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Weibliche Gewandfigur mit Kind

Verfasserin: Waltrud Wamser-Krasznai

 

 

Weibliche Gewandfigur mit Kind, Inv. T I-25

Provenienz: erworben von Bruno Sauer aus der Sammlung Margaritis.

Vorderseite aus der Matrize. Rückseite nicht ausgearbeitet, flach gerundet, geglättet, mit großem trapezförmigem Brennloch.

Hellbrauner (7,5YR 7/5) Ton. Reichlich weiße Engobe. Dunkelblaue Farbspuren im Haar und an der Mütze des Kindes.


Erhaltung: Vollständig, aus mehreren Fragmenten zusammengesetzt. Kopf der Frau und oberer Teil des Kindes angeklebt. Kleines Fragment über der linken Hand der Frau eingefügt. Bestoßungen am Polos, an der Mütze des Kindes und an der rechten Schulter der Frau.

Maße: H: 25,0 cm; B: 9,2 cm; T: 6,7 cm

Lit.: M. Recke, Antike Kunst aus der Sammlung der Justus-Liebig-Universität (Gießen 2010) 22-23 und 27, Nr.45; ders., Neues aus der Antikensammlung – Jahresbericht 2010-2011, 5.

 

Beschreibung: Auf mäßig hohem, rechteckigem Sockel steht eine Frau mit einem Kind auf dem linken Arm. In der rechten Hand hält sie den langen dünnen Griff eines runden Spiegels, dessen Fläche leicht gewölbt und von einem schmalen Rand umgeben ist. Ein breiter, flacher Polos schmückt ihren Kopf. Sie trägt ein auf die Füße herab fallendes Ärmelgewand mit einem langen bis zu den Knien reichenden Kolpos. Die Füße, mit spitzen Schuhen, stehen in einigem Abstand von einander. Der rechte Fuß ist eine Spur weiter vorgesetzt; das Knie hinter dem dicken Kolposrand scheint leicht gebeugt zu sein. 
Dichte Haarwellen umgeben die niedere Stirn und fallen in den Nacken. Das Gesicht ist rundlich mit leicht vorspringendem Kinn. Neben der kräftigen Nase erscheinen die Augen klein.
Das Kind trägt eine spitze Mütze und Schuhe, ein Mantel umhüllt die ganze Gestalt. Es wendet sich mit Kopf und Oberkörper dem Betrachter zu, die Beine sind in Profilansicht gegeben.

 

KommentarOhne die für das frühe Alter charakteristische Fülle wirkt das Kind, dessen Beine auffallend lang erscheinen, wie ein kleiner Erwachsener. Durch den breiten Stand und den eckigen Umriss der Frau erscheint die ganze Gruppe plump und schwerfällig. Enge aus Böotien stammende Parallelen befinden sich in Hannover und München [1]. Letztere zeichnet sich aus durch die Schärfe der Konturen und die Präzision der Details. Die Höhe beträgt drei cm mehr als die des Gießener Exemplars und der Polos der Frau ist größer. Dagegen wirken die Umrisse des nur wenig kleineren Vergleichsstücks in Hannover ein wenig flau. Ohne Augenschein lässt sich nicht sagen, ob das Kind dort eine runde Mütze trägt oder sein Kopf unbedeckt ist. Gleichwohl geht die Übereinstimmung so weit, dass die drei Stücke wohl von derselben Matrize abhängen.
Trotz der unterschiedlichen Belastung der Beine lässt der gerade aufgerichtete Körper der Frau nicht die geringste Ponderation erkennen, ein Merkmal der frühen Klassik, ebenso wie das ausgeprägte Untergesicht im Gegensatz zu der unbedeutenden Stirnpartie.
Nach der Tonfarbe ist die Gruppe vermutlich in Böotien entstanden; ihre 'vierschrötige' Gestalt wäre damit gut vereinbar.

Einordnung: um die Mitte des 5. Jhs. v. Chr.; Böotien. 

 



[1] Mütze des Kindes oben abgerundet, U. Liepmann, Griechische Terrakotten Bronzen Skulpturen. Kestner-Museum (Hannover 1975) 18-19 und 59-60, Abb. T 42; F. W. Hamdorf, Die figürlichen Terrakotten der staatlichen Antikensammlung (München 2014) 182 Abb. D 84.