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Fach-Tag Geschichte am 20. November 2013

Das Programmangebot des Fachtages 2013 sollte transnationale Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg eröffnen und vertiefen und auf das Gedenkjahr 2014 vorbereiten.
Im Eröffnungsvortrag „Der Erste Weltkrieg in neuer Perspektive - Wegmarke des europäischen Gedächtnisses?“ wies Prof. Dr. Dirk van Laak darauf hin, dass der Erste Weltkrieg und die Erinnerungskultur in Großbritannien, Frankreich und Belgien sehr viel präsenter als in Deutschland seien, wo die Erinnerung bis heute sehr stark durch den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust geprägt sei. Im engeren Sinne gehöre der Erste Weltkrieg auch nicht mehr zur Zeitgeschichte, da es keine lebenden Zeitzeugen mehr gebe. Schlaglichtartig führte der Vortrag einerseits durch nationale Stereotypisierungen der beteiligten Völker und künstlerische Verarbeitungen (Bsp. Otto Dix), andererseits vertiefte er technische Entwicklungen (Bsp. Maschinengewehr, Flammenwerfer, Feuerkraft der Geschütze usw.), neue Dimensionen der militärischen Konfrontation (Luft-, U-Boot- und Gaskrieg) und thematisierte den Frontalltag, Propaganda, Zwangsarbeit und die Rolle der Frau an der Heimatfront. Besonderes Augenmerk legte Herr v. Laak auch auf die heute wieder in den Fokus geratene Quellengattung der Feldpostbriefe als wichtige Quellen für das Alltagsleben der Soldaten und ihrer Familien. An dieser Stelle wurde auch das besondere Potenzial aktueller Geschichtsportale im Internet (s. u.) deutlich und die steigende Verfügbarkeit digitalisierter Quellen aus verschiedenen Ländern, wodurch zu bestimmten Ereignissen transnational historische Sachverhalte rekonstruiert werden können.

Der Vortrag führte die ganze Breite der Bedeutung des Ersten Weltkrieges für Politik, Kultur und soziale Folgen und nationale Differenzen vor Augen. In diesem Zusammenhang kamen auch die Verantwortung Wilhelms II., die Kolonialpolitik der europäischen Großmächte und die historische wie aktuelle Forschungsdiskussion zur Kriegsschuldfrage zur Sprache (Literaturhinweise s. u.).

Mit dem Hinweis auf Claus Leggewies „Der Kampf um die europäische Erinnerung“ (2011) wurde auch die Bedeutung des Ersten Weltkrieges als europäischen Erinnerungsortes, wie auch auf die aktuelle Diskussion um das Vorhandensein eines gemeinsamen europäischen Bewusstseins thematisiert. Abschließend kommt Herr v. Laak zu dem Urteil, dass es bzgl. der Forschungslage in jüngster Zeit wie auch zukünftig vermutlich zu keinen überraschenden neuen Erkenntnissen kommen wird. Gleichwohl gebe es neue Forschungsbereiche wie „Sound History“ und neue Deutungsgebiete wie das gesamteuropäische Gedächtnis, für die der Erste Weltkrieg ein wichtiges Ereignis darstellt.

In der anschließenden Diskussion wurde betont, dass der Rahmenplan mit verschiedenen Inhalten überfrachtet sei, so dass einerseits die notwendige globalhistorische Perspektive wie andererseits die Folgen des Ersten Weltkrieges bis in die Gegenwart in der unterrichtlichen Umsetzung zu kurz kämen. Es wurde bemängelt, dass der Erste Weltkrieg in der Regel im Geschichtsunterricht nicht mit genügend Raum als eigenständiges Thema behandelt werde, sondern als Übergangsthema zum Abschluss des 19. Jahrhunderts und zum Übergang in die Weimarer Republik und als Erklärung für den Aufstieg des Nationalsozialismus.

Bevor die beiden folgenden Vorträge am Nachmittag stattfanden, gab es ausreichend Gelegenheit, die Präsentation zu regionalgeschichtlichen Materialien und Dokumenten (Dr. LUDWIG BRAKE, Stadtarchiv Gießen; Materialien hier und hier) und die Buchpräsentation (Büchertisch) zu aktuellen Neuerscheinungen im Bereich der Jugendliteratur (MONIKA ROX-HELMER) zu begutachten und Anregungen für unterrichtspraktische Realisierungen zu erhalten.

