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Kohlenstoff

„Nicht-Graphitischer“ Kohlenstoff ähnelt dem Graphit, der sich durch eine dreidimensionale Anordnung von Graphitschichten (polyaromatische Ringe mit sp2-Hybridisierung) auszeichnet. Im Vergleich dazu sind die Schichten im nicht-graphitischen Kohlenstoff zwar auch weitgehend parallel zueinander angeordnet, besitzen aber keine dreidimensionale kristallographische Ordnung. Poröser, nicht-graphitischer Kohlenstoff hat eine Vielzahl von Anwendungen, beispielsweise bei der Reinigung von Gasen oder Wasser, in Filtern, als Trägermaterial für Katalysatoren und als Elektrodenmaterial usw. Wir entwickeln Verfahren, um solche Kohlenstoffe mit wohldefinierter Mesoporosität (5-30 nm Porendurchmesser) herzustellen und mit Hilfe von geeigneten Röntgenstreumethoden (Klein- und Weitwinkelstreuung) zu charakterisieren.

carbon

 

Aktuelles Forschungsgebiet:

  • Kohlenstoffe mit hochgeordneter sp2 Struktur für elektrochemische Anwendungen
  • Mikrostrukturanalyse von graphitierbaren und nicht-graphitierbaren nicht-graphitischen Kohlenstoffen
  • Modellierung und Analyse der Intensitätsverteilung von Weitwinkel Röntgen- und Neutronenstreuung (WAXS/WANS) für nicht-graphitische Kohlenstoffe

Zum Programmcode (Github)

 
 
 

Synthese

Bei der Synthese von Kohlenstoffen muss zwischen porösen und nicht-porösen Materialien unterschieden werden. Bei nicht-porösen Kohlenstoffen haben die Ausgangsmoleküle (Präkursoren) sowie die Graphitisierungstemperatur den größten Einfluss auf das resultierende Produkt. Phenol-Formaldehyd Harze (PF-R und PF-N) bilden dabei sogenannte „Glassy carbons“, also glasartige Kohlenstoffe. Diese Stoffe besitzen in der Regel eine wesentlich geringere Dichte (ρ ~ 1,6 g/cm3) als Graphit (ρ ~ 2,2 g/cm3), was auf eine gewisse Porosität schließen lässt (Badaczewski et al. 2019). Peche, besonders Weichpeche mit einem niedrigen Erweichungspunk, welche hauptsächlich aus aromatischen Molekülen bestehen, aber auch Naturstoffe wie Saccharose lassen sich im Gegensatz zu den Harzen sehr gut graphitisieren, das Endprodukt zeigt bereits eine kristallographische Fernordnung in alle Raumrichtungen (Abbildung 1). Der zweite maßgebliche Effekt ist die Temperatur der Graphitisierung. Während herkömmliche und weit verbreitete Laboröfen meistens lediglich auf eine Temperatur von ~ 1200 °C heizen können, sind für hohe Graphitisierungsgrade Temperaturen von bis zu 3000 °C nötig – erst bei diesen Temperaturen lässt sich auf thermischem Weg künstliches Graphit erzeugen (Loeh et al. 2016).

Für poröse Kohlenstoffe lässt sich zwischen den so genannten hard und soft templating Verfahren unterscheiden. Beim soft templating Verfahren wird dabei z.B. kolloidales Silica genutzt, welches die späteren Poren des Produkts definiert. Der Kohlenstoff Präkursor wird mit dem Silica vermischt und erhitzt. Im Anschluss wird das Silica mittels Flusssäure oder Kalilauge entfernt, sodass ein poröser Stoff entstanden ist (Abbildung 2). Im Gegensatz dazu wird beim hard templating Verfahren ein starres Gitter als Templat verwendet, zum Beispiel SBA-15, ebenfalls eine Silica-Verbindung. In diesem Fall ist die resultierende Porenstruktur fest vorgegeben, sie entspricht dem Negativ des Silica (Loeh et al. 2018). Der wesentliche Unterschied ist, dass beim hard templating das resultierende Porensystem genauer vordefiniert werden kann und sich somit bestimmte gewünschte Porensysteme verschiedener Größen und Vernetzungsgrade herstellen lassen (Abbildung 3). Einer der bekanntesten Stoffe ist CMK-3, welches aus parallel angeordneten Zylindern aus Kohlenstoff entsteht, welche in einer hexagonalen Struktur angeordnet sind (Abbildung 1).

