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Seminar SS 12

Gießener Studierende diskutieren mit Experten über Wasserpreise und Wassergebühren

 

Am Freitag und Samstag, dem 22. und 23. Juni 2012, fand am Campus Wirtschaft und Recht der Justus-Liebig-Universität Gießen ein Seminar zu aktuellen Fragen der Wettbewerbs- und Regulierungspolitik statt. Die jährlich stattfindende Veranstaltung hatte in diesem Jahr ihren Schwerpunkt auf den Entwicklungen des Wassermarktes in Deutschland. Wie auch in der Vergangenheit üblich wurden die Diskussionen der Studierenden mit Beiträgen von Experten aus der Praxis ergänzt. Die Gastredner waren Herr Hermann Daiber, Leiter der Landeskartellbehörde Hessen, und Frau Martina Gießler, Prokuristin der Stadtwerke Gießen AG.

In der jüngeren Vergangenheit wurden vermehrt gerichtliche Verfahren gegen deutsche Wasserversorger wegen des Vorwurfs missbräuchlich überhöhter Preise geführt. Dies veranlasste die Professur für Industrieökonomie, Wettbewerbspolitik und Regulierung (VWL I), interessierte Bachelor und Master-Studierende des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften mit der Bearbeitung von ökonomischen Fragestellung in diesem Themenbereich zu betrauen. Prof. Dr. Georg Götz (Inhaber der Professur VWL I) und Dr. Johannes Paha (wissenschaftlicher Assistent) sorgten für eine große Praxisnähe der Veranstaltung, da sie mit Herrn Daiber vom Landeskartellamt Hessen, der sich dort mit den Preissetzungsverhalten der hessischen Wasserversorger auseinander setzt, und Frau Gießler, die als Leiterin der Abteilung Recht und Versicherungen für die Stadtwerke Gießen agiert, zwei ausgewiesene Experten als Referenten hatten gewinnen können. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses an diesem Thema waren auch Bürger der Stadt Gießen, ein Abgeordneter des Stadtparlaments  Gießens und Mitglieder einer Bürgerinitiative, die sich für günstiges und sauberes Wasser in Deutschland einsetzt, im Auditorium vertreten.

 

Gerechte Preise gibt es nur im Himmel

Die Veranstaltung begann am Freitag mit einem Vortrag von Herrn Daiber, in der er ausführlich die Komplexität der Arbeit der Landeskartellbehörde im Bereich der Wasserwirtschaft diskutierte. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf eine Darstellung der aktuellen Rechtslage sondern gab auch einen Einblick in die praktischen Tätigkeiten bei der Identifizierung überhöhter Preise. Diese Punkte illustrierte er anhand aktueller Verfahren, wie bspw. jenem gegen das Wetzlarer Wasserversorgungsunternehmen enwag. Zur Ermittlung überhöhter Preise vergleicht die Landeskartellbehörde dabei die Preise von Unternehmen aus unterschiedlichen Kommunen. Ein weiteres Thema, das Herr Daiber in seiner Präsentation diskutierte, war die vermeintliche „Flucht“ der Wasserwerke vor dem Kartellrecht durch sogenannte Rekommunalisierung. Viele Kommunen beschlossen in der jüngeren Vergangenheit, ihre privatwirtschaftlichen geführten Wasserwerke wieder in die Gemeinde als Eigenbetrieb einzugliedern. Diese Eigenbetriebe unterliegen bislang nicht dem Wettbewerbsrecht, sodass Kartellbehörden nicht mehr in die Preissetzung der Wasserwerke eingreifen können.

Der These, dass die Kommunen einen solchen Wandel der Rechtsform u.a. vornähmen, um weiterhin überhöhte Preise von ihren Kunden zu verlangen, widersprach Frau Gießler in ihrem Vortrag. Ihrer Meinung nach gebe es keine klaren Anhaltspunkte  für eine solche Flucht. Vielmehr könnten ebenso gut organisationstechnische Gründe für eine Umwandlung der Rechtsform sprechen. Außerdem stellte Frau Gießler in ihrer Präsentation die Vorgehensweise der Kartellbehörden bei der Bestimmung von überhöhten Preisen in Frage. Auf Grundlage der Vorträge der beiden Gastdozenten entwickelte sich eine ebenso lebhafte wie interessante, teils emotional geführte Diskussion.

