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Positionspapier des Forschungszentrums Tierschutz zu der medialen Berichterstattung über „Pumuckel das Minipony“

Die in den letzten Wochen und Monaten auf zahlreichen Social-Media Kanälen zu findenden Beiträge über „Pumuckel das Minipony“ veranlassten das Forschungszentrum Tierschutz der Justus-Liebig-Universität Giessen dazu, sich mit der Art der Berichterstattung über das „winzigste Pferd der Welt“[1] auseinanderzusetzen und gezielt Redaktionen zu kontaktieren, um mit diesen über die mediale Darstellung des Tieres in den Dialog zu treten.

Das in den Berichten gezeigte Pony weist eindeutige Merkmale einer Beeinträchtigung auf und hat Grunderkrankungen, welche sich unmittelbar auf Lebensqualität- sowie -erwartung auswirken (klinische Bilder einer sogenannten Qualzucht). Das Forschungszentrum Tierschutz der Justus-Liebig-Universität Giessen geht davon aus, dass dieser Umstand für Laien nicht vollumfänglich ersichtlich sein muss, sodass Rezipient_innen der Berichte die mit den Krankheitsbildern zusammenhängenden Leiden des Tieres nicht wahrnehmen - Im Gegenteil werden die speziellen phänotypischen Attribute des Ponys als besonders niedlich und liebenswert rezipiert, obwohl eben diese konkrete Ausformungen von schwerwiegenden Pathologien sind.

Aufgrund ihrer selektierten Zucht auf extreme Kleinheit besitzen sogenannte Miniponys zahlreiche Dispositionen zu Erbkrankheiten. Typische Erkrankungen sind Missbildungen des knöchernen Skelettes im Schädel- und Beinbereich, welche zu Kieferfehlstellungen sowie massiven Lahmheiten führen können. Die bei diesen Züchtungen häufig verformte Luftröhre (Trachealkollaps) stellt ebenfalls ein ernstzunehmendes Problem für die einzelnen Tiere dar; das Risiko einer starken Atemnot ist bereits in Ruhezuständen gegeben und steigt weiter in Belastungssituationen, welche bis hin zu tödlich verlaufenden Erstickungsanfälle führen können. Auch neigen Miniponystuten aufgrund ihrer geringen Körpergröße mitunter zu schwerwiegenden Geburtskomplikationen, da die Fohlen zu groß für die Becken der Mütter sind.[2]

Zu unserem Bedauern wird dieser medizinische Hintergrund des Tieres in keiner der gesichteten Berichterstattungen angemessen thematisiert. Durch Musik, Szenenauswahl und Narration wird in den Berichten ein Storytelling etabliert, welches das Tier ungeachtet seiner Einschränkungen als reines Feel-Good Motiv zeichnet. Statt eine kritischen Rezeption von extrem klein gezüchteten Tieren zu fördern, evozieren die in dieser Form medial generierten Narrative eine weiterhin ansteigende Beliebtheit und fördern somit die Nachfrage von tierschutzrelevanten Züchtungen.

Eine weitere problematische Dimension in der Berichterstattung findet sich in der Darstellung des Shetland-Ponys als „Therapie-Tier“. In zahlreichen Kurzreportagen ist zu sehen, wie das Tier seine Besitzerin in Einrichtungen der Altenpflege oder in Schulen begleitet, um hier mit den Bewohner_innen respektive Schüler_innen in Interaktion zu treten. Die Umsetzung solcher Tiergestützten Dienstleistungen unterliegt strengen Qualitätsstandards, welche von vornherein erkrankte Tiere aus dem therapeutischen Einsatz ausschließen. Die körperliche und psychische Gesundheit der  Tiere und ihr Wohlbefinden sowie die Belastbarkeit und gute Kondition sind wesentliche Grundvoraussetzungen[3] die ein in dieser Form eingesetztes Tier erfüllen muss Dr. Katharina Ameli arbeitete in ihrer Monographie zur Professionalisierung tiergestützter Dienstleistungen allgemeine Kompetenzanforderungen an tiergestützte Dienstleistungen heraus und betont, dass vor allen Dingen Wissen und Reflexionsfähigkeit wesentliche Qualitätskriterien in der tiergestützten Arbeit darstellen. Dies bedeutet, dass auch veterinärmedizinisches Wissen in den Fokus rücken muss sowie Kenntnisse zu Ethologie und Physiologie des eingesetzten Tieres in ausgeprägter Weise bekannt sein müssen. Dieses Wissen muss dementsprechend fortlaufend durch veterinärmedizinische Grundlagen zu Krankheitsbildern von Tieren sowie durch Wissen um Tierschutz und Tierhaltung ergänzt werden.[4] Es muss an dieser Stelle deutlich hervorgehoben werden, dass das Wohlbefinden der Tiere eine wichtige Rolle in der Gestaltung einer positiven Mensch-Tier-Interaktion spielt. Um dies zu gewährleisten, sind ein hohes Maß an professionellem Verhalten und die Berücksichtigung der Rolle des Tieres zu jederzeit erforderlich.[5]

Das Pony und die in den Medien gezeigten Interaktionen mit ihm erfüllen all die genannten Anforderungen nicht, sodass sein Einsatz in diesem Bereich hinsichtlich seiner Tierschutzkonformität durchaus kritisch hinterfragt werden muss.

