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Italien

 


1934 bereiste Alfred Andersch zum ersten Mal Italien. Von der Atmosphäre des Landes begeistert, reiste er immer wieder dorthin. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Übersiedlung des Autors und seiner Familie ins italienisch geprägte Tessin 1958 mit als Ausdruck seiner Begeisterung für Landschaft und Kultur südlich der Alpen verstehen. Auch in literarischer Hinsicht fand Andersch in Italien Anregungen; Städte wie Neapel, Rom und Venedig wurden zu Schauplätzen von Romanen und Erzählungen. An erster Stelle ist hier der Roman „Die Rote“ zu nennen, Anderschs Italienroman, dessen Handlung in Venedig angesiedelt ist.


Bewusst wählt Andersch die Stadt als Romankulisse, blickt das vergangenheitsträchtige Venedig doch auch auf eine lange Geschichte als literarischer Raum zurück. Die Stadt wird zum Bedeutungsträger. Wie Italo Michele Battafarano betont, versinnbildlicht der „Inselcharakter“ der Lagunenstadt den Gegensatz von Freiheit und Abhängigkeit. Zum Einen ist das von Wasser umgebene Venedig für Franziska ein Zufluchtsort, in dem sie untertauchen kann.


Ohne nachzudenken flieht sie dorthin und fühlt sich im Nebel der Stadt gut versteckt, paradoxerweise lässt er sie leichter atmen.


 

Der Gardasee in Italien


Venedig scheint der perfekte Ort für Franziska; in der Anonymität und Undurchsichtigkeit der Stadt kann sie zu sich selbst finden.

Zum Anderen jedoch verkörpert der Eindruck eines vom Festland abgeschnittenen Ortes die Befangenheit und Abhängigkeit Franziskas von den Männern in ihrem Leben. Als Franziska aus Venedig fliehen will, scheint dies durch den Inselcharakter der Stadt unmöglich. Darin wird verdeutlicht, wie schwer es für die Protagonistin ist, aus ihrem Leben auszubrechen.


Auch vermittels intertextueller Verweisungen verankert Andersch seine Romanhandlung im italienischen Kontext, indem er Michelangelo Antonionis Film „Il grido“ / „Der Schrei“ (1957) aufgreift. Fabio Crepaz erzählt diesen unter dem Titel „das Meer“ nach. Dadurch wird Italien in seinen Funktionen als Inspirationsquelle und räumlicher Bedeutungsträger für den Roman nochmals hervorgehoben.

 

 

Sekundärliteratur:

 

Eitel, Wolfgang: Alfred Andersch und Italien. In: Zu Alfred Andersch. Hrsg. von Volker Wehdeking. Stuttgart: Ernst Klett 1983. S.28-36.

 

Michel, Karl Markus: Die Rote. In: Über Alfred Andersch. Hrsg. von Gerd Haffmas. Zürich: Diagones Verlag 1974. S. 66-70.

 

Battafarano, Italo Michele: Alfred Andersch Italie-Roman „Die Rote“: Zwischen Claudio Monteverdi und Michelangelo Antonioni. In: Alfred Andersch. Perspektiven zu Leben und Werk. Hrsg. von Irene Heidelberger und Volker Wehdeking. Opladen: Westdeutscher Verlag 1994. S. 109-119.