Im Anschluss standen Präsentationen der Studierenden auf dem Programm. So untersuchten Jan Schäfer und Andreas Klose in ihrer Seminararbeit die Auswirkungen des Wettbewerbs und mögliche Regulierungsmaßnahmen auf den Wassermarkt. Während sich Herr Klose stärker auf theoretische Konzepte der Regulierungsökonomie konzentrierte, diskutierte Herr Schäfer auch die Regulierungspraxis anderer europäischer Länder. Danach stellte Daniel Herold mit der sog. Data Envelopment Analysis (DEA) eine moderne Analysemethode zur Bestimmung der Effizienz eines Unternehmens vor. Hierbei handelt es sich um einen Unternehmensvergleich, bei dem das Verhältnis von Produktionsfaktoren zu erzeugten Gütern bei einer Vielzahl von Wasserversorgungsunternehmen vergleichen wird. Die Vorstellung dieser Methode erfolgte nicht nur auf theoretischer Ebene. Vielmehr wurden auch die Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Wasserversorgung diskutiert. Im letzten Vortrag an diesem Tag stellte Maurizio Strazzeri Methoden zur Identifizierung überhöhter Preise vor, die auf Erkenntnissen der ökonomischen Theorie beruhen.


Was darf Qualität kosten?

Am Samstag folgten fünf weitere Vorträge von Seiten der Studierenden. Den Beginn machten Yue FeiYang und Gentiana Jahaj mit einem Marktüberblick über die Wasserversorgungsbranche beginnend mit einigen Charakteristika des lebensnotwendigen Gutes Wasser und übergehend zu den rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Branche. Steffen Wardel bot den Teilnehmern des Seminars in seiner Darstellung rechtlich relevanter Fälle zu überhöhten Preisen in der Wasserbranche einen Einblick in die Vorgehensweise der Gerichte bei Entscheidungen zu diesem Thema. Herr Wardel behandelte dabei ausführlich die Rechtsprechungen zu dem Kartellverfahren gegen die Wetzlarer Enwag und das Verfahren des Bundeskartellamts gegen die Berliner Wasserbetriebe. Um das Thema Wasserversorgung nicht zu stark auf den deutschen Markt zu beschränken und um mögliche Schnittstellen mit anderen europäischen Ländern herauszuarbeiten,  stellte Georgi Boyadzhiev einige Erkenntnisse aus seiner Diplomarbeit vor, in der er die Privatisierung der Wasserversorgung in Osteuropa behandelt. Es wurde deutlich, dass der Privatisierungsprozess in diesen Ländern nicht nur zu positiven Resultaten führte – so waren auch in Bulgarien im Zuge der Privatisierung stark überhöhte Preise zu beobachten. Als nächstes stellte Jana Metz ihre Bachelor Thesis zur Privatisierung und Regulierung von Wasserversorgern in Deutschland vor. Dabei stellte sie mögliche Vorteile der Privatisierung vor, wie zum Beispiel eine ggf. effizientere Produktionsstruktur, aber auch ihre Nachteile, wie zum Beispiel eine mögliche Verringerung der Wasserqualität. Zum Abschluss des Seminars diskutierte Nils Dudenhöfer das Thema des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Herr Dudenhöfer ging dabei zunächst allgemein auf die herrschende Rechtslage ein und wendete anschließend die herausgearbeiteten Erkenntnisse auf den deutschen Wassermarkt an. Mit dieser rechtlichen Auseinandersetzung bestand dann die Möglichkeit, die Themen des Tages richtig in die aktuelle Rechtslage einzuordnen.

Mit besten Grüßen
Maurizio Strazzeri (Seminarteilnehmer)