Inhaltspezifische Aktionen

3Steps: Kai H. Krieger und Uwe H. Krieger

 

© 3Steps, Krieger, 2015

Die Zwillinge Dr. Kai H. Krieger und Dr. Uwe H. Krieger bilden gemeinsam mit ihrem Freund und Partner Joachim Pitt das Gießener Künstlerkollektiv 3Steps. Graffiti und Street Art begleitet die Künstler schon seit ihrer Schulzeit und ihres Studiums. Seit 2012 folgen die Drei noch intensiver ihrer Leidenschaft in einem eigenen Atelier, mit der Initiierung des Kulturfestivals River Tales und der Gründung eines erfolgreichen Kreativunternehmens in Gießen. Im November 2014 wurden sie für ihr künstlerisches Schaffen und ihr unternehmerisches Handeln von der Bundesregierung mit dem Titel „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ ausgezeichnet. Beide Brüder haben an der Justus-Liebig-Universität studiert und promoviert, Kai Krieger als Wirtschaftswissenschaftler, Uwe Krieger im Fachbereich Humanmedizin.


JLU: Lieber Kai Krieger, lieber Uwe Krieger, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur gerade erhaltenen Auszeichnung! Die Bundesregierung hat euch mit dem Titel „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ prämiert. Wie wird man zum Kreativpiloten?

 

Kai Krieger: Vielen Dank! Wir wurden durch unsere Netzwerke, insbesondere durch die Wirtschaftsförderung Gießen, angeregt, uns am Wettbewerb zu beteiligen. Von den 869 Bewerbern aus verschiedenen Bereichen – wie Web Designer, Theaterprojekte und andere Kreativunternehmen – kamen knapp 90 in die engere Auswahl. Wir haben dann vor mehreren Juryrunden unser kreatives und unternehmerisches Konzept vorgestellt und wurden ausgewählt...

 

JLU: Ganz herzlichen Glückwunsch! Vielleicht zunächst noch einmal zurück in die Vergangenheit: Ihr habt beide an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert. Was hat diese Zeit für euch geprägt?

 

An einer der ältesten Universitäten Deutschlands zu studieren, prägt natürlich. Die hohe Studentendichte in der Stadt spricht ja dafür, dass es genug kreativen Nährboden in Gießen gibt. Die Stadt und gerade die Universität bergen viel Potenzial.

 

Uwe Krieger: An einer der ältesten Universitäten Deutschlands zu studieren, prägt natürlich. Die hohe Studentendichte in der Stadt spricht ja dafür, dass es genug kreativen Nährboden in Gießen gibt. Die Stadt und gerade die Universität bergen viel Potenzial. Dieses muss man nutzen. Von Justus Liebig über Goethe und die Brüder Grimm zeigt die Geschichte, dass die Region viele kreative Geister hervorgebracht hat. Und wenn man z.B. nach einem Auslandssemester zurückkehrt, merkt man doch, wie cool Gießen ist und dass man hier doch eigentlich am besten feiern kann. So viele Studentenfeten wie hier in Gießen, zu unserer Studienzeit dreimal pro Woche, findet man sonst wohl kaum.

 

JLU: Für ein Künstlerkollektiv nicht unbedingt alltäglich: Ihr habt beide – ebenfalls an der JLU – promoviert. Wie wird aus einem promovierten Mediziner und einem promovierten Sozialwissenschaftler ein Künstlerkollektiv?

 

Kai Krieger: Auch das Studium war eine kreative Zeit. Studieren zeichnet sich dadurch aus, dass man sich selbst organisieren muss. Wir selbst haben als Zwillinge von klein auf alles zusammen gemacht, und es lag schon immer in der Familie, Dinge selbst zu tun und auf die Beine zu stellen. Schon von unserem Großvater haben wir viel Handwerkliches mitbekommen, auch von unserem Vater. Dadurch hatten wir bereits eine kreative, künstlerische Ader, die für uns dann konkret mit Graffiti begonnen und nun in Mural und Street Art ihre für uns beste Ausdrucksform gefunden hat. Was das Studium angeht, so gab es schon immer die Idee, sich selbständig zu machen. Das BWL-Studium war deswegen gezielt gewählt. Speziell die Promotionsphase war dann für mich eine gute Zeit, das eigene Know-how noch auszuweiten und die eigenen Ideen noch einmal zu reflektieren.

