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10. Kolumne: „Ich bin drin“ - und das immerzu!

Wo soll das nur enden? Elf Jahre ist es her, dass uns Boris Becker in einer Fernsehwerbung erklärte, wie leicht es sei, online zu gehen; „drin zu sein“ im Internet. Genau das wollten die Deutschen auch und schlossen massenweise Internetverträge ab. Heute will uns die Werbung erklären, dass das nicht mehr reicht. Man müsse immer und überall online sein: mit Handy, Smartphone, iPhone und Co. Was sich wie ein Wunschtraum der Hersteller und Werbeindustrie anhört, klingt in den Ohren vieler Verbraucher wie ein Albtraum. Doch so wie sich die Deutschen von der Interneteuphorie haben anstecken lassen - 2009 waren 67 Prozent aller Deutschen regelmäßig online -, so wird sich auch das „Immer und Überall Internet“ durchsetzen.
Dabei geht es nicht allein ums Konsumieren oder Geldausgeben. Sicherlich ist es nett, die eigene Ebay-Auktion auch von unterwegs beobachten zu können. Aber ob es wirklich vergnüglich ist, ein Onlinevideo auf dem Handydisplay zu schauen, darf bezweifelt werden. Entscheidender ist, dass das Handy mit Internetanschluss zum Schlüssel zur Onlinewelt wird. Außerdem - und das ist der Clou - hilft es, Online- und Offlinewelten vernünftig miteinander zu verbinden. Nützlich könnten Musikflatrates direkt aufs Handy sein. Der passende Soundtrack für alle Lebenslagen wäre immer und überall verfügbar. Online-Dienste dafür gibt es bereits, aber noch stehen dem rechtliche Probleme im Weg. Die Kamera im Telefon wird die Internet-Suche revolutionieren. Statt umständlich die Wörter „Johannes-Kirche Gießen“ einzutippen, reicht ein Foto des Gebäudes und Informationen wie Baujahr, Architekt oder der nächste Konzerttermin sind sofort zur Hand. Diesen Dienst gibt es bereits. Er heißt Google Goggles, aber auch dieser wird noch wegen datenschutzrechtlicher Bedenken zurückgehalten. Apropos Datenschutz: Mit dem mobilen Internet werden nicht nur die Onlineaktivitäten der Nutzer nachvollziehbar, sondern auch deren Standorte und Bewegungen. Das können die Schattenseiten der unbegrenzten mobilen Möglichkeiten sein. Wo soll das nur enden? (Karin Knibba) / (Michael Bartel)

Diese Kolumne erschien am 05.11.2010 im Gießener Anzeiger.