Inhaltspezifische Aktionen

4. Kolumne: Wer twittert – und wenn ja warum?

Was ist von einem Internetphänomen zu halten, das zwar von vielen Netz-Aktivisten und Enthusiasten in den Himmel gelobt wird, bei dem jedoch selbst manche Internet-Profis bekennen, dass sie nicht recht wissen, was das eigentlich soll? Die Rede ist vom Kurznachrichtendienst Twitter. Gerade in dieser Woche hat er wieder für Schlagzeilen gesorgt und wegen einer Sicherheitslücke die Netzgemeinde auf Trab gehalten. Doch wie kann ein Nachrichtendienst für Botschaften von lediglich 140 Zeichen so viel Furore machen? Dazu ist es wichtig zu verstehen, wie Twitter funktioniert. Denn die kleinen Nachrichten werden nicht an genau definierte Adressaten geschickt, sondern an eine bunt zusammen gewürfelte Freundesliste, die so genannten Follower. Selten sind dies wahre Freunde, sondern meist Menschen mit spezifischen Interessen, die ihr Wissen oder einfach Tratsch mit der Twittergemeinde teilen. Das können Promis wie Britney Spears, hochdekorierte Wissenschaftler oder Politiker und Entscheider aus der Wirtschaft sein. Ein Stocken des Informationsflusses aufgrund eines Sicherheitslecks lässt dann für viele Nutzer vielleicht nicht die Welt, aber doch ein lebenswichtiges Netzwerk zusammenbrechen. Denn genau dies ist der Kern von Twitter: das schnelle, unkomplizierte „netzwerken“ und der blitzschnelle Versand von Informationen. Dazu braucht es nicht mal einen Computer. Handy genügt.
Unter Beweis gestellt bei der Bundespräsidentenwahl von Horst Köhler im Mai 2009. 15 Minuten vor der offiziellen Verkündung des Ergebnis wusste die Twittergemeinde schon Bescheid. Das Echo in den Medien war groß. Und so waren bei der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten Trittbrettfahrer mit gezielt gestreuten Falschinformationen nicht weit.
Das Tempo von Twitter, das Informationsdauerfeuer kann dabei so verrückt und schwindelerregend sein, dass nicht wenige den Überblick verlieren. Wer jedoch permanent auf dem Laufenden sein will, für den ist Twitter ein Segen. Und dem reichen dann auch 140 Zeichen. Denn: Weniger ist oft mehr. (Michael Bartel)

Diese Kolumne erschien am 24.09.2010 im Gießener Anzeiger.