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»Dispositiv der Medienchoreographie – Mediendispositiv als Choreographie« (Arbeitstitel)

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Promotionsprojekt von Anna-Carolin Weber

Betreuer: Prof. Dr. Gerald Siegmund (ATW Gießen)

Kurzdarstellung des Promotionsprojekts

In dieser Arbeit geht es um die Konzeptionalisierung und Operationalisierung des Dispositiv als Denkfigur, als Arbeitsgerät und als Analyseinstrument in der Auseinandersetzung mit den spezifischen Strategien von Medienchoreographie und medienchoreographischen Verfahren. Entgegen eines ubiquitären Gebrauchs des Begriffs Dispositiv und mit Bezug zu Gerald Siegmunds Thesen zur »Ästhetik des Dispositivs«, die als Reflexionsinstrument für eine Perspektive auf Tanz und Choreographie als Dispositiv genutzt werden, wird dabei betont, dass sich ein Dispositiv immer als Antwort auf ein gesellschaftliches Bedürfnis, eine Notwendigkeit oder ein Problem (je nach Auslegung des Foucaultschen Begriffs urgence) formiert. In Bezug auf die Herausbildung des Dispositivs’ Choreographie hieße das, Choreographie als Antwort auf gesellschaftliche Notwendigkeit der Disziplinierung von körperlicher Bewegung in Form einer Tanz-Vorschrift, einer Tanz-Schrift sowie der Tanz-Verschriftlichung zu verstehen.

Mediendispositive und die mit ihnen verbundenen Konventionen, Ordnungsstrukturen und Verfahrensweisen werden sichtbar, wenn im Prozess ihrer Wahrnehmung Irritationen und Störungen auftreten. So erhält z.B. bei großflächigen Projektionen an der Rückwand einer Guckkasten-Bühne das Mediendispositiv des Kinos Einzug in eine spezifische Bühnentanz-Rezeptionssituation – eine Neustrukturierung des Raums ist die Folge: Der zuvor im Mittelpunkt stehende Tänzer steht nun dem Blick der Zuschauenden auf die kinoähnliche Projektion im Weg. Ein Fernsehapparat auf der Bühne oder ein interaktives Setup über apparative, sichtbare Interfaces hingegen verursachen wiederum ganz andere Raum- und Rezeptionsstrukturen. Die Konkurrenz, Kollision oder Kooperation von unterschiedlichen Mediendispositiven in spartenübergreifenden Produktionen wirft die Frage nach den spezifischen medienchoreographischen Verfahren und deren Beziehung zu Ästhetik, Arbeitsmethoden und diskursiven Praktiken auf. Die im Verlauf eines Aufführungsbesuchs aufkommenden Irritationen und Störungen auf der Ebene der Wahrnehmung eröffnen den Blick auf die Funktions- und Operationsweisen des Mediendispositivs sowie sie den Blick auf die Ebene der Medienchoreographie lenken. Medienchoreographische Verfahren bezeichnen hierbei die (an-)ordnenden, organisierenden, gestaltenden Prinzipien, über die die performative Interaktion von verschiedenen Medien in Performances vollzogen wird. Weitergehend versteht sich die Medienchoreographie einer Performance als das ordnende Prinzip, das die Verfahrensweisen der Interaktion von Tanz und anderen Medien strukturiert.

Da in der Tanzwissenschaft der Begriff des Dispositivs bisher nicht als methodologisches Instrument eingesetzt wird bzw. der Begriff bisher nur in sehr wenigen Publikationen als Denkfigur Einzug erhalten hat, fokussiert die Arbeit zunächst eingeführte Ansätze aus der Theaterwissenschaft, um im nächsten Schritt diese Konzepte für die eigene Begriffsbildung und Methode nutzbar zu machen. Das Mediendispositiv als Beschreibungsperspektive und Analysemethode ermöglicht es, spartenübergreifend konzipierte Choreographien in Bezug auf ihre mediale Funktionsweise(n) zu untersuchen. Dabei nimmt das Mediendispositiv eine Doppelfunktion ein: Zum einen reflektiert es die Relation von Tanz zu anderen Medien, zum anderen funktioniert das Mediendispositiv als analytisches Instrument, um diese Relationen in Bezug auf die Ordnung und Strukturierung von Wissen und die damit verbundenen Erwartungshaltungen an Mediendispositive zu befragen.