 

JLU: Kai, du hast beim Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Esch an der JLU zum Thema „Guerilla Marketing“ promoviert. Kommt auch bei 3Steps Guerilla Marketing zum Einsatz?

 

Kai Krieger: Das Thema Guerilla Marketing war natürlich bereits angeregt durch die kreative Auseinandersetzung mit Street Art und Graffiti. Die Kunst und die Kreativbranche haben eigentlich

schon immer Guerilla Marketing angewendet. Auch unsere Kunst ist aufmerksamkeitsstark, sie ist anziehend, diskutierbar, auffällig, revolutionär in bestimmten Bereichen, eigentlich alles, was den Guerilla Aspekt ausmacht. Dazu kommt dann das analytisch-strategische Denken. Wir sind eigentlich Kopfmenschen, wir reflektieren viel, was wir tun und was wir in unsere Arbeit einbringen wollen. Dabei sondieren wir auch die Medienumwelt, unsere Zeit und Gesellschaft. Wir verstehen uns in diesem Sinne als Beobachter.

Das an der Uni gelernte Forschen prägt deswegen auch direkt unser künstlerisches Arbeiten und Handeln. 

 

JLU: Uwe, wenn wir von Beobachten sprechen: Du bist approbierter und promovierter Mediziner im Bereich Chirurgie. Hilft dir der chirurgische Blick bei der kreativen Arbeit?


Uwe Krieger: Auf jeden Fall. Das handwerkliche Geschick und das sehr strukturierte ärztliche Handeln, gerade als Chirurg, führen in unserer Kunst in gewisser Weise zu einer Symbiose aus kreativem, freiem Denken und sehr zielorientiertem Handeln. Dies prägt unsere Arbeit und ist ein Teil von 3Steps.

 

JLU: In euren Arbeiten verbinden sich Einflüsse aus Graffiti, Street Art und Pop Art. Ihr habt unter anderem die USA bereist und wart dort tätig. Gibt es auch lokale und regionale Einflüsse in eurem Stil?

 

 


Uwe Krieger: Wenn man in einer ländlichen Gegend lebt und studiert hat, gibt es viel Naturverbundenheit und Freiheit. Gerade das Studium und die Universität bieten dabei die Möglichkeit, ein Tor in die Welt zu öffnen. Wir sind auch viel gereist, um uns Inspirationen zu holen. Wenn du dann wieder zurückkommst in eine Gegend, die dir vertraut ist und Geborgenheit gibt, hast du die Möglichkeit, die Impressionen, die du gesammelt hast, zu sortieren und umzusetzen. Gerade besonders beeindruckende Momente, die man in großen Städten in Nordamerika oder auch Europa erlebt, kann man am besten in einer Kleinstadt wieder einfangen und kreativ nutzen.

 

 Und das ist eigentlich auch das Schöne an Gießen: Man muss sich nur die Muße nehmen und ein bisschen hinter die Fassade blicken, dann entdeckt man viele schöne Ecken und Stellen, in allen Bereichen.


Kai Krieger: Was den regionalen Einfluss im Künstlerischen und Thematischen angeht, so haben wir z. B. das Kulturprojekt River Tales realisiert. Das Projekt hat eine Neuinterpretation von Stadt, Land, Fluss durch Mural und Street Art zum Ziel. Hierzu laden wir Künstler in die Lahn-Region ein, die dann regionale Mythen und Märchen in ihren Arbeiten aufgreifen, Geschichten, die das Land zu erzählen hat. Und das ist eigentlich auch das Schöne an Gießen: Man muss sich nur die Muße nehmen und ein bisschen hinter die Fassade blicken, dann entdeckt man viele schöne Ecken und Stellen, in allen Bereichen: Von architektonischen Elementen, über den Markt bis hin zu den Uni-Feten. Es gibt hier sehr viele WG-Feten, Koch-Partys und mehr. So etwas müsste man in einer Großstadt vielleicht erst einmal suchen, hier liegt es gewissermaßen auf der Straße.

