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Studie zu Ehrenmorden

Agel, Carina: (Ehren-)Mord in Deutschland. Eine empirische Untersuchung zu Phänomenologie und Ursachen von »Ehrenmorden« sowie deren Erledigung durch die Justiz, Pabst Science Publishers, Lengerich 2013

 

 

Diese empirische Untersuchung liefert Erkenntnisse über Phänomenologie und strafrechtliche Erledigung von »Ehrenmorden« in Deutschland. Dazu wurden 22 Strafakten von (versuchten) Tötungsdelikten und einer Anstiftung zu einem Tötungsdelikt, die scheinbar im Kontext einer verletzten Ehre begangen wurden sowie ein vermeintlicher »Blutrache«-Fall ausgewertet. Alle Fälle wurden von hessischen Staatsanwaltschaften zur Verfügung gestellt und in den Jahren 1982 bis 2010 begangen.

Anhand von Gemeinsamkeiten konnten die untersuchten Fälle in Gruppen eingeteilt werden. Dabei zeigte sich unter anderem, dass es sich nicht bei allen Taten um »Ehrenmorde« handelt, sondern einige Taten als Tötungen in Paarbeziehungen zu qualifizieren sind. Auch lassen sich die »Ehrenmorde« von einem ebenfalls untersuchten »Blutrache«-Fall abgrenzen. Besonders bei den »Ehrenmorden« kommt der Familie eine große Bedeutung zu und die Ehre weist nicht, wie bei sonstigen Tötungen einen individuellen, sondern einen kollektiven Wert auf.

Im Rahmen der Phänomenbeschreibung zeigte sich, dass überwiegend weibliche Familienmitglieder von ihren Vätern, Brüdern, Ehemännern oder anderen männlichen Verwandten getötet wurden. Aber auch Männer wurden Opfer von Taten zur Wiederherstellung der Ehre, dann meist im Zusammenhang mit einem weiblichen Opfer. Die Täter der hier untersuchten »Ehrenmorde« waren häufiger die älteren Brüder der Opfer und nicht wie zunächst vermutet die jüngsten Brüder. Jüngere bzw. minderjährige Familienmitglieder sollten dem Tatplan entsprechend allenfalls am Tatort anwesend sein, um im Falle der Entdeckung der Tat die Schuld auf sich nehmen zu können. In allen »Ehrenmord«-Fällen lagen Anzeichen dafür vor, dass weitere Familienmitglieder an dem Hervorrufen des Tatentschlusses, der Planung der Tat oder der Tatbegehung beteiligt waren. Das Verhalten der Mütter überraschte insoweit, als dass diese nicht nur auf die strikte Einhaltung der traditionellen Rollen seitens ihrer Töchter achten, sondern in mehreren Fällen sogar fördernd auf das Tatgeschehen eingewirkt haben.

Zugleich wurde die justizielle Behandlung dieser Delikte vom Ermittlungs- bis zum Hauptverfahren beleuchtet. Die Arbeit nimmt dabei u.a. Stellung zur tatbestandlichen Einordnung dieser Taten als Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) und beschäftigt sich mit der Berücksichtigung eines, bei den Tätern vorliegenden, kulturellen Hintergrundes im Rahmen der Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe sowie bei der Strafzumessung. Dabei zeigte sich, dass die »Ehrenmorde« dem Terminus entsprechend als Mord im juristischen Sinne gewertet wurden.

 

Dr. Carina Agel war früher Mitarbeiterin an der Professur.