Professor Dr. Wolfgang Hallet vertiefte im ersten Teil seines anschließenden Vortrages „Teaching the Great War in a Foreign Language. Content and Language Integrated Learning in the History Classroom“ die Frage „Wozu historisches Lernen in der fremden Sprache?“, um im zweiten Teil die afrikanisch-amerikanische Perspektive bzgl. „The Great War“ herauszustellen, nicht zuletzt um dadurch auch die besonderen Chancen des Fachunterrichts in einer fremden Sprache praxisnah darzulegen. Professor Hallet hob die Tatsache hervor, dass ein transkultureller Diskursraum zur Überwindung nationaler Perspektiven eine Notwendigkeit darstelle und im fremdsprachigen Geschichtsunterricht nationale Narrative grundsätzlich transnational und multiperspektivisch verarbeitet werden. Die Schülerinnen und Schüler könnten über ihre eigenen Erfahrungen, über Sachverhalte der zielsprachlichen Kultur und über Phänomene von kulturübergreifender oder universaler Bedeutung sprechen („Bilinguales Dreieck“). Unter Verweis auf Emmett Jay Scotts “Official History of the American Negro in the World War” (1919), die auf offiziellen Quellen beruht und die Beteiligung der African Americans am „World War for democracy“ darstellt, betont Herr Hallet die Breite thematischer Möglichkeiten für den bilingualen Geschichtsunterricht und die Bedeutung des Krieges für die Geschichte der Rassendiskriminierung. Insgesamt hebt Herr Hallet die besonderen Chancen von fremdsprachlichem Fachunterricht hervor, Bildungschancen insgesamt zu erhöhen, da gerade Sprache der wichtigste Schlüssel zu Bildung sei und die deutsche Sprache hierfür gerade ein Problem für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache darstelle.

Vortrag Hallet

Vortrag Prof. Wolfgang Hallet

 

Im letzten Vortrag stellten Steven Stegers (EUROCLIO Projekt Manager) und Sylvia Semmet (EUROCLIO Vorsitzende) EUROCLIO mit seinen Aufgaben und Zielen als Dachverband von ca. 77 Geschichtslehrerverbänden aus 49 Ländern vor. Sie verwiesen im Folgenden auf die für den Ersten Weltkrieg immer noch stark verbreiteten verengten binationalen Geschichtsbilder (Bsp. Frankreich-Deutschland/Österreich-Italien), die aktuell durch die Nutzung von digitalen Lernplattformen wie dem HISTORIANA-Projekt für Lernende und Lehrende der Geschichte erweitert werden könnten - insbesondere auch durch die Beteiligung von dreißig Ländern und die Bereitstellung entsprechend unterschiedlicher und multiperspektivischer Quellen- und Unterrichtsmaterialien in englischer Sprache. Die Website stellt somit eine Alternative oder Ergänzung zu europäischen Geschichtsbüchern dar. Lehrende können neue Materialien entwickeln und diese dort hochladen. Anschließend bewertet ein Expertengremium die Materialien und entscheidet, ob diese veröffentlicht werden, wodurch eine einheitliche Qualität gewährleistet werde.
In der abschließenden Gesprächsrunde zu den Themen und Vorträgen des Fachtages werden u.a. Probleme bzgl. der Standardisierung angesprochen, die durch die individuelle Profilbildung der Schulen aufgrund eigener Curricula entstünden. Es kommt zu einem regen Austausch bzgl. administrativ-rechtlicher Fragen zum Abitur. Außerdem wird der Wunsch geäußert, sich stärker zu vernetzen und Informationen wie zu bilingualen Aspekten schneller auszutauschen (Adresse s. u.). Thematisch wird am Beispiel des Ersten Weltkrieges diskutiert, ob und inwiefern der Lehrplan inhaltlich reduziert werden könnte und gleichzeitig Kompetenzen durch exemplarisches Lernen gefördert werden könnten. Wiederholt werden die mangelnde Gestaltungsfreiheit im Curriculum und die ausgeprägten bürokratische Kontrollmechanismen angesprochen.

Vortrag Euroclio

Vortrag EUROCLIO

 

Literatur zum Ersten Weltkrieg (aus dem Vortrag von Prof. v. Laak)

  • Philip Witkopp (Hg.): Kriegsbriefe gefallener Studenten, München 1928
  • Modris Eksteins: Tanz über Gräben. Die Geburt der Moderne und der Erste Weltkrieg, Reinbek 1990
  • Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz (Hg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u.a. 2003
  • Geert Mak: In Europa. Eine Reise durch das 20. Jahrhundert, Berlin 2005
  • Sönke Neitzel: Weltkrieg und Revolution. 1914-1918/19, Berlin 2008 (auch bei der Landeszentrale für Politische Bildung in Wiesbaden)
  • Claus Leggewie: Der Kampf um die europäische Erinnerung, München 2011
  • Peter Englund: Schönheit und Schrecken. Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen, Berlin 2011 (auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn)
  • Christopher Clark: Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013

 

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Ansprechpartner: Herr Dr. Schrecker und Herr Macui
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Mosbacher Straße 57-59
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