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Das Wobbler Syndrom der großen Hunderassen

Was ist ein Wobbler-Syndrom?

Die Bezeichnung Wobbler Syndrom ist eine etwas irreführende Bezeichnung für eine Erkrankung der Halswirbelsäule und des Hals-Rückenmarkes, die auf die Beschreibung der klinischen Symptomatik von betroffenen Hunden (und auch Pferden) zurückgeht. Das englische Wort „to wobble“ bedeutet wackeln oder auch schwanken, was nichts anderes beschreibt, als die klinisch erkennbare Koordinationsstörung aufgrund einer Beschädigung des Rückenmarkes. Der Begriff „Wobbler-Syndrom“ hat sich für mehrere, ursächlich sehr unterschiedliche Erkrankungen etabliert. Die Bezeichnung zervikale Spondylomyelopathie (ZSM) beschreibt die Erkrankung zwar etwas genauer als Rückenmarksschaden bedingt durch eine fehlerhaft entwickelte Wirbelsäule, gibt aber auch noch keinen Hinweis auf die exakte Ursache.

 

Welche Hunderassen sind vom Wobbler-Syndrom betroffen?

Das Wobbler-Syndrom tritt besonders oft beim Dobermann und der Deutschen Dogge (Dt. Dogge) auf, wobei männliche Hunde etwa doppelt so häufig betroffen sind wie weibliche. Andere Rassen, bei denen das Wobbler-Syndrom häufig diagnostiziert wird, sind oftmals große Hunde mit langen, kräftigen Hälsen (Dalmatiner, Rhodesian Ridgeback, Barsoi, etc.).

 

Was kann ein klinisches Wobbler Syndrom hervorrufen?

Die zervikale Spondylomyelopathie bei Dobermann und Dt. Dogge wurde nach den pathologischen Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) in ursächliche Gruppen unterteilt.  Die häufigste Ursache beim älteren Dobermann ist eine chronisch degenerative Bandscheibenerkrankung. Mit zunehmendem Alter degeneriert eine Bandscheibe. Durch die Degeneration kommt es zu einer Aufquellung und Formveränderung der Bandscheibe. In der Regel entsteht eine Vorwölbung (Protrusion) der Bandscheiben in Richtung Wirbelkanal und dadurch zu einer Einklemmung des Rückenmarkes, meistens zwischen den 5. -7. Halswirbeln. Die Degeneration der Bandscheiben wird noch durch die häufig vorliegende Formveränderung der Wirbel bei den langhalsigen Rassen gefördert, da die Wirbelsegmente durch Instabilität die Bandscheiben vermehrt belasten. Die betroffenen Halswirbel sind häufig am vorderen Ende verkürzt und abgeflacht. Diese Formanomalie scheint genetisch mitbestimmt zu werden.

Durch Veränderung der Biomechanik auf Grund der Wirbelanomalien verstärken Massezunahmen (Hypertrophien) der umliegenden Bandstrukturen die Einklemmung, da sie den zur Verfügung stehenden Platz im Wirbelkanal weiter verengen.

Neben den geschilderten Veränderungen der Bandscheiben können die Wirbel selbst auch zu Kompressionen des Rückenmarkes führen. Dabei unterscheidet man prinzipiell zwei Formen. Die veränderte Form des Wirbelkörpers kann zu Instabilitäten des Segmentes führen, wodurch es zu leichten Verrenkungen (Subluxationen) der Wirbel gegeneinander kommen kann. Diese Subluxation stellt eine dynamische Beschädigung dar, da bei Beugung des Halses die Subluxation hervorgerufen, bzw. verstärkt wird. Diese Form kommt vor allen Dingen bei jungen Dobermännern vor. In der Regel sind diese Subluxationen nicht schmerzhaft. Im Gegensatz dazu stehen die statischen Kompressionen, die durch knöcherne Zubildungen an allen Teilen des Wirbelkanals entlang der gesamten Halswirbelsäule bestehen können. Die Wirbelseiten, die kleinen Wirbelgelenke und andere Strukturen führen zu einer Einklemmung von der Seite.

 

Woran erkenne ich einen Hund mit Wobbler-Syndrom?

