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Collegium Gissenum 2015

Was ist das gute Leben?


Der Versuch, die Frage nach dem guten Leben zu beantworten, ist wie das schälen einer Zwiebel. Jede Antwort wirft neue Fragen auf. Schier unermesslich sind die individuellen, historischen und kulturellen Beschreibungen eines guten, gelingenden oder glücklichen Lebens. Es fällt deshalb schwer, die Einheit in der Vielfalt von Vorstellungen über das gute Leben zu bestimmen. In der Moderne sind zudem durch ein historisch unbekanntes Maß an Freiheit die Zweifel an dem Anspruch gewachsen, Verallgemeinerbares über das gute Leben sagen zu können. Demnach kann jede Person für sich selbst entscheiden, worin ihr gutes Leben besteht. Führt die Anerkennung dieses modernen Freiheitsgewinns tatsächlich dazu, Aussagen über das gute Leben nicht verallgemeinern zu dürfen? Können wir von der Antike lernen, in der die Frage nach dem guten Leben zu den Grundfragen der Philosophie zählte? Hängt das eigene Lebensglück auch vom Glück anderer Menschen ab? Welche Rolle spielt die Zeit für ein Gelingen menschlichen Lebens? Kommt ein gutes Leben ohne Sinn aus? Und welche sozialen und politischen Bedingungen setzt das gute Leben voraus?

 

19:00 Uhr, Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34

 

Das Programm

29.04. Prof. Dr. Christoph Horn, Institut für Philosophie, Rhein. Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Aktuelle Tugendethiken. Ihre Vorzüge und Grenzen

Die zeitgenössische Tugendethik ist ein Phänomen, dessen Wurzeln in der besonderen Situation der britischen Moralphilosophie der 1950er und 1960er Jahren zu suchen sind. Einen wichtigen Hintergrund ihrer Entstehung bilden einerseits Wittgensteins Überlegungen zum Sprachspiel, zur Lebensform und zum Regelfolgen in den 'Philosophischen Untersuchungen' (1953). Mit Wittgensteins epochalem Werk erlangte die Perspektive traditioneller Gemeinschaften und der Kontextbedingungen menschlichen Lebens eine neue Bedeutung. Was für jemanden richtig und verbindlich ist (sei es epistemisch, sei es moralisch), schien den Schülern des späten Wittgenstein nunmehr in weitaus höherem Maß eine Frage sozialer Zugehörigkeit und kommunitärer Herkunft zu sein, als man dies bis dahin annahm. In den Entstehungskontext der zeitgenössischen Tugendethik spielen andererseits aber auch Aristoteles und Thomas von Aquin mit hinein. Heute hat sich die tugendethische Position stark ausdifferenziert und stellt eine der attraktiven moralphilosophischen Theorien dar. Doch wie überzeugend ist sie genau besehen?     


27.05. Prof. Dr. Holmer Steinfath, Philosophisches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen
Glück oder gutes Leben?

Der Ausdruck „gutes Leben“ schillert. Man kann ihn so verstehen, dass das gute Leben mit dem glücklichen Leben zusammenfällt. Das gute Leben kann aber auch das Leben meinen, für das am meisten spricht und das insofern am wählenswertesten ist. Im Vortrag soll gezeigt werden, dass das Nachdenken über Glück von sich her auf die umfassendere Frage nach dem guten Leben im Sinn des wählenswertesten Lebens verweist. Diese Frage führt jedoch regelmäßig in Sackgassen, weil unklar bleibt, woher die Maßstäbe für die Bewertung eines Lebens als im umfassenden Sinn gut genommen werden sollen. Einen Ausweg könnte die Hinzunahme des Begriffs des „Sinns“ weisen, über den am Ende auch das Glück wieder ins Spiel kommt.


