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Projektbeschreibung

Vlad „der Pfähler“ Drăculea (1431-1476) ist eine der bekanntesten Gestalten aus dem spätmittelalterlichen Südosteuropa. Als Vorlage für Bram Stokers Vampirgrafen „Dracula“ erlangte er ab 1897 Weltberühmtheit. Seit dem Bestseller „In Search of Dracula“ von Raymond McNally und Radu Florescu wurde man 1972 auch auf die historische Figur aufmerksam: Demnach versuchte der Woiwode der Walachei nach orientalischem Vorbild eine autoritäre Herrschaft zu etablieren und einen Kreuzzug gegen das Osmanische Reich zu führen. Wegen seiner bevorzugten Hinrichtungsmethode erhielt er von Rumänen und Osmanen den Spitznamen „der Pfähler“. Westeuropäische Chronisten und Verleger von Gruselgeschichten sorgten unter dem Eindruck der Türkengefahr bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert für die Verbreitung des Bildes eines grausamen Tyrannen.

Die Sammlung Corpus Draculianum vereint erstmals alle Quellen von und zu Vlad dem Pfähler aus dem Zeitraum 1448 bis 1650: private, diplomatische und Handelskorrespondenzen, Verhandlungsprotokolle, Verwaltungsdokumente, Narrativ- und Bildquellen sowie Inschriften, Münzen und Siegel. Dutzende Chronisten, Literaten und Machtträger aus den Herrscherhöfen vom Safawidenreich bis zur Iberischen Halbinsel, Britannien und dem Moskauer Reich haben einschlägige Zeugnisse hinterlassen. Die in 17 europäischen und orientalischen Sprachen verfassten Quellen werden von einem interdisziplinären Forscherteam zweisprachig (Originaltext und Übersetzung) kritisch ediert und ausführlich kommentiert. Begleitstudien eröffnen jeden Band, um Verständnis und Kontextualisierung der Textsammlung zu erleichtern. Gerichtet ist diese sowohl an interessierte Laien als auch an Spezialisten. Das Corpus Draculianum versteht sich dabei als Nachschlagewerk und Vermittlungsportal sämtlicher historischer Materialien und wissenschaftlicher Werkzeuge zur Erforschung von Leben und Herrschaft des berühmten Woiwoden.

 

Geplant ist eine Veröffentlichung in fünf Bänden:

 

Band 1: Briefe und Urkunden. Teilband 1: Die Überlieferung aus der Walachei. Bearbeitet von Albert Weber und Adrian Gheorghe. Wiesbaden 2017. LXXI, 265 S.

 

Teilband I/1 der Sammlung enthält 61 Briefe und Urkunden aus der Kanzlei Vlads des Pfählers sowie anderer Herrscher und Adeliger der Walachei. Die in Latein, Kirchenslavisch, Rumänisch und Ungarisch überlieferten Dokumente stehen der historischen Gestalt besonders nahe: Der Woiwode selbst, seine Verbündeten und Widersacher kommen zu Wort und bieten unmittelbare Einblicke etwa in die osmanische Eroberung Südosteuropas und in die spätmittelalterliche Kreuzzugsbewegung, zu deren Bannerträgern auch der bei Muslimen wie Christen gefürchtete Vlad Drăculea zählte.

 

Band 1: Briefe und Urkunden. Teilband 2: Die Überlieferung aus Ungarn, Mitteleuropa und dem MittelmeerraumBearbeitet von Albert Weber, Adrian Gheorghe und Christof Paulus. Wiesbaden 2018. XXXI, 361 S.

 

Teilband I/2 versammelt alle mittel- und westeuropäischen Berichte über die Herrschaft und die Kriege Vlads des Pfählers gegen Osmanen, Ungarn und den aufständischen walachischen Adel.  Die 122 Dokumente entstammen den Herrscherkanzleien der bedeutendsten Mächte sowie der einflussreichsten Diplomaten dieser Zeit und bieten aufgrund ihrer weitläufigen Informationen ein facettenreiches Porträt des Woiwoden. Wie die übrigen Bände des Corpus Draculianum bietet auch dieser bislang unbekanntes Quellenmaterial mit wesentlichen neuen Erkenntnissen.

 

Band 2: Die Überlieferung aus West- und Südosteuropa und dem Moskauer Reich. 2 Teilbände. Hrsg. von Thomas M. Bohn, Adrian Gheorghe, Christof Paulus und Albert Weber [erscheint voraussichtlich 2021/22].

