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Pressemitteilung: Community-basierter Faktencheck in sozialen Netzwerken

Wirtschaftswissenschaftler der Universität Gießen analysiert Erfolg der Twitter-Funktion Birdwatch

Pressemitteilung vom 28. Juni 2022

Seit Anfang 2021 können sich Nutzerinnen und Nutzer des sozialen Netzwerks Twitter mit der neuen Funktion Birdwatch am Faktencheck von Tweets beteiligen. In der Pilotphase in den USA können Nutzerinnen und Nutzer Tweets, deren Wahrheitsgehalt sie anzweifeln, mit einer so genannten Birdwatch Note kommentieren und ihre Richtigstellung mit Quellen belegen. Anschließend bewerten andere Nutzerinnen und Nutzer, wie hilfreich dieser Kommentar ist.

Auf Basis von 11.802 untersuchten Birdwatch Notes und 52.981 Bewertungen zeigt Dr. Nicolas Pröllochs, Professor für Data Science & Digitalisierung an der Justus-Liebig-Universität Gießen, wie Nutzerinnen und Nutzer mit Birdwatch interagieren und welche Kommentare als vertrauenswürdig eingestuft werden. Dafür hat der Wissenschaftler im Zeitraum von Januar 2021 bis Ende Juli 2021 alle veröffentlichten Birdwatch Notes inhaltlich mit der Methode des Text Minings und verschiedenen statistischen Analyseverfahren ausgewertet.

„Nutzerinnen und Nutzer melden mit Birdwatch Tweets, die entweder sachliche Fehler enthalten, keinen relevanten Kontext haben oder ungeprüfte Behauptungen als Fakten behandeln. Meine Studie zeigt außerdem, dass Birdwatch Notes von anderen Nutzerinnen und Nutzer als hilfreicher bewertet werden, wenn sie in einem positivem Schreibstil verfasst sind und auf vertrauenswürdige Quellen, wie beispielsweise wissenschaftliche Studien und Artikel von unabhängigen Nachrichtenredaktionen verweisen“, sagt Prof. Dr. Nicolas Pröllochs.

„Interessant war es auch zu sehen, welche Interaktionen es innerhalb der Community der Nutzerinnen und Nutzer gibt, die einen Tweet mit Birdwatch kommentiert haben. Posten Nutzerinnen und Nutzer einen Faktencheck zu einem Tweet einer Nutzerin oder eines Nutzers mit vielen Followerinnen und Followern, führt das in der Community häufig zu weiteren Diskussionen zur Glaubwürdigkeit. Diese Faktenchecks werden also häufiger als wiederum falsch bewertet. Die Birdwatch Notes zu Accounts mit weniger Followerinnen und Followern erzielen andererseits schneller einen Konsens“, sagt Prof. Dr. Nicolas Pröllochs.

Diese Ergebnisse der Studie können soziale Netzwerke – wie Twitter – dabei unterstützen, Richtlinien für Nutzerinnen und Nutzer zu entwickeln, wie sie einen inhaltlich untermauerten Faktencheck verfassen können.


Adaption für Deutschland

Aktuell gibt es den Community-Check durch Twitter Birdwatch nur für englischsprachige Tweets. Neben der Funktion Birdwatch arbeitetet Twitter in den USA auch mit den Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters zusammen, um in Debatten zuverlässige Informationen verfügbar zu machen. „Auch in Europa und Deutschland sehen wir, dass Twitter eines der meistgenutzten sozialen Netzwerke ist, wenn es um die Verbreitung von Falschnachrichten geht. Das erleben wir beispielsweise in der Corona-Pandemie. Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn Twitter Birdwatch perspektivisch auch in Deutschland nutzbar ist“, sagt Nicolas Pröllochs.


Forschung

Der wissenschaftliche Artikel „Community-Based Fact-Checking on Twitter's Birdwatch Platform“ (peer reviewed) von Nicolas Pröllochs ist im Juni 2022 im Tagungsband der International Conference on Web and Social Media erschienen und steht hier zum Download bereit.

Die Studie wurde innerhalb eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts durchgeführt und nicht von Twitter finanziert.

 

Prof. Dr. Nicolas Pröllochs / Foto: privat