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Beschreibung


Seit Russland am 24. Februar 2022 seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, steht die Ukraine nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit und Wissenschaft, sondern auch weltweit im Fokus. Viele Veranstaltungen zum Thema haben allerdings aufgezeigt, dass die Beschäftigung mit dem laufenden Krieg und seinen Auswirkungen auf die ukrainische Gesellschaft und Kultur, sowie die Ukraine-bezogene Forschung im Allgemeinen häufig von einer ethisch begründeten strategischen Verengung der methodischen Ansätze und analytischen Instrumente geprägt sind. Die bewusste Einbeziehung ukrainischer Stimmen hat hier keine wesentliche Änderung gebracht. Dies umso mehr, da viele ukrainische Sprecher*innen ein "Canceling" der russischen Kultur als imperialer Kultur und der Kultur des Aggressors forderten. Versuche, den Diskurs über die Ukraine und den Krieg zu entradikalisieren, wurden wiederum oft als "Westsplaining" abgetan. Dies schloss öffentliche wie wissenschaftliche Diskussionen über die interkulturellen Einflüsse und Verflechtungen weitestgehend aus.

Wie sollten (und könnten) die Ukraine - und der Krieg in der Ukraine - in ihrer ganzen Komplexität erforscht und besprochen werden? Wie können historische, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verflechtungen adäquat analysiert werden? Welche Themen oder methodischen Ansätze sind aus ethischen Gründen, oder weil sie vermeintlich "dem Aggressor in die Hände spielen", besonders umstritten? Wie kann eine Neuorientierung der Osteuropastudien und Slavistik auf die Ukraine und andere "kleine" Slavinen methodisch, institutionell und strukturell durchgeführt werden? Auf welche Weise können die Ergebnisse einer solchen Neuorientierung Entscheidungsträger*innen und Politiker*innen zugetragen werden?

Der UNDIPUS-Workshop, der vom UNDIPUS-Projekt gemeinsam mit dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) und dem Leibniz-Zentrum für Literatur und Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) organisiert wurde, knüpfte an diese Debatten an. Dabei versuchten die Referent*innen, einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Diskussion um die „Dekolonisierung“ der Ukraine und dem in den transnationalen Postcolonial und Decolonial Studies entwickelten Begriffsapparat herzustellen. Das Ziel war, das analytische Potenzial der post- und dekolonialen Begrifflichkeiten im Kontext der Ukraine-Studien auszuloten und neue Ideen sowie theoretische Modelle zur Erklärung des aktuellen Krieges zu entwickeln. Angesichts der Komplexität und des dynamischen Charakters globaler kolonialer Beziehungen strebte der Workshop danach, den wissenschaftlichen Dialog über die Perspektiven des Dekolonisierungsprojekts in der Ukrainistik zu fördern, ohne hierbei die zunehmende politische Instrumentalisierung der dekolonialen Terminologie außer Acht zu lassen.

Der Workshop wurde am 8. Dezember 2022 mit der Podiumsdiskussion "Navigating Ukrainian Studies in Time of War" am ZOiS eröffnet. Am 9. Dezember fand am ZfL der „akademische“ Teil der Veranstaltung statt, in dessen Mittelpunkt drei Impulsvorträge standen (siehe Programm).