 

Der zweite Band gibt alle narrativen europäischen Quellen wieder: die propagandistische Überlieferung der 1460er Jahre aus dem mitteleuro-päischen Raum, welche die Grundlage für die Entstehung und Verbreitung der sogenannten deutschen Dracula-Geschichten ab den 1480ern legte; den Überlieferungszweig der russischen Dracula-Geschichte sowie die walachischen, ungarischen und weitere mitteleuropäische Chroniken, die nach der Rehabilitation des Woiwoden entstanden sind; die Porträttradition der Holzdrucke und Altargemälde, die das Bildnis des Woiwoden als Feind Christi oder als östlicher Tyrann überliefert haben.

 

Band 3: Die Überlieferung aus dem Osmanischen Reich. Postbyzantinische und osmanische Autoren. Bearbeitet von Adrian Gheorghe und Albert Weber. Wiesbaden 2013. XLI, 419 S.

 

Im dritten Band des Corpus Draculianum wird die gesamte Überlieferung aus dem Osmanischen Reich dokumentiert. Dazu zählen auch bisher noch nicht edierte Quellen, die von den Bearbeitern entdeckt worden sind. Neben den muslimischen kommen auch christliche Autoren zu Wort. Dadurch kann sich der Leser mit dem „orientalischen Dracula“ bekanntmachen: Vlad der Pfähler war nicht nur im westlichen und östlichen Europa eine bekannte und berüchtigte Gestalt, sondern ebenso in der postbyzantinischen und osmanischen Literatur. In der kulturellen und geographischen Spannweite aller Mythen spiegelt sich die politische Bedeutung des historischen Dracula im Donau-Balkan-Raum nach der Eroberung Konstantinopels durch Mehmed II. (1431-1481) wider.

Auf Grundlage mündlicher und schriftlicher Augenzeugenberichte, die nach Vlads Überschreitung der Donau im Feldzug von 1462 zirkulierten, wurde im Osmanischen Reich ein Bild des Pfählers kreiert, das der zeitgenössischen europäischen Überlieferung an narrativem Gehalt und Quellenwert nicht nachsteht. Im vorliegenden Band erfolgt eine kritische Edition der Texte von 35 Autoren im Original sowie in Übersetzung, versehen mit einer Einführung und einer Bibliographie. Die textgenealogische Systematisierung, die kartographische Darstellung und die ausführliche Chronologie machen die Edition zugleich auch als enzyklopädisches Nachschlagewerk nutzbar.

 

Das Corpus Draculianum erscheint seit 2019 in einer rumänischsprachigen Fassung beim Verlag der Rumänischen Akademie (Editura Academiei Române; Bukarest) sowie beim Istros Verlag (Editura Istros; Brăila), hrsg. von Thomas Bohn, Adrian Gheorghe, Christof Paulus und Albert Weber, in Zusammenarbeit mit rumänischen Mediävisten.


Für das Projekt wurden Recherchen in folgenden Archiven, Bibliotheken und Museen unternommen: Nationalarchive in Bukarest, Brașov, Sibiu; Nationalmuseum der Geschichte Rumäniens (Bukarest); Museen der Klöster Govora und Turnu; Bayerisches Hauptstaatsarchiv (München); Vatikanisches Geheimarchiv, Vatikanische Apostolische Bibliothek; Staatsarchive in Rom, Siena, Modena, Florenz, Lucca, Pisa, Bologna, Reggio Emilia, Mantua, Treviso, Venedig, Verona, Mailand, Genua; Biblioteca Marciana (Venedig), Biblioteca Ambrosiana (Mailand), Universitätsbibliothek Bologna; Archiv der Krone von Aragonien (Barcelona); Österreichisches Staatsarchiv (Wien); Staatsarchive in Zadar und Zagreb. 

 

Die bislang erschienenen Editionsbände wurden von den Bearbeitern und Herausgebern auf wissenschaftlichen und öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt, darunter auf dem Nationalkongress der rumänischen Historiker, auf der Frankfurter Buchmesse, im Generalkonsulat von Rumänien in München sowie an Universitäten im In- und Ausland. Das Projektteam hat überdies eine Reihe von Exkursionen zu historischen Orten mit Bezug zum Itinerar Vlads des Pfählers und zur Geschichte der spätmittelalterlichen Walachei in Rumänien, Ungarn, Serbien und Bulgarien unternommen.