Inhaltspezifische Aktionen

Kopf eines bärtigen Symposiasten mit Kranz und Binde

Verfasserin: Waltrud Wamser-Krasznai

 

TI-17

Kopf eines bärtigen Symposiasten mit Kranz und Binde, Inv. T I-17

Provenienz unbekannt.

 

Vollplastisch, Vorderseite aus der Matrize; Rückseite gerundet, nicht ausgearbeitet, geglättet. Sorgfältige Nacharbeit mit dem Modellierholz, besonders an den Haarsträhnen über Schläfen und Ohren. Heller graubrauner (7,5YR 7/3) Ton mit feinen Einschlüssen. Reichlich weiße Engobe. Bemalung: hellrot am Hals, im Haar und in den Augenwinkeln sowie in der Umgebung des Mundes; schwarz am Barthaar, rosa an Rosette und Tänie.

Erhaltung: Kopf mit Ansatz des Halses, Kranz mit Palmettenbasis, Teile der linken Rosette und der Tänie. Mittelrosette und Schmuckelemente der rechten Seite verloren.

Maße: H: 9,7 cm; B: 7,9 cm; T: 6,7 cm.

Lit.: W. Wamser-Krasznai, Studien zu den Typen der Tarentiner Symposiasten (Diss. Justus- Liebig- Universität Gießen 2003) URL: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2003/1184, 100. 126. 137. 175 Abb. 38 und 38 a. b; W. Zschietzschmann, Die Antikensammlungen der Universität, Gießener Hochschulblätter 5, 1957, Nr. 2 Abb. 5.; W.Wamser-Krasznai, Für Götter gelagert (Budapest 2013), 93-96.

 

Beschreibung: Der Kopf ist mit einer Binde geschmückt, die von einem gepunkteten Wulstkranz überragt wird. Die Palmettenbasis ist leicht nach der linken Seite verschoben. Über dem linken Ohr sitzt eine ehemals vierblättrige Rosette. Breite Tänien schmiegen sich an den Hals. Unter der Binde treten kurze glatte Haarsträhnen hervor, die in der Mitte zangenförmig auseinanderweichen. Längere seitliche Strähnen bedecken den Ansatz des aus flammenartigen Strähnen zusammengesetzten Bartes. Der gleichmäßig gesträhnte Schnauzbart läuft in ornamental geschwungene Spitzen aus (nur noch an der rechten Seite zu erkennen). Stirn und Nase gehen ohne Zäsur ineinander über. Feine Modellierungen beleben die Wangen. Die Augen liegen unter hohen Orbitalen und scharfkantigen Brauen; sie sind von schmalen, bogenförmigen Oberlidern und vollen, weich in die Wangen übergehenden Unterlidern eingefasst. Der Kopf ist leicht zu seiner linken Seite geneigt, der Hals entsprechend geschwungen.

 

Kommentar: Der mit Kranz und Binde geschmückte bärtige Kopf gehörte vermutlich zu einem Symposiasten, der einen Mantel mit Punkt-Musterung trug (bostrychoi – mit Relief-Punkten versehen[1]) und auf einer Kline ruhte, die mit einem Pfeiler-Relief geschmückt war[2]. Denkbar ist aber auch, dass er auf einem Lebewesen lagerte oder ritt, z. B.als ‚Ketosreiter’[3]. Die ursprüngliche Höhe der Statuette kann auf etwa 40 cm geschätzt werden.

Eine Besonderheit ist die Rosette, die sich aus nur vier Blütenblättern zusammensetzt[4]. In der  Regel sind die Rosetten fünf- manchmal sechsblättrig; ausnahmsweise bestehen sie aus acht Blütenblättern.

Zu den spezifisch tarentinischen Merkmalen gehören außer dem Kopfschmuck auch die Breite des Gesichts in Höhe der Augen und die Zunahme des Haarvolumens über den Ohren[5].

Mit seiner dreidimensionalen Anlage, der Kurzhaarfrisur, den flachen Augäpfeln und bandartig schmalen, leicht gebogenen Lidern ähnelt der Kopf einem Tonrelief aus Tarent, das zur Zeit der fortgeschrittenen Klassik, im sog. Reichen Stil, entstanden ist[6].

 

Einordnung: Ende des 5. Jh. v. Chr., aus Tarent

 

TI-17aTI-17bTI-17c


[1] C. E. Vafopoulou-Richardson, Greek Terracottas Ashmolean Museum Oxford (1981) 25f. Nr. 24; U. Hübinger – M. Menninger, Terrakotten der Westgriechen im Akademischen Kunstmuseum der Universität Bonn (Rahden/Westf. 2007) 106 Nr. 28.

[2] W. Wamser-Krasznai, Studien zu den Typen der Tarentiner Symposiasten (Diss. Justus- Liebig- Universität Gießen 2003) URL: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2003/1184, 173 Nr. 442. 443 Abb. 69.70; ebenso B. Neutsch, Der Heros auf der Kline, RM 68, 1961, 153f. Taf. 62, 1. 63. 65; M. Borriello, L’Apulia. Taranto, in: St. De Caro – M. Borriello (Hrsg.), La Magna Grecia nelle collezioni del Museo Archeologico di Napoli (Neapel 1996) 101 Nr. 9.27.

[3] C. Iacobone, Le stipi votive di Taranto (Rom 1988) 97 Taf. 91b; ebenso E. Lippolis – S. Garaffo – M. Nafissi, Taranto. Culti Greci in Occidente I (Tarent1995) 53, Taf. 11, 5; ebenso W. Wamser-Krasznai a. O., 160 Kat.-Nr. 265 Abb. 37.

[4] Dazu ein jugendlicher Kopf in Basel, H. Herdejürgen, Die Tarentinischen Terrakotten des 6. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. im Antikenmuseum Basel (Basel 1971) 51 Taf. 9, 35; ebenso W. Wamser-Krasznai, Studien zu den Typen der Tarentiner Symposiasten (Diss. Justus- Liebig- Universität Gießen 2003) URL: http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2003/1184, 161 Nr. 272 Abb. 40; bärtig: Paris MNB 2677, Wamser-Krasznai a. O., Kat. 456 Abb. 36; Triest 4129, N. Poli, Collezione Tarantina del Civico Museo di Storia ed Arte. Coroplastica arcaica e classica (Triest 2010) 241 Nr. 378 Taf. 287.

[5] W. Wamser-Krasznai a. O, 66 Kat. 244  Abb. 34 und  Kat. 252 Abb. 35; ebenso U. Hübinger – M. Menninger, Terrakotten der Westgriechen im Akademischen Kunstmuseum der Universität Bonn (Rahden/Westf. 2007) 131 Nr. 56 oder S. 137 Nr. 64; E. Schmidt, Katalog der antiken Terrakotten 1, Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg (Mainz 1994) 129 f. Nr. 199 Taf. 37.

[6] Relieffragment in Berlin, O. Pilz, Dionysos auf einem Tonrelief klassischer Zeit in Berlin? AM 120, 2005, 269-283, Taf. 48-51, 270-272 Taf. 48 f.; ebenso E. Langlotz, Die Kunst der Westgriechen (München 1963) 86, Abb. 125 a.