 












Das Gangbild der klassischen Patienten mit einem Wobbler-Syndrom ist oft charakteristisch. Es setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Durch Beeinträchtigung der langen Rückenmarksbahnen, die die Informationen zwischen Gehirn und Hintergliedmaßen vermitteln, ergibt sich eine Koordinationsstörung der Hintergliedmaßen, die als Hypermetrie bezeichnet wird. Ein betroffener Hund läuft mit weit nach außen ausgreifenden Schritten, die Schritthöhe und Schrittweite ist ebenfalls gesteigert. Der Hund „latscht“ mit den Hintergliedmaßen. Erst mit zunehmender Kompression des Rückenmarks oder längerer Krankheitsdauer zeigen die Tiere Krallenschleifen und spontanes Auffußen mit dem oberen Teil der Pfoten (Propriozeptionsstörungen). Die Vordergliedmaßen zeigen hingegen eine Hypometrie - kleine tippelnde Schritte. Das Gesamtbild wird als dissoziativer Gang bezeichnet, also ein Gang mit zwei verschiedenen Gangmustern vorne und hinten (engl. auch: „two engine gait“ = zwei motorischer Gang).

Selten werden Hunde nach akutem, häufig nur geringgradigem Trauma mit einer vollständigen Lähmung der Gliedmaßen als Notfall in einer Klinik vorgestellt. Bei diesen Patienten ist die Vorschädigung des Rückenmarks bereits so weit fortgeschritten, dass ein Bagatelltrauma ausreicht, um die Grenze der Kompensationsfähigkeit des Rückenmarks zu überschreiten.

 

Wie kann man ein Wobbler Syndrom behandeln?

Bei der Planung einer Therapie des Wobbler-Syndroms müssen Art der Kompression, Alter des Tieres und die Schweregrad und Dauer der bestehenden Symptome berücksichtigt werden. Bandscheibenvorfälle im Halsbereich müssen auf ihre Dynamik hin untersucht werden. Sind sie statisch, verändern sie den Grad der Kompression also nicht je nach Lage und Stellung des Halses, wird eine dekompressive Operationsmethode angewendet, die als „Schlitz-OP“, als „ventral Slot“ bezeichnet wird. Hierbei wird über das betroffene Wirbelsegment von der unteren Halsseite ein Entlastungszugang angelegt, der die Bandscheibe und die anliegenden Wirbel umfasst. Bei länger bestehenden Symptomen muss dabei beachtet werden, dass das vorgefallene Bandscheibenmaterial oftmals mit den anliegenden Gefäßen verklebt und es bei Manipulation des Vorfalles zu heftigen Blutungen kommen kann. Da bei männlichen Dobermännern oftmals eine Gerinnungsstörung des Blutes durch den so genannten „van Willebrand Faktor Mangel“ vorliegen, kann dies schnell zu einer lebensgefährlichen Situation führen. Daher sollte diese Gerinnungsstörung vor einer Operation untersucht und die Besitzer auf diese Gefahr hingewiesen werden.

 

Bestehen statische Kompressionen durch knöcherne Zubildungen, müssen diese veränderten Wirbelanteile entfernt werden, wobei die Laminektomie, die Hemilaminektomie oder Kombinationen, bzw. Anteile der Techniken angewandt werden.

 

Handelt es sich um eine dynamische Protrusion der Bandscheibe, die bei Zugwirkung und Streckung der Wirbelsäule abnimmt, kann eine so genannte Traktions-Stabilisations-Technik angewendet werden. Dabei werden die betreffenden Wirbel auseinander gezogen, ein Teil der Bandscheibe entfernt und ein Abstands-halter („Spacer“) in den Zwischenwirbelspalt eingebracht. Zusätzlich wird das Segment mit Platten und Schrauben stabilisiert, wobei sich die so genannten Locking plates bewährt haben. Diese verfügen über ein Gewinde in den Platten, in denen sich die Schrauben zusätzlich fixieren, wodurch ein Wandern der Implantate verhindert wird, was bei älteren Techniken häufig der Fall war.

 

Kann nach einer Operation zu erneuten Problemen kommen?

Werden zwei Wirbel über Implantate miteinander verbunden, oder Verknöchern sie nach einiger Zeit nach einem „ventral Slot“ zu einer Verwachsung der Wirbel, trägt der Rest dieser Bandscheibe nicht mehr zur Beweglichkeit und Dynamik der Halswirbelsäule bei. Die entstehenden Kräfte, die beim Laufen, Abbremsen und Wenden des Halses auf die Halswirbelsäule wirken, müssen nun von den übrigen Bandscheiben getragen werden, die dadurch mehr belastet sind und degenerieren können. Sehr oft ist die Bandscheibe neben der operierten Stelle als nächstes Ursprung für einen Vorfall und Kompression des Rückenmarks. Dieses schrittweise Auftreten weiterer Bandscheibenvorfälle in der Halswirbelsäule wird auch als „Domino-Effekt“ bezeichnet.

