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Brachycephalie Perser

Brachycephalie bei der Perserkatze

 

Hintergrund

Die Perserkatze ist eine der ältesten Katzenrassen mit einem Körperbau, der über die Jahrhunderte unverändert geblieben ist. Mitte des letzten Jahrhunderts wurde jedoch begonnen, das Aussehen der Tiere systematisch zu verändern, indem die Katzen immer mehr auf einen verkürzten Gesichtsschädel selektiert wurden. Der Nasenspiegel der Katzen hat sich dadurch im Gesicht nach oben und nach hinten geschoben, sodass er bei vielen Persern zwischen die Augen zurückgesetzt ist (Abb.1). Ziel dieser Selektion war ein rundes Gesicht mit großen, ausdrucksvollen Augen, eine runde, vorgewölbte Stirn und ein gedrungener Kopf. Dieser brachycephale Typ wurde auch als „peke-face-Perser“ bezeichnet, was auf die Ähnlichkeit zum ebenfalls sehr brachycephalen Pekinesen zurückgeht.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde dieser Trend der Überbetonung der brachycephalen Kopfform nicht überall aufgegriffen, und von vielen Züchtern weiterhin der ursprüngliche so genannte doll-face-Perser gezüchtet, der zwar eine kürzere Nase im Vergleich zu anderen Katzen hat, bei dem aber ein proportionierter Gesichtsschädel bewahrt wurde (Abb.1).

In den letzten Jahrzehnten wurde in der Katzenzucht in Deutschland allerdings oftmals dem Druck nachgegeben Perser zu züchten, die mit den hochprämierten Tieren internationaler Zuchten konkurrieren können.

Die Folgen der Betonung der brachycephalen Kopfform sind seit langem bekannt, werden aber bei den Liebhabern der peke-face Perser gerne verharmlost. Zahnfehlstellungen, schwerwiegende Atemprobleme, permanenter Augenausfluss und Bindehautentzündungen müssen oft chirurgisch korrigiert werden. Deutsche Züchter, die den peke-face Typ in ihre Linien eingekreuzt haben, berichten uns immer häufiger von einem weiteren gesundheitlichen Problem. Bei vielen Nachkommen und teilweise bei ganzen Würfen wurden neurologische Ausfallserscheinungen auffällig, die schnell zum Tod der Tiere geführt haben. In pathologischen Untersuchungen konnte ein massiver Wasserkopf (Hydrozephalus internus) als Todesursache identifiziert werden.  

Da diese Missbildung erst mit der Zucht auf den neuen Phänotyp aufgetreten ist lag der Verdacht nahe, das ein Zusammenhang zwischen der extremen Brachycephalie und dem Auftreten eines Hydrozephalus besteht.

 

 

Der Perserschädel unter die Lupe genommen

In Zusammenarbeit mit Züchtern und Universitäten in Deutschland und der Schweiz wurden Daten von Perserkatzen erhoben. In einer prospektiven Studie wurden insgesamt 45 Perserkatzen mittels Magnet-Resonanz-Tomografie und Computer Tomographie untersucht. Die Studie wurde durch retrospektiv gesammelte Datensätze (47) aus den Archiven der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Vetsuisse Fakultät Bern ergänzt. Anhand von 3D-Modellen auf der Basis von CT Datensätzen wurde der Grad der Brachycephalie auf der Basis etablierter

 

Abbildung 1: Morphologie des Kopfes der traditionellen Perserkatze (doll-face-Perser, A, B) im Vergleich zu dem modifizierten, modernen Typ des peke-face Perser (C, D).

 

Messparameter bestimmt. Diese Daten wurden mit dem relativen Ventrikel-Volumen auf eine bestehende Korrelation hin untersucht.

Die Ergebnisse zeigen einen hochsignifikanten Zusammenhang zwischen dem Grad der Brachycephalie und einem hochgradig erweiterten Ventrikel System. Des Weiteren wird die Schädel- Kapazität bei den peke-face Persern negativ durch die Brachycephalie beeinflusst. Mit zunehmender Reduktion des Gesichtsschädels wird auch das Volumen des Gehirnschädels reduziert und bietet dem Gehirn weniger Platz. Die Folge ist eine Verlagerung des Kleinhirns in den Wirbelkanal (Abb.2), die für die Entstehung des Hydrozephalus internus mit verantwortlich gemacht wird. Bei der Analyse der Schädelmodelle fiel auf, dass der Schädel der peke-face Katzen weitere Abnormalitäten zeigt (Abb. 3). Insgesamt ist der Schädel breiter als lang. Der Nasenknochen fehlt häufig. Weit außeinander liegende Augen, mit flachen Augenhöhlen, überzählige Verknöcherungsinseln in Schädelsuturen (so genannte „Wormian bones“), und großflächige Schädeldefekte sind ersichtlich (Abb.3). Die Nasenmuscheln der Katzen sind in die Schädelhöhle zurückverlagert und üben Druck auf die vorderen Hirnabschnitte aus. Die frontalen Schädelknochen sind nach vorne rotiert und überragen nahezu die Augenhöhlen („frontal bossing“). Einige Tiere weisen asymmetrisch angeordnete Augenhöhlen auf.

