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Deconstructing Games

von Christoph Bieber und Mathias Mertens

Einleitung

Die typische Reaktion auf Texte, die sich nicht darauf beschränken, Grafik, Sound und Gameplay von Computerspielen in Prozentraster zu pressen, um eine angeblich auf die Kommastelle genaue Empfehlung zu geben, ob man das Spiel kaufen soll oder nicht, ist noch immer: "Wo bleibt denn der Spaß dabei?" Das ist auch bei Vorträgen in Universitäten der Fall, nicht nur in den Internetforen der Communities. Wer nicht bloß spielt, der ist für die anderen gleich ein Spielverderber. Dabei fängt selbst die Computerspielpublizistik an, sich in andere Richtungen zu bewegen. Zeitschriftenneugründungen der letzten Monate wie GameFace, GamesTM und GEE schreiben über die technischen Voraussetzungen, die historischen Entwicklungen und die Lifestyle-Aspekt von Spielen und liefern längst keine Industrie-Portfolios mehr ab. Dies geschieht zwar noch sehr vorsichtig, weil die Leser eben jene "Spaßverderber"-Rufer sind, aber Spiele werden immer häufiger sorgfältig rezensiert und nicht mehr "nur" getestet. Und auch im universitären Kontext steigt die Zahl der Publikationen, die sich mit klassischem oder neuem theoretischen Fokus diesem künstlerischen Medium der Siliziumzeit widmen. In diesem Special gibt das ZMI einige Hinweise auf diese beginnende Diskussion.

Literatur

Der Titel "Deconstructing Games" bezieht sich auf ein gleichnamiges Special der Monatszeitschrift De:Bug im Februar 2004.

Darin erschienen die Beiträge Mit den Spielen spielen von Mathias Mertens, Hacking the Hardware. Interoperabilität und Spielkonsolen von Nils Dittbrenner, Mach Dein Freispieler-Abzeichen! von Carsten Görig und B. Rumm, Da ist die Tür! Wario Ware Inc. von Mathias Mertens, Der Geek der Geeks. Ein Gespräch mit Spielentwickler Peter Molyneux von Felix Knoke und Das Schreiben über Spiele entwickelt sich von Heiko Gogolin.


Mathias Mertens/Tobias O. Meißner (2002): Wir waren Space Invaders. Geschichten vom Computerspielen. Frankfurt.

Mathias Mertens (2003): Damals in den C64ern. 8-Bit beißen nicht. Wie ein Siliziumhaustier die Wohnzimmer als erster echter Heimcomputer im Alleingang missionierte. In: GEE. Games_Entertainment_Education. Nr. 12/2003, S. 38-42.

Katie Salen/Eric Zimmerman (2003): Rules of Play. Game Design Fundamentals. Cambridge/Mass.

  • Das opulente 650-Seiten-Werk (frisch erschienen bei MIT Press, Cambridge/Mass.) entwirft ein umfassendes Regelwerk zur Beschreibung, Systematisierung und Modellierung von Computerspielen. Salen und Zimmerman formulieren eine "Ästhetik interaktiver Systeme" und definieren dabei Kernkonzepte wie "Spiel", "Design" und "Interaktivität". Spiele werden mittels einer Serie aus 18 verschiedenen Design-Schemata untersucht, darunter als "Systeme von Information und Emergenz", als "Kontext für soziales Spielen", als "Erzählmedium" oder als "Ort kulturellen Widerstandes".


Birgit Richard (2003): Female Selfwarez and Body-Double. Wilde Mädchen im Computerspiel. In: SPoKK (Hg.): Jugend, Medien, Popkultur. Ein Sammelalbum. Berlin. S. 122-130.

Christoph Bieber/Steffen Wenzel (2003): Adel verpflichtet - eine virtuelle Korrespondenz mit Lara Croft. In: SPoKK (Hg.): Jugend, Medien, Popkultur. Ein Sammelalbum. S. 140-147.

Christoph Bieber (2003): Press Pixel to play. Interaktive Grenzgänge mit Mister Ministeck. Berlin.

Claus Pias (2002): Computer Spiel Welten. München.