03.06. Prof. Dr. Ursula Wolf, Philosophisches Seminar, Universität Mannheim
Zwischen menschlichem Glück und Idee des Guten. Platons Frage nach dem guten Leben           

Die Frage, wie zu leben gut ist, steht im Zentrum der griechischen Philosophie. Sie zielt auf das wahrhafte Glück, auf ein vollkommen und dauerhaft gutes Leben; dieses aber ist, da das menschliche Leben existenzielle Spannungen (Aporien)  enthält, z.B. dem Wechsel von äußerem Glück und Unglück ausgesetzt ist, prinzipiell nicht realisierbar. Platons Lösung besteht darin, das vollkommen Gute auszulagern in die Idee des Guten, die unser Handeln im Hintergrund orientiert. Das führt zu einer Verschiebung der Frage nach dem guten menschlichen Leben, deren Sinn und Problematik in dem Vortrag aufgezeigt werden sollen.


10.06. Dr. Nora Kreft, Institut für Philosophie, Humboldt-Universität zu Berlin
Warum gehört Liebe zum guten Leben?                                          


01.07. Prof. Dr. Michael Hampe, Dept. Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften, ETH Zürich
Hoffnung und Erzählung. Zur nicht-essentialistischen Konzeption des guten Lebens

Was hat das gute Leben mit der Vermeidung von Leiden und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu tun? Der Vortrag behandelt diese Frage u.a. vor dem Hintergrund von Samuel Schefflers Buch ?Der Tod und das Leben danach?. Schefflers Sicht wird mit der des Anti-natalismus (David Benatar)  und des negativen Utilitarismus verglichen. Beide Sichtweisen bestimmen das Verhältnis vom Streben nach einem individuellem guten Leben und dem Leben in Kollektiven falsch. Anhand der Erzählung ?Der Tod des Ivan Iljitsch? von Leo Tolstoi wird das Verhältnis von Erkenntnis und Leid thematisiert; nicht immer ist Leidvermeidung eine gute Strategie im Leben. Schefflers auf kollektive Hoffnung gründende Interpretation des guten Lebens unterschätzt ebenso wie der Anti-natalismus den politischen Charakter von Aussagen über ein gutes kollektives Leben.

 

08.07. Prof. Dr. Monika Betzler, Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München
Autonomie und Wohlergehen

Können nur autonome Personen ein gutes Leben führen? Gehört Autonomie notwendig zu dem, was ein Leben gut macht?

Um diese Fragen zu beantworten, werden verschiedene Möglichkeiten untersucht, den Begriff der Autonomie und den Begriff des Wohlergehens zu explizieren, und wird die Kompatibilität dieser beiden Begriffe geprüft. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass nur ein bestimmter Begriff des Wohlergehens Autonomie angemessen berücksichtigen kann. Dies legt uns jedoch auch auf einen bestimmten Begriff der Autonomie fest und zeigt, dass nicht jede Art der Autonomie wertvoll ist.  

 

Sie können das Programm auch als Flyer herunterladen. 

 

 

Margarete-Bieber-Saal

Margarete-Biber-Saal (Karte)

 

 

Kontakt

Was hat das gute Leben mit der Vermeidung von Leiden und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu tun? Der Vortrag behandelt diese Frage u.a. vor dem Hintergrund von Samuel Schefflers Buch ?Der Tod und das Leben danach?. Schefflers Sicht wird mit der des Anti-natalismus (David Benatar)  und des negativen Utilitarismus verglichen. Beide Sichtweisen bestimmen das Verhältnis vom Streben nach einem individuellem guten Leben und dem Leben in Kollektiven falsch. Anhand der Erzählung ?Der Tod des Ivan Iljitsch? von Leo Tolstoi wird das Verhältnis von Erkenntnis und Leid thematisiert; nicht immer ist Leidvermeidung eine gute Strategie im Leben. Schefflers auf kollektive Hoffnung gründende Interpretation des guten Lebens unterschätzt ebenso wie der Anti-natislmus den politischen Charakter von Aussagen über ein gutes kollektives Leben.