Inhaltspezifische Aktionen

Bild und Wahrnehmung zwischen Spätklassik und Hellenismus

Annäherungen an antike Praktiken der Wahrnehmung: Bericht von einem internationalen Workshop des Zentrums für Medien und Interaktivität, Sektion 5

Am 17.12.2020 fand der virtuelle Workshop „Visuality and Perception in the Greek World in the Late Classical and Hellenistic Periods“ statt, der von Katharina Lorenz und Claudia Schmieder, beide Klassische Archäologie der JLU, unter Förderung der Sektion 5 Medien und Kunst des Zentrums für Medien und Interaktivität sowie der Unterstützung von Hilke Wagner und Tamara Ziemer veranstaltet wurde. Im Rahmen von fünf Lightning Talks, jeweils 10-minütigen Präsentationen einzelner Forscher*innen, tauschten sich dreißig Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Luxemburg und den USA (Abb. 1) über Phänomene des Sehens und der Sichtbarkeit in den materiellen Hinterlassenschaften und der Literatur im „langen“ 4. Jahrhundert v.Chr. aus, und darüber, wie eine solche Auseinandersetzung Rückschlüsse auf Praktiken antiker Wahrnehmung in einem Zeithorizont erlaubt, der von wesentlichen visuellen Veränderungen geprägt war.
Die ersten beiden Beiträge widmeten sich der Rolle der Übergänge in transmedialen Kommunikationssituationen als einer Einstiegshilfe zum Verständnis der jeweils auf die Rezipient*innen wirkenden Affordanzen. Verity Platt (Professor of Greek and Roman Art History, Cornell University) demonstrierte in Light, Matter, and Medium in Posidippus’ Poems on Stones an einem Epigramm des Poseidippos über eine Gemme (Lithika AB 13, 3. Jh. v.Chr.), wie sich aus dieser literarischen Beschreibung von Materialität und Wirkung eines Steines, die dessen Erleben in teils auch widersprüchliche Einzelmomente partitioniert, antike Vorstellungen der Funktionsweise einzelner Sinneswahrnehmungen extrahieren lassen. In Enactive Imagining and Enargeia in Hellenistic Poetry arbeitete Ivana Petrovic (Professor of Classics, University of Virginia) in der Untersuchung von Idyll 15 des Theokritos, eines Dichters des 3. Jh. v.Chr., die Rolle motosensorischer Stimuli in Form der Detailschilderung von Stofflichkeiten und der Sequenz der mit ihnen verknüpften Aktivitäten heraus, welche die Imagination auf Seiten der Rezipient*innen intensivieren.
Nathaniel Jones (Associate Professor of Art History and Archaeology, Washington University St. Louis) führte in seinem Beitrag Sight, Scene, and Unseen in Classical Painting Fragen der indexikalischen Kommunikation im Kontext von materiellen Bildern fort und setzte sich am Beispiel einer weißgrundigen Grab-Lekythos des Achilles-Malers (um 440 v.Chr.) auseinander, mit welchen visuellen Kniffen der Betrachterführung in der Darstellung ein Diskurs über die Sichtbarmachung des Unsichtbaren im Kontext des Todes geführt wird.
Strategien der Betrachterführung standen auch in den beiden abschließenden Beiträgen im Fokus. Nikolaus Dietrich (Professor für Klassische Archäologie, Universität Heidelberg) nahm in Visual Strategies in Late Classical Greek Sculpture and Theatre Architecture: The Interplay of Frontality and Multiperspectivity, and the Hierarchized Space am Beispiel des hellenistischen Priene in den Blick, wie die bevorzugte Ausarbeitung einzelner Ansichten sowohl in der Skulptur als auch in der Theaterarchitektur zu einer neuen Hierarchisierung des umgebenden Raumes führte, auf den diese jeweils ästhetisch einwirkten. Asja Müller (Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Klassische Archäologie, FU Berlin) verfolgte in Landscape as Leitmotif – Landscape as Spatial Module: Enliving, Perceiving and Conceiving Hellenistic Sanctuaries wiederum die Idee von Raum als eines Aggregats unterschiedlicher Erlebnissituationen, und zwar konkret am Beispiel des Weges der auswärtigen Abgesandten durch das hellenistische Asklepios-Heiligtum von Kos im Kontext eines religiösen Festes (Abb. 2), um so neue Parameter für die Charakterisierung vom Zusammenspiel von gebautem und natürlichen Raum zu gewinnen, wie sie sich im Erleben der antiken Nutzer*innen wiederum gerade auch an ihren Übergängen konkretisierten.
Der lebendige Austausch über die unterschiedlichen Bereiche der Altertumswissenschaften und nationale Forschungskulturen und über die unterschiedlichen Medien und letztlich gut drei Jahrhunderte der Betrachtung hinweg zeigte gemeinsame Stränge in Bezug auf die sensomotorisch ausgelegte Vermittlung und die Übergänge in transmedialen Erlebnissituationen auf, die in Zukunft weiter auf ihre Bedeutung für eine Auseinandersetzung mit den Praktiken antiker Wahrnehmung im „langen“ 4. Jahrhundert v.Chr. geprüft werden sollen.
Abb. 1 Der virtuelle Workshop während einer Diskussionsrunde. Abb. 2 Ansicht des Asklepieions von Kos von Paul Schazmann. Universitätsbibliothek der JLU Gießen.

 

 

 

 

Die Sektion 5 Kunst und Medien des ZMI lud ein zu einem virtuellen Workshop (in englischer Sprache) am: Donnerstag, den 17. Dezember 2020, 19.00 – 22:00 Uhr auf der Plattform Webex.

Mehr Informationen zum Inhalt über Eventbrite

Contributors: Nikolaus Dietrich (Ruprechts-Karls-Universität, Heidelberg); Nathaniel Jones (Washington University, St. Louis); Asja Müller (Freie Universität, Berlin); Ivana Petrovic (University of Virginia, Charlottesville); Verity Platt (Cornell University, Ithaca).

Hosts: Katharina Lorenz; Claudia Schmieder.

 
 
 
 
 

Ansprechpartnerinnen: Prof. Dr. Katharina Lorenz und Dr. Claudia Schmieder