 

Abbildung 1: Vergleich verschiedener Präkusoren sowie Darstellung der Makro- und Mikrostruktur.

 

Abbildung 2: Synthese von porösen Kohlenstoffen mittels des soft templating Verfahrens.

 

Abbildung 3: Produkt eines Kohlenstoffes, welcher durch das hard templating Verfahren hergestellt wurde.

 

Analyse

Bei der Analyse der beschriebenen Kohlenstoffe sind 2 Größenordnungen besonders interessant: Die Mikrostruktur, das heißt, die Struktur auf atomarer/molekularer Ebene sowie die Beschreibung des Porensystems – sofern vorhanden. Hinsichtlich der Mikrostruktur sind besonders die Schichtausdehnung der einzelnen Graphenschichten als auch die Stapelhöhe interessant. Daneben können auch die C-C Bindungslänge sowie der durchschnittliche und minimale Schichtabstand berechnet werden. Weiterhin lassen sich auch Parameter zur Unordnung der bereits benannten Größen bestimmen, sodass eine vollständige Übersicht über die Größen und die Ordnung der Makrostruktur ermittelt werden kann.

Die wichtigsten Verfahren zur Bestimmung dieser Größen sind Transmissions-Elektronen-Mikroskopie (TEM), Raman Spektroskopie sowie Weitwinkel Diffraktion mittels Röntgen- und Neutronenstrahlen (wide-angle X-ray/neutron scattering; WAXS/WANS). Da bei TEM Messungen immer nur lokale Bereiche der Probe betrachtet und Raman Messungen zwar prinzipiell möglich sind, jedoch alle Parameter ermittelt werden können (Schüpfer et al. 2020 & 2021), werden hauptsächlich WAXS/WANS Messungen durchgeführt, welche dann mittels des Modells von Ruland & Smarsly (2002) ausgewertet werden können (Abbildung 4), welches bereits in zahlreichen Studien genutzt wurde (Faber et al. 2014a & 2014b, Pfaff, Badaczewski et al. 2019). Die Idee hinter diesem Modell ist, dass für die Intra- und Interlayerstreuung (Schichten bzw. Stapel) jeweils eine einzelne Intensitätskurve berechnet werden kann. Die Gesamtintensität ergibt sich dann aus der Überlagerung dieser beiden Intensitäten sowie der Untergrundstreuung (Abbildung 5). Dazu kann für Windows bereits eine geeignete Software (CarbX; Pfaff et al. 2018) genutzt werden. Eine neuere schnellere Methode zur Auswertung auch für Linux und MacOS mittels der kostenlosen Software Octave ist bereits eingereicht. Der vorläufige Programmcode sowie eine Kurzanleitung sind unter https://github.com/osswaldo/NGCs veröffentlicht. Parameter, welche daraus erhalten werden können, sind unter Anderem die Schichtgröße La, die mittlere C-C Bindungslänge lcc sowie deren Standardabweichung σ1, die Stapelhöhe Lc, der mittlere und minimale Schitebenenabstand (a3 bzw. a3, min) sowie deren Standardabweichung σ3 (Abbildung 6).

