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T I-5 Thronende Frau

 

Verfasserin: Waltrud Wamser-Krasznai

 


Thronende Frau, Inv. T I-5  

Prov.: Erworben von Bruno Sauer, aus der Sammlung Margaritis.

Zustand: Intakt.
Vorderseite aus der Matrize, Rückseite geglättet, konkav. Plinthe geschlossen.
Gelbbrauner (7,5 YR 7/6) Ton. Keine Spuren von Bemalung. An der rechten Seite Reste heller Engobe. Stark versintert.
 

Maße: H: 11,3 cm; B: 4,2 cm; T: 4,5 cm.

Lit.: D. Graen – M. Recke, Herakles & Co (Gießen2010) 48 f. Abb. 14.


Beschreibung: Eine weibliche Gestalt sitzt auf einem schmalen Sessel, dessen Lehne von vorn nicht zu sehen ist. In der Seitenansicht zeigt sich, dass die Frau sich weit zurücklehnt; ihr Rücken und die Sessellehne heben sich kaum voneinander ab. Über dem langen Chiton trägt sie einen Mantel, der den Kopf, das niedere Diadem und die SchuEltern bedeckt und symmetrisch über den Rücken fällt. Die Füße sind beschuht; sie stehen auf einem flachen Podest. Die Hände liegen auf den Knien. Das längliche Gesicht wird von der großen Nase und dem kräftigen Kinn bestimmt. Die Augen sind leicht gewölbt.

 

Kommentar: Charakteristisch für diesen Typus thronender Frauen sind das kleine Diadem und der zierliche Sessel, in den die Figur förmlich 'eingepasst' zu sein scheint. Die eigentümlich nach hinten gelehnte Haltung verbindet T I-5 mit Exemplaren in Brauron und Morgantina[1]; bei der letzteren könne es sich um einen ionischen Import handeln[2]. Auch bei den Vorläufern des Typus, motivgleichen figürlichen Gefäßen, handelt es sich um eine ionische Schöpfung[3]. Der Typus, zu dem das Gießener Exemplar gehört, wurde in attische Heiligtümer geweiht[4], verbreitete sich aber vor allem in Großgriechenland. Dorthin weist auch der gelb-braune Ton.   
Die langen unbewegten, kantig nach hinten umbrechenden Wangen und das schwere Untergesicht von T I-5 sprechen für eine Entstehung in der Zeit des Strengen Stils.

Einordnung: um 480 v. Chr.; ionischer Typus, aus Großgriechenland?




[1] V. Mitsopoulos Leon, Brauron. Die Tonstatuetten aus dem Heiligtum der Artemis (Athen 2009) 175 Nr. 469 Abb. 3 Taf. 67; M. Bell, Morgantina Studies. The Terracottas (Princeton 1981) 124 f. Nr. 10 Taf. 5..

[2]  Vgl. C. Blinkenberg, Lindos. Les petits objets (Berlin 1931) 516 Nr. 2129 Taf. 96; A. Lauminier, Délos 23, Les figurines de terre cuite (Paris 1956) 69 Nr 74 Taf. 6; "milesisch" aus Berezan, B. Pharmakowsky, Russland, AA 1914, 228 f. Abb. 42; aus Sizilien und Großgriechenland: S. Mollard-Besques, Cat. raisonné des figurines et reliefs grecs, étrusques et romains I (Paris 1954) 76 B 534 Taf. 49; E. Paul, Antike Welt in Ton (Leipzig 1959) 71 Nr. 74 Taf. 22.

[3] M. I. Maximova, Les Vases plastiques dans l'Antiquité (Paris 1927) 68 Taf. 17; R. A. Higgins, Cat. of the Terracottas in the department of Greek and Roman Antiquities British Museum (London 1954) 49 f. Nr. 63 Taf.

[4] s. Anm. 1.