 

Gibt es künstliche Bandscheiben für Hunde?

Es wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Implantate entwickelt, die die physiologischen Eigenschaften einer Bandscheibe für Hunde imitieren können. Anders als bei anderen Techniken, werden zwei Wirbel nicht unbeweglich und fest miteinander verbunden. Die künstliche Bandscheibe arbeitet ähnlich einem Kugellager und wird zwischen zwei Wirbeln eingebracht. Die Bandscheibe wird dabei zu großen Teilen entfernt. Ein Vorteil ist die Vermeidung eines Dominoeffektes.

Bandscheibenprothesen stellen eine vielversprechende Behandlungsoption dar, die unseres Erachtens nach aber noch in Langzeitstudien auf ihre Effektivität, ihren wirklichen Vorteil gegenüber anderen Techniken und mögliche Komplikationen hin untersucht werden. Da solche Studien bisher noch nicht vorliegen, werden solche Bandscheibenprothesen in der Klinik für Kleintiere gegenwärtig nicht zur Behandlung eines Wobbler-Syndroms verwendet.

 

Wie gut erholt sich ein Patient nach der Operation?

Die Prognose hängt von dem Schweregrad und der Dauer der bestehenden Symptome ab. Es gilt:

  • Je länger und schwerwiegender die Symptome vor der Operation, desto schlechter die Prognose.
  • Je älter und schwerer das Tier ist, desto schlechter die Prognose.

 

Ältere Tiere mit klinischer Symptomatik können konservativ mit Schmerzmitteln und Ruhe behandelt werden. Dies stellt aber nur eine symptomatische Therapie dar, die den Tieren Leiden erspart, allerdings nichts am Rückenmarksschaden ändert. Die Schädigung des Rückenmarks geht unter der Therapie weiter und der klinische Zustand kann sich verschlimmern.

 

Wie lange muss mein Hund in der Klink bleiben?

Nach einer Operation muss auf Entzündungen und Wundinfektionen im Operationsgebiet geachtet werden. In der Klinik für Kleintiere ist eine Operationshygiene nach humanmedizinischem Standard vorgeschrieben und wird streng eingehalten. Aber auch nach einer hoch-sterilen Operation ist eine Ansammlung von Wundflüssigkeit (Serom) oder in Ausnahmefällen eine Wundinfektion nicht ausgeschlossen und muss in den ersten drei Tagen überprüft werden. Blutbildkontrollen stützen diese Überwachung. Da die Tiere oft nicht richtig laufen können, muss der Urinabsatz (etc.) sicher gestellt werden. Da sich die Hunde in der Regel nicht in ihrem Liegebereich lösen, werden sie in Laufwägen mit Unterstützung ins Freie gebracht, wo sie sich erleichtern können. Bei 30-40 kg schweren Hunden kann das eine Herausforderung darstellen.

Die wichtigsten Körperfunktionen sind nach ca. einer Woche wieder im Gleichgewicht, wodurch sich ein empfohlener Kliniksaufenthalt  von 7 Tagen ergibt.

Nach Absprache und auf Verantwortung des Besitzers kann ein Hund jedoch früher entlassen werden.

 

Wie muss ich nach einer Operation mit meinem Hund umgehen?

Eine Operation an der Halswirbelsäule ist ein aufwändiger Eingriff. Eine Komplikation bei Distraktions-Fusionstechniken besteht im Ausbrechen der Implantate, wenn sich ein Hund zu schnell zu viel bewegt. Dies ist in der Regel nicht mehr zu reparieren, da die Knochen keinen Platz mehr für weitere/andere Implantate bieten. Daher muss ein Hund unbedingt ruhig gehalten werden. Halten Sie sich vor Augen, dass ein Mensch in der Regel für Wochen bewegungslos im Bett verbringt, was für einen Hund ebenso angeraten wäre, aber nicht durchsetzbar ist.

Nach Verheilen der Operationswunden kann langsam mit einer erhaltenden Physiotherapie begonnen werden. Diese ist ein entscheidender Schritt bei der Behandlung und muss von einem professionellen Physiotherapeuten durchgeführt werden. Nach ca. 4-6 Wochen wird die Physiotherapie intensiviert.

 

Was kostet eine Operation?

Die Kosten für eine Operation sind von der Gebührenordnung für Tierärzte vorgegeben. Je nach Wahl der Technik und der verwendeten Implantate sowie des stationären Kliniksaufenthalts entstehen Kosten um 3.000 € plus Mehwertsteuer.