Für die Analyse des Porensystems wird in der Regel die Methode der Physisorption verwendet. Hieraus lassen sich die Oberfläche, die Porengrößenverteilung und mittels geeigneter Hysteresemessungen auch die Porenvernetzung und -zugänglichkeit bestimmen. Schwierigkeiten hierbei sind, dass anstatt Stickstoff, welches gewöhnlich für Physisorptionsmessungen verwendet wird, bei Kohlenstoffproben Argon genutzt werden muss. Gleichzeitig ist das Porensystem entweder oftmals ungeordnet (soft templating) oder besitzt eine geometrisch nicht triviale Porenstruktur (bei CMK-3 das Inverse von Zylindern), sodass zur genauen Analyse ein geeignetes Modell gefunden und angewendet werden muss. Ergänzt wird diese Methode durch Kleinwinkelstreuung (Small angle X-ray/neutron scattering; SAXS/SANS), welche zusätzlich noch Aufschluss über geschlossene Poren geben kann, welche bei der Physisorption nicht sichtbar werden (Smarsly et al. 2002, Badaczewski et al. 2020). Daneben können diese Messungen helfen, die bisherigen Theorien der Physisorption zu verbessern sowie geeignete Modelle für die Porensysteme zu finden.

 

Abbildung 4: Übersicht zur Analyse der Kohlenstoff-Mikrostruktur mittels Röntgen-/Neutronenstreuung.

 

Abbildung 5: Die resultierende Gesamtintensität bei WAXS/WANS Messungen setzt sich aus der Intralayer, der Interlayer sowie der Untergrundstreuung zusammen.

 

Abbildung 6: Physikalisch sinnvolle Mikrostrukturparameter, welche aus der Analyse der Streudaten ermittelt werden können.

 

Offene Fragestellungen

Natürlich sind diese Darstellung der Kohlenstoffe und die Analyse noch nicht abschließend, vielmehr gibt es weiterhin offene Fragestellungen:

  • Wie verhält sich die Mikrostruktur in Abhängigkeit der Temperatur?
    • Was passiert auf atomarer/molekularer Ebene bei der Graphitisierung?
    • Welchen Einfluss haben die Präkursoren, insbesondere der Gehalt an Fremdatomen wie Stickstoff und Sauerstoff?
    • Wie lassen sich die Graphitisierung verbessern oder verhindern?
    • Wie lässt sich die bisher benötigte Temperatur von 3000 °C absenken?
  • Wie sind die Grenzen des bisherigen Modells von Ruland & Smarsly (2002)?
    • Lässt sich das Modell auch auf Neutronstreuung anwenden?
    • Was passiert bei sehr hohen Streuvektoren, kann das Modell diese Werte immer noch erfassen?
    • Lassen sich damit auch pair-distribution-function (PDF) Daten auswerten? Stimmen diese Ergebnisse mit den Streudaten überein?
    • Lässt sich das Modell auch auf Graphen anwenden?
    • Haben die Porensysteme einen Einfluss auf die Mikrostuktur?
  • Wie lassen sich speziellere Modifikationen wie Graphen oder großporige Systeme für elektrochemische Anwendungen effizient herstellen?
  • Können elektrochemische Effekte (Leitfähigkeit, Interkallationseigenschaften etc.) sowie makroskopische Größen (Zugfestigkeit, Härte usw.) mittels der Mikrostruktur ermittelt oder sogar vorausgesagt werden?

 

Weiterführende Literatur

Badaczewski, F. et al., Beilstein J. Nanotechnol. 2020, 11, 310–322

Badaczewski, F., et al., Carbon 2019, 141, 169-181

Faber, K. et. al., J. Phys. Chem. C, 2014, 118, 29, 15705-15715

Faber, K. et. al., Z. anorg. Chem., 2014, 640, 15, 1307-1317

Loeh, M. O. et. al., Carbon, 2016, 109, 823-825

Loeh, M. O. et. al., Carbon, 2018, 129, 552-563

Osswald, O. & Smarsly, B. M. (2022). C. 8(4), 78

Pfaff, T. et al., J. Appl. Cryst., 2018, 51, 219-229

Pfaff, T., Badaczewski, F. et. al., J. Phys. Chem. C, 2019, 123, 33, 20532-20546

Ruland, W. & Smarsly, J. Appl. Cryst., 2002, 35, 624-633

Schüpfer, D., et al., Carbon, 2020, 161, 359-372

Schüpfer, D., et al., Carbon, 2021, 172, 214-227

Smarsly, B. et. al, J. Chem. Phys., 2002, 116, 2618