 

Abbildung 2: Sagittale T2-gewichtete MRT-Aufnahmen des Gehirns verschiedener Katzenrassen. Das Gehirn des doll-face Persers (B) zeigt im Vergleich zu Europäisch Kurzhaarkatze (A) eine ggr. verminderte Längenausdehnung und eine steilere Stellung innerhalb des Schädels. Die Veränderungen bei der peke-face Perserkatze (C-E) gehen aber weit darüber hinaus. Die Nasenmuscheln sind nach kaudal in die Schädelhöhle verlagert und komprimieren die ventralen Gehirnanteile, verdrängen den Bulbus olfactorius, und drücken das Kleinhirn nach hinten aus dem Hinterhauptsloch hinaus. Die Ventrikel Räume sind bei C und E erweitert.

 

Katzen mit hohem Grad an Brachycephalie haben vermehrt Zahnfehlstellungen, verkürzte Oberkiefer, in denen die Zähne nicht hintereinander, sondern verschoben und teilweise nebeneinander angeordnet sind (Kulissengebiss). Der für die Atmung wichtigste Nasengang ist so verengt, dass die Tiere sehr eingeschränkt atmen können.

Diese knöchernen und neuralen Fehlbildungen wurden von uns nicht als Teil eines physiologischen Spektrums des Schädelwachstums eingeordnet. Bei der Recherche in Bezug auf die Kombination der Fehlbildungen von Schädel und Gehirn wurden wir auf das humane Crouzon-Syndrom aufmerksam. Betroffene Kinder zeigen exakt das gleiche Spektrum morphologischer Aberrationen, die auf einer Wachstumsstörung des Schädels beruht. Die obere Wachstumsfuge der Schädelkapsel (Sutura coronalis), die über Jahre das Längenwachstum der dorsalen Schädelkapsel ermöglicht, schließt sich bereits mit wenigen Monaten. Der Hydrozephalus internus ist eine Folge der reduzierten Schädelkapazität der Kinder (Helman 2014).

Wir konnten bereits durch Untersuchungen bei Hunden zeigen, dass viele Wachstumsfugen des Schädels und deren ontogenetische Veränderung mit konventionellen Bildgebenden Verfahren nicht sicher dargestellt werden können (Farke et al. 2015). Daher wurde eine Untersuchung eingeschläferter Tiere mittels Micro-CT durchgeführt.

 

 

Abbildung 3: Vergleich der Schädelmorphologie unterschiedlicher Katzenrassen anhand von 3D Modellen auf der Basis von konventionellen CT Datensätzen. Der Schädel des traditionellen Perser Typus (B, E, H) ist im Vergleich zur normalen Europäisch Kurzhaarkatze (A, D, G) kaum verändert. Der Schädel des peke-face Persers (C, F, I) ist jedoch grundsätzlich modifiziert.

 

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Interventionelle Radiologie des Uniklinikums Gießen/Marburg wurden Micro-CT Aufnahmen von sieben toten peke-Perserwelpen mit Aufnahmen gleichaltriger Katzen mit mesocephalem Schädel verglichen. Bei keinem der peke-Perserwelpen konnte im Alter von 4-5 Wochen die coronale Wachstumsfuge nachgewiesen werden, während bei den Vergleichstieren noch Fugen bis zum Alter von 6 Monaten nachweisbar waren (Abb. 4). Alle anderen Schädelsuturen und die Wachstumsfugen der Schädelbasis waren bei den peke-face Persern noch erkennbar. Aufgrund dieser Befunde ergeht der Verdacht einer coronalen Craniosynostose (verfrühter Schluss in der Wachstumsfuge des Gehirnschädels) als Ursache der extrem brachycephalen Schädelform bei extrem brachycephalen Typen der Perserkatze. Gegenwärtig untersuchen wir eine größere Gruppe von Perser- und Hauskatzen mittels Micro-CT. Die bisherigen Untersuchungen an 26 Katzen unterschiedlichen Alters stützen den Befund eines verfrühten Fugenschlusses.

Craniosynostosen als Ursachen aberranter Schädelformen mit Auswirkungen auf das Gehirn in Analogie zum Menschen sind bei Haustieren bisher kaum beschrieben. Bei Nutztieren wurden sie im Zusammenhang mit generellem Zwergwuchs nachgewiesen (Julien 1957, Landauer 1969).

