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Gießener Anzeiger vom 16.11.2006

Tuba klingt wie ein Opa mit dickem Bauch

Justus’ Kinderuni startet ins vierte Semester - Universitätsmusikdirektor Ottersbach dirigiert kleine Studiosi

GIESSEN (fm). Mit einem echten Knalleffekt ging Justus’ Kinderuni ins vierte Semester. Von dem zu Beginn eingespielten Teil einer Sibelius-Sinfonie aus einem früheren Konzert des Gießener Universitätsorchesters über die Beschreibung der einzelnen Musikinstrumente und Instrumentengruppen spannte Universitätsmusikdirektor Stefan Ottersbach einen weiten Bogen hin zum eigenen Musizieren der kleinen Studiosi auf mitgebrachten Töpfen und Pfannen aller Größen und Macharten.

Der Ansturm auf die neuen Hörer-Ausweise war auch diesmal wieder groß, berichteten Nicole Küster, Manuel Schweighofer und Florian Wolff, die den Besuch jeder der vier Kindervorlesungen mit einem Stempelaufdruck bestätigen. Den fleißigsten Teilnehmern winkt am Ende ein offizielles Uni-Zertifikat.

 

Im Umgang mit 70 bis 90 Orchestermusikern geübt, musste Ottersbach zu Stefan Raabs energischer Handbewegung Zuflucht nehmen, um die ungeduldige Betriebsspannung der rund 250 bis 300 Kinder ein bisschen zu dämpfen. Dass die Kleinen während seiner Erklärungen auf ihren Töpfen und Schüsseln mit Kochlöffeln Geräusche erzeugten oder die Gefäße als neuartige Kopfbedeckung ausprobieren würden, war zu erwarten. Nicht zuletzt aus Spiel- und Imitationstrieb auf die von Alexander Padva zu jedem Instrument eingespielten Klangbeispiele. Dass die von ihm benutzte Festplattenspeicher-Technik gleich beim ersten Beispiel streikte, war ausgesprochen günstig. Mit umso größerem Interesse konnte das Auditorium verfolgen, wie Padva seine eigene Geige zum Erklingen brachte.

 

Schritt für Schritt ging Ottersbach alle Instrumente durch -- gegliedert nach Streichern, Holz- und Blechbläsern und Schlagzeug. "Wie eine kreischende Mädchenstimme" empfand ein Junge die hohen Töne der Violine. Den Klang einer Bratsche bezeichnete ein Kind als "glücklich", die Cello-Töne seien "traurig", sagte ein Mädchen. Vergleiche mit der Tierwelt provozierten die Blasinstrumente. Die Querflöte -- "ein Vogel", die Oboe -- "quakt wie eine Ente", die Klarinette - "klingt wie eine Katze". Und als nach dem Fagott, der Tompete und Posaune die Tuba an der Reihe war, beschrieben sie mehrere Nachwuchs-Studierende als "tief", "unfreundlich" und "wie ein Großvater mit einem dicken Bauch".

Auf großflächigen Dias stellte Otters-bach die Sitzordnung der einzelnen Instrumentengruppen im Orchester vor. Nicht ohne zuvor auf die weite Welt der Schlaginstrumente hingewiesen zu haben. Zwischen Pauken und Triangel gebe es mehr als hundert verschiedene Schlagzeuge. Nachdem er unterschiedliche Takte und Taktarten erläutert und die Funktion des Dirigenten erklärt hatte, ging es ans Eingemachte. Mit weit ausladenden Handbewegungen versuchte der Musikdirektor die in vier Gruppen aufgeteilten Hörerinnen und Hörer dazu zu bringen, jeweils im richtigen Taktsegment das vor ihnen stehende Gefäß mit einem Kochlöffel-Schlag zum Tönen zu bringen. Was die Kleinen mit großer Hingabe taten. Zu guter Letzt gelang es Alexander Padva und seinem Kollegen Jochen Müller-Cohrs, der rhythmischen Trommelei der Kinder mit Geige und Fagott eine passende Melodie zu verleihen. Prasselnder Beifall von allen Seiten beendete das bislang einzigartige musikpädagogische Experiment in Justus’ Kinderuni. "Wir haben uns alle Instrumente aufgeschrieben", sagten Lena und Marie (beide neun Jahre alt) aus Langgöns, während sie auf dem Heimweg begeistert ihre Eindrücke austauschten.