Update vom Juni 2023: Neben dem problematischen Einsatz als „Therapie-Pferd“ wird Pumuckel aktuell in zahlreichen medialen Formaten als sogenanntes Holzrückepferd vermarktet. Holzrückepferde ziehen, beziehungsweise „rücken“, im Wald gefällte Baumstämme in unwegsamem Terrain bis zur nächstgelegenen Straße, wo die Stämme dann meist mit schwerem Gerät abgeholt werden. Diese Tätigkeit wird aufgrund der benötigten hohen Zugkraft meist von gut trainierten Vertretern leistungsfähiger Kaltblutrassen verrichtet. Nun wurde mehrfach darüber berichtet, wie das Minipony bei einer Holzrückemeisterschaft vorgestellt wurde und im Zuge des Wettbewerbs aufgrund seiner Leistung, sein eigenes Körpergewicht (laut Angaben in den Berichten 41 Kilogramm) zu ziehen, mit einem Eintrag als „kleinstes Rückepferd“ ins Guiness-Buch der Rekorde ausgezeichnet wurde.

Die Vorstellung des augenscheinlich beeinträchtigten und mit 3 Jahren noch nicht einmal ausgewachsenen Tieres bei einem solchen Wettbewerb ist, ebenso wie sein Einsatz als „Therapie-Tier“, hinsichtlich seiner Tierschutzkonformität deutlich kritisch zu hinterfragen.

Beratungsangebot bei journalistischen Anfragen

Das ForTis versteht die Massenmedien im Sinne Köhlers als sozialen Bereich zur Konstruktion von gesellschaftlichem Wissen[6] und schreibt journalistischen Narrationen dementsprechend eine Verantwortlichkeit zu, die gewählte Form der Berichterstattungen auch der gesellschaftlichen Aufklärung im Sinne des Tierschutzes zu widmen. Die Umsetzung dieses Auftrages können wir leider bisher in keinem der von uns gesichteten Beiträge zu „Pumuckel“  verzeichnen.

Um langfristig wissenschaftskommunikativ zur Implementierung des Tierschutzes in die breitere Gesellschaft beizutragen, möchten wir gerne in den Dialog treten und stehen bei journalistischen Anfragen bezüglich der Berichterstattung über Tiere (mit oder ohne Einschränkungen) beratend zur Verfügung.

Hier finden Sie unsere Stellungnahme als PDF zum Download.


[1] Vgl. Weiner/Unverfert, 2022

[2] Vgl. TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. Merkblatt zur Haltung von Miniponys Merkblatt Nr. 126 2010, S. 8

[3] Vgl. Wohlfahrt/Olbrich 2014, S. 13 sowie TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. Nutzung von Tieren im sozialen Einsatz Merkblatt Nr. 131.9 Pferde 2010, S.9

[4] Vgl. Ameli 2016, S.290 ff.

[5] Vgl. Ameli/Braun/Krämer 2023, S.3

[6] Vgl. Köhler 2009, S. 10f.

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Quellen

Ameli, Katharina/ Braun, Theresa/ Krämer, Stephanie (2023):  Animal-Assisted Interventions and Animal Welfare—An Exploratory Survey in Germany. Animals 2023, 13, 1324.

Ameli, Katharina (2016): Die Professionalisierung tiergestützter Dienstleistungen: von der Weiterbildung zum eigenständigen Beruf. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

Köhler, Sebastian (2009): Die Nachrichtenerzähler. Zu Theorie und Praxis nachhaltiger
Narrativität im TV-Journalismus. Baden-Baden: Nomos.

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (2010): Merkblatt zur Haltung von Miniponys. Merkblatt Nr. 126 Merkblatt zur Haltung von Miniponys. Herunterladbar unter: https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_126_Miniponys__2010_.pdf&did=80          (zuletzt abgerufen am 02.11.2022)

TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.(2010): Nutzung von Tieren im sozialen Einsatz. Merkblatt Nr. 131.9 Pferde. Herunterladbar unter: https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_126_Miniponys__2010_.pdf&did=80  (zuletzt abgerufen am 02.11.2022)

Weiner, Bianca/ Unverfert, Lisa (05.10.2022): Pumuckel ist das winzigste Pferd der Welt. Klein, aber immer nah am Futter [online] https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/pumuckl-ist-das-winzigste-pferd-der-welt-klein-aber-immer-nah-am-futter-81520234.bild.html  (zuletzt abgerufen am 02.11.2022)

Wohlfahrt, Rainer/ Olbrich, Erhard (2014): Leitfaden Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Praxis tiergestützter Interventionen. Wien, Zürich: ESAAT und ISAAT.