 

Abbildung 4: Rekonstruktionen des Schädel basierend auf Micro CT Aufnahmen zweier peke-face-Perser (A-H) und einem gleichaltrigen Europäisch Kurzhaar Welpen (I-L). Im Alter von vier Wochen ist die Sutura coronalis (gelbe Pfeile) bei dem Kontrolltier deutlich sichtbar, während bei den Persern nur noch Rudimente sichtbar sind. In den Fugen der Perserkatzen finden sich akzessorische Knocheninseln („Wormian bones“, rote Pfeile).

 

Wir konnten in einer MRT-Studie einen signifikant früheren Fugenschluss der Synchondrosis spheno-occipitalis in der Schädelbasis von brachycephalen Hunden zu mesocephalen Hunden im Allgemeinen und beim Cavalier King Charles Spaniel (CKCS) im Speziellen nachweisen (Schmidt et al.  2013). Durch diese Störung entwickelt sich beim CKCS eine extrem brachycephale Kopfform (Schmidt et al. 2014) was zu einer Modifikation des Schädelzusammenhalts, einer Verringerung des Schädelinnenvolumens, und zu Ventrikulomegalie bzw. zu einem Hydrozephalus führt. Diese pathologischen Veränderungen sind nicht, wie bisher behauptet, als physiologische Varianzen eines möglichen Spektrums der Schädelentwicklung anzusehen (Schmidt et al. 2015) und es ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Formen von Craniosynostosen den brachycephaler Schädelformen vieler Spezies zu Grunde liegen.

 

Tabelle 2: Kandidatengene für die coronale Craniosynostose bei der Perserkatze

Gensymbol

Chromosom Mensch

Chromosom Katze

Genstruktur

CHL1

3

A2

28 exons

CNTN6

3

A2

20 exons

FGFR1

8

B1

17 exons

FGFR2

10

D2

15 exons,

FGFR3

4

B1

14 exons

MSX2

5

A1

2 exons

PKD1

16

E3

46 exons

TWIST1

7

A2

2 exons

 

 

 

Genetische Untersuchungen an Perserkatzen

Unser laufendes Forschungsprojekt hat zum Ziel, durch eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) Chromosomenregionen zu identifizieren, die mit der coronalen Craniosynostose bei der Perserkatze im Zusammenhang stehen. Dies wird vor allem dazu dienen, aus der relativ hohen Anzahl funktioneller Kandidatengene eine wahrscheinlich deutlich kleinere Anzahl von Kandidatengenen herauszufiltern sowie bisher nicht in Betracht gezogene Gene zu identifizieren, die zumindest positionell mit dem Merkmal im Zusammenhang stehen. Im Anschluss sollen diese positionellen und funktionellen Kandidatengene molekulargenetisch charakterisiert und in diesen Genvarianten identifizieren werden, die mit der coronalen Craniosynostose bei der Perserkatze indirekt assoziiert sind bzw. diese möglicherweise sogar direkt verursachen.

Wir vermuten ein Spektrum an möglichen genetisch determinierten Zeitpunkten des Fugenschlusses. Während bei einigen Nachkommen ein sehr früher Wachstums-Stop nicht mit dem Leben vereinbar ist, gibt es am anderen Ende des Spektrums Perser, die ein nahezu normales Schädelwachstum haben, zumindest eines, das das Leben und das Wohlbefinden der Tiere nicht beeinträchtigt. Dazwischen liegt ein weites Feld möglicher Kopfformen, die mehr oder weniger Einfluss auf die Lebensfunktionen der Katze haben.

Ein solches Spektrum existiert auch bei Kindern mit coronaler Craniosynostose. Während einige Kinder ohne kontinuierliche Operationen nicht lebensfähig wären, haben einige Kinder nur ggr. Gesichtsasymmetrien.

Mithilfe genetischer Marker könnten Zuchttiere, die diesen Defekt vererben, eindeutig identifiziert und von der Zucht ausgeschlossen werden.

 

Aufruf

Wir sind bei der Sammlung von Blutproben auf die Mithilfe von Katzenliebhabern, - Haltern und –Züchtern angewiesen. Hilfreich sind vor allem Untersuchungen nahe verwandter Tiere und ganzen Famillien. Wir bieten den Besitzern eine kostenloses Blutbild und kostenlose MRT-Untersuchung, sowie als kleines Dankeschön kostenlose Behandlungen, die in Narkose durchgeführt werden müssen, wie z.B. eine Zahnsanierung, Zahnsteinentfernung, Scheren oder Bürsten etc.

 

Bitte helfen Sie uns: 0641-9938536