Inhaltspezifische Aktionen

Kommentar: Hochschuldidaktische Befunde und deren Nutzung für die Beratung von Lehramtsstudierenden [14. Oktober 2021]

Beitrag von Prof. Dr. Edith Braun im Newsletter der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" 4 | 2021

Wie könnte eine Studierendenberatung institutionell verankert sein? Und welche Erkenntnisse der Hochschulforschung zu Studium und Lehre können für eine professionelle Beratung von Studierenden und Studieninteressierten hilfreich sein? Dr. Edith Braun, Professorin für Hochschuldidaktik mit dem Schwerpunkt Lehrkräftebildung an der Universität Gießen, stellt anhand dieser Fragen den Zusammenhang von Hochschuldidaktik und der Beratung von Studierenden des Lehramts dar.

Ein Kommentar von Prof. Dr. Edith Braun

Der Zusammenhang von Hochschuldidaktik und Beratung von Studierenden liegt vielleicht nicht gleich auf der Hand. Hochschuldidaktik richtet sich augenscheinlich zunächst an Lehrende, inneruniversitär tritt sie oftmals als Anbieter von Fortbildungen für konkrete Unterrichtsgestaltung in Erscheinung. Aber Hochschuldidaktik widmet sich seit ihrer formalen Konstituierung im Rahmen der Bundesassistenzenkonferenz 1970 genuin auch der innerhochschulischen Entwicklung von Curricula und der Studienorganisation, also auch der Organisation und Entwicklung von Lehre und Studium, genauso wie die hochschuldidaktische Forschung das Lernverhalten der Studierenden und deren Interaktion mit der hochschulischen Lernumwelt exploriert. Wenn nun also die Lernumwelt Hochschule und das Lernverhalten von Studierenden zentraler Forschungsgegenstand der Hochschuldidaktik ist, liegt es nahe, diese Erkenntnisse auch in die Beratung von Studierenden einfließen zu lassen.

Hochschuldidaktische Forschung zur Organisation

Zunächst zum ersten Punkt: Wie kann eine hochschulinterne, institutionell verankerte Studierendenberatung aussehen? Da es immer naheliegend ist, bei der eigenen Organisation zu starten, verwende ich die Zentrale Studienberatung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) als Praxisbeispiel. Die zentrale Studienberatung wird von der Vizepräsidentin für Studium und Lehre geleitet und operativ von den Mitarbeitenden des "Büro für Studienberatung" seit Jahrzehnten umgesetzt. Strukturell handelt es sich also um eine zentrale Einrichtung, die entsprechend ihres Auftrags, Studierende aller Fachbereiche und genauer aller Studiengänge unterstützt.

Nun kommt der Beratung von Lehramtsstudierenden eine besondere Bedeutung zu. Nicht nur, dass besonders viele Studierende sich für diesen Studiengang entscheiden, ein Lehramtsstudium umfasst auch mindestens zwei Fächer und ein bildungswissenschaftliches Curriculum, das heißt ein Lehramtsstudium ist keiner bestimmten Disziplin zuzuordnen. Schon allein dadurch ergibt sich in der Beratung für Studierende der Bedarf an die Beratenden, die hochschulinterne Struktur zu verstehen. Nicht selten, so auch an der JLU, gibt es Beraterinnen und Berater, die sich für Lehramt spezialisiert haben, um der großen Anzahl von Ratsuchenden gerecht zu werden und zudem sind sie nicht an einem Fachbereich, sondern zentral an der Hochschulleitung angesiedelt. Übrigens geben unter dem Titel "Neue Held*innen braucht das Land" eine Studienberaterin im Podcast der "Gießener Offensive Lehrerbildung" viele Tipps für Interessierte an einem Lehramtsstudium. Um diesen Gedankengang abzuschließen, möchte ich festhalten, dass hochschuldidaktisches Wissen über die Organisation von Studiengängen, insbesondere für Lehramt, eine bedeutsame Grundlage für eine gute Beratung von Studierenden ist, und eine formale, zentrale Anbindung, gerade für die Beratung für das Lehramt, hilfreich erscheint.

Selektion versus Beratung

Eine weitere Überlegung befasst sich mit Erkenntnissen hochschuldidaktischer Forschung zur Frage, welcher Rolle einer guten Studienberatung zukommen kann. Ganz generell wird der "Person-Environment-Fit"-Ansatz nach Kristof-Brown oftmals in der Beratung und Auswahl von Studieninteressierten angewendet. Sehr stark verkürzt könnte man sagen, dass die Untersuchungen aus diesem Ansatz darauf abzielen, besonders "geeignete" Studieninteressierte für ein Fach zu gewinnen. Als geeignet werden dabei jene Personen betrachtet, welche eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen den persönlichen Fähigkeiten und den Anforderungen eines Studiums aufzeigen. Daher werden zum Beispiel in Studieneingangsverfahren oftmals Wissen und Intelligenz erhoben, mit der Argumentation, dass Personen, die bereits viel über ein Studienfach wissen oder über besonders hohe kognitive Fähigkeiten verfügen, ein Studium wahrscheinlich erfolgreich durchlaufen. Nicht selten werden also Selektionsprozesse mit diesem theoretischen Ansatz begründet.

Allerdings wissen wir aus der hochschuldidaktischen Forschung, beispielweise zum Student Engagement, von der komplexen Interaktion zwischen Studierenden und Merkmalen der Hochschule, sodass das erfolgreiche Durchlaufen eines Studiums und der Wissenserwerb maßgeblich von der Motivation der Studierenden abhängen. Daher plädieren hochschuldidaktische Erkenntnisse dazu, eine Beratung mit umfassenden Informationen zur Verfügung zu stellen, die eine informierte Entscheidung ermöglichen und weniger eine Selektion durchzuführen, die von einem stabilen Fähigkeitskonzept ausgehen.

In dieser skizzenhaften Abhandlung habe ich dargestellt, dass Hochschuldidaktik mehr ist als hochschuldidaktische Fortbildungen. Insbesondere die wissenschaftliche Beschäftigung von Studium und Lehre, einschließlich der Gestaltung, den Zielen und den Strukturen, zeigt einen hohen Zusammenhang zur Beratung von Studierenden, auch im Lehramtsstudium. Gerade das Lehramt weist in der Struktur und im Curriculum einige Besonderheiten auf, sodass es besondere Anforderungen an eine Beratung stellt. Eine Kooperation mit der Hochschuldidaktik erscheint auch daher ertragreich für beide Seiten.

Die Beitrag ist zuerst erschienen im Newsletter der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" 4 | 2021.