Ausstellungen

GameArt

Völklingen, 22.11.2003 - 28.3.2004

Mit der Moderne am Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt die Kunst Grenzen zu überschreiten. Impressionismus, Kubismus, Abstrakte Kunst und Pop Art sind Meilensteine dieser Entwicklung. Mit GameArt stellt das Weltkulturerbe Völklinger Hütte erstmals in einer großen Ausstellung eine neue Kunstgattung vor, die wesentlich das Kunstgeschehen des 21. Jahrhunderts prägen wird. Im eindrucksvollen Ausstellungsambiente, der weltweit einmaligen Gebläsehalle mit ihren 6.000 m2, sind zwischen die gigantischen Maschinen der Völklinger Hütte 37 große Künstlerarbeiten/ Installationen der GameArt eingebaut.

games. Computerspiele von KünstlerInnen

Dortmund, 11.10.2003 - 30.11.2003

Vom 11. Oktober bis 30. November 2003 fand im ehemaligen Reserveteillager des Hochofengeländes Phoenix West in Dortmund die Ausstellung games. Computerspiele von KünstlerInnen statt. Entwickelt wurde die Ausstellung durch den Berliner Medienkunstwissenschaftler Tilman Baumgärtel in Zusammenarbeit mit dem hartware medien kunst verein. Gezeigt wurden ca. 25 Arbeiten von internationalen KünstlerInnen, die kommerzielle Computerspiele - von "Pong", "Jet Set Willy" oder "Super Mario" bis hin zu "Tetris", "Quake" oder "Counter Strike" - auf unterschiedliche Weise modifiziert, das heißt in deren Bildästhetiken und Funktionsweisen eingegriffen haben. Neben Arbeiten, die an Computern oder Konsolen gespielt werden können, umfasst die Ausstellung auch Installationen, Videos, Objekte und grafische Arbeiten.

gamestudies.org

Gamestudies.org, herausgegeben von Espen Aarseth, ist die wohl wichtigste Internetzeitschrift für akademische Auseinandersetzung mit Computerspielen. Die von einem großen Board redigierten Texte stammen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen und beschäftigen sich mit den ästhetischen, kulturellen und kommunikativen Aspekten von Computerspielen. Es sollen "jargon-freie" Beiträge sein, die sich um neue Sichtweise bemühen, und nicht Computerspiele als Kosmetik für alte Theorien und Diskussion benutzen.


Ludology.org

Gonzalo Frasca, einer der Review Editors von Gamestudies.org, unterhält auch eine eigene Zeitschrift, Ludology.org. Der Titel deutet auf eine speziellere Sicht auf Computerspiele, die sogenannte Ludologie. Mit Huizinga als Ahnherr wird versucht, sich bei der Analyse auf die Spielstruktur zu konzentrieren und nicht die filmische oder literarische Narrativität in den Vordergrund zu schieben. Doch ganz so strikt ist diese Grabentrennung zwischen den Ludologen und den Narratologen nicht, wie einige Beiträge auf Ludology.org belegen.


digra.org

game-research.com

Computerspielemuseum Berlin

Seit 1996 macht sich Andreas Lange darum verdient, ein echtes Museum für Computerspiele zu betreiben und nicht nur eine nostalgische Amateursammlung zu präsentieren. Nach kleinem Beginn in einer Zweizimmerwohnung und zwischenzeitlicher Schließung, wird das Museum wohl in diesem Jahr in großem Rahmen wiedereröffnet werden.

Aus der Eigendarstellung: "Das Computerspiele Museum möchte systematisch alle Aspekte des Phänomens Computerspiele erschließen und sowohl der Allgemeinheit als auch dem interessierten Fachpublikum zugänglich machen. Die Prämisse dabei ist, dass man sich nur ein Bild von etwas machen kann, was man auch kennt. Vielerorts werden Computerspiele nach wie vor pauschal negativ (bzw. positiv) beurteilt, obwohl sie aufgrund ihrer Komplexität eine differenziertere Betrachtung verdient haben. Und dies gilt nicht nur ob der Tatsache, dass dank des technischen Fortschritts die Möglichkeiten, Informationen und Inhalte zu transportieren, permanent größer werden. Schon immer sind Computerspiele als Versuch zu verstehen, kreativ (spielerisch) mit den Mitteln des technischen Fortschritts umzugehen. Menschliche Bedürfnisse wie gesellschaftliche Realitäten fließen in ihre Gestaltung sowie in ihre Rezeption ein, so dass ihre Geschichte auch einen Teil unserer Geschichte beinhaltet."