 

JLU: Hier schließt meine nächste Frage direkt an: Ihr seid in Gießen geboren, seid hier aufgewachsen und lebt noch immer hier: Was macht Gießen zu einem besonderen Ort?


Uwe Krieger: Wir sagen immer: Gießen, die graue Perle an der Lahn. Mit 16 Jahren Schaffen von 3Steps haben wir ein bisschen mehr Farbe in das Grau hineingebracht. Und wenn man sich die Entwicklung der Stadtkultur von Gießen in den letzten Jahren anschaut, so hat sich viel bewegt. Man kann schon sagen, dass sich die Stadt zu einer kleinen, pulsierenden Metropole der Region Mittelhessen entwickelt.

 

 

JLU: Erlaubt uns einen Blick in euer Atelier. Woran arbeitet ihr derzeit?

 

Kai Krieger: Wir arbeiten schon seit einiger Zeit an einer Serie mit dem Namen Urban Glamour. Hier geht es um eine zeitgenössische Reflektion einer jungen Generation im urbanen Umfeld. Zwei weitere inhaltliche Themen laufen dazu parallel, eines davon verbindet die Frage nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen mit einer Traum- und modernen Märchenwelt.

 

JLU: 3Steps ist nicht nur ein künstlerisches Projekt, sondern auch ein erfolgreiches Unternehmen. Was ratet ihr jungen Kreativen beim Schritt in die Selbständigkeit?


Kai Krieger: Für viele erfolgreiche Gründungen gibt es sicher keinen Paradeweg oder Patentrezept. Allerdings gibt es immer wieder Muster, die den Start stabiler gestalten. Bei uns stand am Anfang die Vision, dann kam der Plan und der Wille es zu tun. Aber ohne Struktur und die nötige Freiheit würde es nicht funktionieren. Ich rate, den Schritt in die Selbstständigkeit über einen Business Plan oder eine  Model Canvas zu prüfen. Man muss sich vor allem fragen: Ist die Idee, die ich habe, auch auf lange Sicht tragfähig, kann ich davon leben und meine Ziele verwirklichen? Ohne eine konkrete Vision, die sich mit einem ausgearbeiteten Plan und einer Organisationsstruktur verbindet, wird es wahrscheinlich schwer. In diesen Punkten hat auch das BWL-Studium sehr geholfen. Insgesamt muss man natürlich auch viel Fleiß und Arbeit investieren.

 

JLU: Eure ungewöhnliche Karriere ist sicherlich inspirierend für viele Studierende der JLU. Habt ihr einen speziellen Tipp? Worauf sollte man während des Studiums besonders achten?

 Wenn du eine Vision hast, folge ihr. Lass dir nicht von anderen sagen, wie deine Zukunft aussieht, gestalte sie selber. Man sollte das tun, wozu man sich berufen fühlt.


Uwe Krieger: Wir würden hier gerne Meister Yoda aus Star Wars zitieren, der sagt: „Tu es oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen.“ D.h., wenn du eine Vision hast, folge ihr. Lass dir nicht von anderen sagen, wie deine Zukunft aussieht, gestalte sie selber. Man sollte das tun, wozu man sich berufen fühlt. Das Studium sollte dabei helfen, den eigenen Zielen und Ideen näher zu kommen. In diesem Sinne ist es auch eine Zeit, die man zur Orientierung und für Entdeckungen nutzen kann.

 

JLU: Vielen Dank für dieses optimistische Schlusswort und natürlich vor allem für das spannende Gespräch. Wir wünschen euch alles Gute und weiterhin viel Erfolg für die Zukunft!

 

Das Gespräch führte Dr. Sven Werkmeister, ehemaliger Koordinator von Career Center und Alumni Service der Justus-Liebig-Universität Gießen, im November 2014.


zurück zu Alexander Jung weiter zu Thomas Kronenberg