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Zeitzeugen-Besuch Ruth Barnett

Ruth Barnett berichtet als Zeitzeugin über ihre Erfahrungen als "Kindertransportkind"

Ein interdisziplinäres Projekt in Zusammenarbeit mit der Arbeitsstelle Holocaust-Literatur

(Leitung: Norman Ächtler und Monika Rox-Helmer)

Zum Abschluss des interdisziplinären Seminars "Allein in die Fremde" – Kindertransporte in der Zeit des Nationalsozialismus und ihre literarische Aufarbeitung. Ein Praxisseminar zum fächerübergreifenden Unterricht konnten Studierende der Geschichte und der Germanistik mit einer Zeitzeugin über ihre ganz persönlichen Erfahrungen als ‚Kindertransportkind’ sprechen.

 

Auf Einladung der Arbeitsstelle Holocaust-Literatur war die 82 jährige Ruth Barnett, die heute in London lebt, zu Gast in Gießen. Im Seminar berichtete sie über ihre nur spärlichen Erinnerungen, als sie mit vier Jahren gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Deutschland verließ. Sie war eines der Kinder, die als Verfolgte des NS-Regimes mit einem sogenannten Kindertransport nach England kam. Sie erzählte ihre weitere Rettungsgeschichte, in deren Verlauf sie in drei verschiedenen Pflegefamilien Aufnahme fand, mit vielen Details. Vor allem ging sie auf die emotionalen Höhen und Tiefen ein, die sie als Kind und Jugendliche erlebte. Sie berichtete, wie wenig sie verstand, warum ihre Eltern sie weggeschickt hatten, wie sie sich immer wieder erneut ausgegrenzt fühlte und wie die Ungewissheit über das Schicksal der leiblichen Eltern sie dazu veranlasste, ihre Mutter für tot zu halten. Sie erklärte, mit welchen Schwierigkeiten in der Identitätsfindung sie als Jugendliche zu kämpfen hatte und wie sie über einen langen Zeitraum das Urvertrauen in Menschen allgemein verloren hatte.

 

Aus ihren Erfahrungen, die Barnett erst nach 50 Jahren aufzuarbeiten begann, leitete sie Positionen zur Holocaust-Education und zum Umgang mit Flüchtlingen in Europa ab und stellte diese zur Diskussion. Da die Studierenden Teile ihrer Autobiographie „Nationalität Staatenlos“ im Seminar besprochen und für die Erarbeitung eigener Unterrichtsideen verwendet hatten, entstand im Abschluss ein anregender Austausch über ihre Vergangenheit, die Notwendigkeit des Erinnerns sowie über die gegenwärtige Situation junger Flüchtlinge in England und Deutschland.