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Verdrahtete Kästen

Studierende der Fachjournalistik Geschichte der JLU diskutierten mit bekannten Journalistinnen und Journalisten über Geschlechterverhältnisse im Journalismus Von Christina Dierschke

Wer sagt, dass Genderdiskussionen langweilig sind? Das herzhafte Lachen am 6. Februar im Hermann-Levi-Saal des Rathauses in Gießen sprach für etwas anderes. Gut hundert Zuhörer verfolgten die Podiumsdiskussion „Männerhochburg im Umbau – Wie Frauen den Journalismus verändern“, die von Studierenden der Fachjournalistik Geschichte der JLU im Rahmen des Seminars „Journalistinnen. Meinungsmacherinnen in der Minderzahl“ organisiert worden war. In dem Seminar wurde zusammen mit Frau Prof. Dr. Ulrike Weckel ein Fragenkatalog erstellt, die Gäste angeworben und die Finanzierung geregelt. Friederike Piotrowski und Tabea Bodenstedt übernahmen dann die Moderation der Diskussionsrunde mit vier bekannten Journalistinnen und Journalisten. (Die fünfte Podiumsteilnehmerin Bascha Mika musste leider wegen eines in der Frankfurter Rundschau grassierenden Grippevirus absagen.)
Carmen Thomas, die als Pionierin gilt, da sie eine der ersten WDR-Moderatorinnen war und als erste Frau das „Aktuelle Sportstudio“ präsentierte, erzählte aus der „Steinzeit“ im Journalismus, als Frauen in der Branche noch ums Überleben kämpften. Brigitte-Redakteur Georg Cadeggianini beschrieb, wie ein Mann sich in einer Frauenredaktion wohlfühlen kann, während Robin Detje einen Blick aus der Berliner Kunstszene auf die öffentliche Debatte um Frauenquote und Gleichstellungsbeauftragte warf und bekannte Feuilletonisten wie Harald Martenstein kritisierte. Der frühere Leiter des Literaturressorts bei der ZEIT schüttelte nur den Kopf über so viel Widerstand gegen den Feminismus von den alternden Journalisten. Chris Köver – Mitgründerin des Missy Magazines – fand, dass es weiterhin das Ziel sei, alle Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufzuheben. Dem widersprach Carmen Thomas. Seien nicht gerade die Unterschiede wichtig und könnten sie nicht zusammen etwas Neues und viel Besseres ergeben? Chris Köver lenkte ein, dass Unterschiede wichtig seien. Es gäbe aber keine geschlechterspezifischen Unterschiede im Denken von Frauen und Männern, so wie Thomas sie mit ihrer Metapher von den Kästen in Männerköpfen und den Drähten in Frauenköpfen verdeutlicht hatte. Chris Köver ging es also nicht um die Abschaffung von Unterschieden sondern um die Überwindung der Geschlechter als Konstrukt und die damit einhergehenden Vorurteile. Robin Detje warf schließlich eine neue Idee in die Runde: „Warum denn keine Quote von 30 Prozent von Schwulen und Lesben?“ Aus seiner Erfahrung könne dies manche Spannungen zwischen Männern und Frauen abmildern.
Im Prinzip waren sich aber alle vier Podiumsgäste einig, dass sich im Vergleich zu den Zeiten von Carmen Thomas in den Redaktionen heute einiges getan hat. Dies bekräftigte auch eine HR-Journalistin aus dem Publikum, nachdem die Diskussionsrunde auf den Saal ausgeweitet wurde. Ein weiterer Zuhörer, ebenfalls HR-Journalist, stimmte zu, erkannte aber auch, dass es den Männern heutzutage gelegentlich auch gar nicht auffalle, wenn sie Frauen außen vor ließen. Eine Zuhörerin wollte schließlich von Georg Cadeggianini wissen, ob seine Tätigkeit als Brigitte-Redakteur, also als einer der wenigen männlichen Redakteure in einer Frauenwelt, überhaupt von seinen Kollegen akzeptiert werde. Cadeggianini lachte gequält: „Wenn es auf das Thema kommt, rechtfertigen sich die meisten Männer erst einmal, überhaupt von den Frauenzeitschriften zu wissen – ‚ich war letztens beim Zahnarzt‘ oder ähnliches…“ Er überlege dann kurz, ob er auf das Thema eingehe, oder zum Wein greife.
Die Podiumsdiskussion zeigte, dass ihr Titel gerechtfertigt ist: Die Männerhochburg des Journalismus, wie sie einmal war, gibt es so nicht mehr. Außer in den Chefetagen, dort seien auch heute noch mehr Männer als Frauen zu finden. Frauen und Männer müssen also weiter zusammen daran arbeiten, dass aus Kästen und Drähten verdrahtete Kästen werden, dass die Unterschiede (von Interessen, Kompetenzen etc.) genutzt werden, um zusammen den Journalismus zu verändern.