Aufgezeigt werden soll wie über die Perspektive des Mediendispositivs das Verhältnis von Tanz zu anderen Medien in spartenübergreifenden Produktionen jenseits des Intermedialitätsbegriffs – anders als bisher geschehen – befragt und beschrieben werden kann. Das Dispositiv ermöglicht die Nutzung eines weiten Medienbegriffs, sodass es nicht mehr um die Frage geht, ob und wie Tanz als Medium gedacht wird, sondern darum, welche Erwartungshaltungen, Handlungsräume und Wissensordnungen durch bestimmte Konstellationen und Ordnungen in Mediendispositiven konstituiert werden und wie diese sichtbar gemacht werden können. Denn wie Gilles Deleuze zeigt, sind Dispositive "Anordnungen unterschiedlicher Art, die regeln, wie wir Menschen innerhalb einer Kultur etwas wahrnehmen, die Sichtbarkeit erzeugen, ohne selbst sichtbar zu sein. Mediendispositive sind optische Maschinen, um zu sehen, ohne gesehen zu werden ." (Deleuze, Gilles: Was ist ein Dispositiv? In: Ewald, Francois; Waldenfeld, Bernhard (Hg.): Spiele der Wahrheit. Michel Foucaults Denken. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 153–162, hier: S. 154.)

In der Auseinandersetzung mit der Ästhetik spartenübergreifender Tanzproduktionen werden medienchoreographische Verfahren befragt und entlang deren Analyse unter Rückgriff auf Arbeitsweisen und diskursiven Praktiken eine mediendispositivanalytische Lesart konstruiert. Das Projekt untersucht exemplarisch medienchoreographische Verfahren zeitgenössischer und historischer Tanzproduktionen und zeigt über die wechselseitigen Bezüge die Dispositivstruktur medienchoreographischer Verfahren auf.

Mit Michaela Ott gesprochen lässt sich das Dispositiv nutzen als »ein Arbeitsgerät, um das Funktionieren der Macht im sozialen Feld zu denken. Es erlaubt, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren und Diskursen zu analysieren.« Die Dispositivforschung versteht sich als eine systematische Ergänzung und Weiterführung diskursanalytischer Perspektiven. Dispositivanalysen fokussieren die Wechselwirkungen bzw. die wechselseitigen Bezugnahmen von »normierenden Wissensordnungen, ihren konkreten handlungspraktischen Wirksamkeiten im sozialen Austausch von Menschen sowie den damit einhergehenden Selbst-Bezügen und Subjektformen«.

Das Dissertationsprojekt zielt darauf ab, das Methodenspektrum der medientheoretisch geleiteten Tanzwissenschaft mit der Einführung der Mediendispositivanalyse als kulturwissenschaftliche Methode zu erweitern und die Medienbegriffe der Tanzwissenschaft kritisch zu reflektieren. Dabei ist es ein Anliegen aufzuzeigen, dass das Mediendispositiv als relationaler Begriff eine produktive Perspektivverschiebung in der Beschreibung und Analyse spartenübergreifender Konstellationen im Feld von Tanz und Performance ermöglicht und welches Potential das Mediendispositiv als Methode für eine medientheoretisch geleitete tanzwissenschaftliche Forschung bietet.

Kurzvita

Anna-Carolin Weber M.A. forscht, lehrt und publiziert als Tanz- und Medienwissenschaftlerin im Spannungsfeld von Medien und Performativen Künsten sowie zu Kultur-, Körper- und Medientheorie an der Schnittstelle zur tänzerischen Praxis in Ausbildungskontexten von Universität (Ruhr-Universität Bochum und Freie Universität Berlin), Kunsthochschule (Hochschule für Musik und Tanz Köln) und Fachhochschule (Hochschule für Medien und Kommunikation) sowie in Projekten der Freien Tanz- und Theater Szene NRWs.

Als Doktorandin bei Prof. Dr. Gerald Siegmund ist Anna-Carolin Weber mit ihrem Dissertationsprojekt »Dispositiv der Medienchoreographie – Mediendispositiv als Choreographie« mit dem DFG-Forschungsprojekt »Theater als Dispositiv. Ästhetik, Praxis und Episteme der darstellenden Künste« assoziiert.

2007 erhielt sie ihren Magister in Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft an der Universität zu Köln und hospitierte am Tanztheater Pina Bausch in Wuppertal. Als Choreographin erarbeitet sie seit 2007 regelmäßig spartenübergreifende Bühnenproduktionen, Performances und Tanzinstallationen im Kontext der freien Szene sowie sie seit 2008 mit wissenschaftlicher Mitarbeit und Lehrtätigkeit an der Hochschule für Medien und Kommunikation Köln tätig ist.

Von 2010-2014 war sie künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte im M.A.-Studiengang Tanzwissenschaft am Zentrum für Zeitgenössischen Tanz an der Hochschule für Musik und Tanz Köln sowie sie seit Sommer 2014 gemeinsame Forschungstätigkeiten mit Dr. Susanne Foellmer durchführt. Als Fellow der Research Academy for Contemporary Dance and Choreography forschte Anna-Carolin Weber im Frühjahr 2014 sowie im Herbst 2015 an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und im Wintersemester 2014-15 mit einem DAAD-Stipendium in Archiv und Sammlung der Jerome Robbins Dance Division an der Library for the Performing Arts sowie in Bezug auf künstlerische, spartenübergreifende Projektrealisation bei Movement Research und der Trisha Brown Dance Company in New York City.