für die politischen Rahmenbedingungen, die uns interessiert und begleitet haben: Deutschland wurde wiedervereinigt; Europa war im Aufbruch; Rechtsstaat und Demokratie waren auf dem Vormarsch. Eine neue Erfahrung war es auch, mit Studierenden zusammenzutreffen, die in der DDR aufgewachsen waren. Natürlich gab es auch Durststrecken im Studium mit anstrengenden Hausarbeiten, Klausuren und Prüfungen. Aber in der Erinnerung überwiegt ganz klar das Positive.

 

Von Alumnus zu Student/in: Was raten Sie angehenden Akademikerinnen und Akademikern?

Die Inhalte des Studiums und die Prüfungen sind wichtig und erfordern Einsatz. Sie sollten aber nicht alles andere überlagern. Die Studienzeit bietet auch viele Möglichkeiten, sich persönlich weiterzuentwickeln und die Freiheiten, die es im späteren Berufsleben so nicht mehr gibt, zu nutzen. Der Blick über den eigenen Tellerrand darf nicht zu kurz kommen. Studierende sollten sich einbringen und  immer auch kritische Impulsgeber für die Gesellschaft und ältere Generationen sein. Schließlich kann ich auch die frühzeitige Mitwirkung als wissenschaftliche Hilfskraft an einem Lehrstuhl nur empfehlen. Das bringt in der Regel einen großen inhaltlichen und persönlichen Gewinn.

 

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!

Das Interview wurde im Februar 2019 durchgeführt.

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