Konrad Hierasimomicz
Biographie
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seit 2010 | Stipendiat der Leibniz Graduate School for Cultures of Knowledge in Central European Transnational Contexts |
seit 2008 | Promotionsvorhaben: belarussische Diskurse zur nationalen Geschichte und Identität im Web 2.0 (Marburg/Gießen) |
2005-2009 | studentische Hilfskraft am Herder-Institut in der Abteilung Literaturdokumentation (2009 wissenschaftliche Hilfskraft mit Abschluss) |
2004 | Praktikant im Projekt „Study Tours to Poland“ am Kolegium Europy Wschodniej in Wrocław |
1999-2007 | Studium der Soziologie, Informatik und Europäischen Ethnologie /
Kulturwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg, Abschluss
Magister Artium Magisterarbeit: Auswirkungen des Internets auf die Identität und Selbstorganisation autochthoner Minderheiten am Beispiel der Sorben und Kaschuben |
1978 | geb. in Milicz (Woj. Niederschlesien, Polen) |
Forschungsschwerpunkte
- Wissenskulturen in den Neuen Medien (Schwerpunkt Geschichtskonstruktionen)
- Minderheiten und Identitäten in Ostmitteleuropa
- nationale Diskurse im ostmittel- und osteuropäischen Raum (Schwerpunkt Belarus)
Promotionsvorhaben
In den letzten zwei Jahrhunderten verbreitete sich das Modell der
Nation und des Nationalstaates beginnend in Westeuropa und Nordamerika
nahezu weltweit. Nicht nur staatliche Strukturen generierten anhand
dieses komplexen Ideenkonstrukts der Moderne ihre Nationen. Einige von
ihnen entstanden ausschließlich im Zuge der Bemühungen regionaler
Eliten. War der diskursiv erzeugte Geschichtsmythos einer Nation
gefestigt, diente er ihrer Legitimation und musste von nun an lediglich
in Krisenzeiten aktualisiert werden. In Folge langjähriger
institutionell organisierter Mentalitätenprägungen wurden die Prozesse
seiner Konstruktion unkenntlich gemacht und schon bald teilten die
meisten Menschen die Auffassung, sie seien Subjekte einer schon immer
bestehenden nationalen Großgemeinschaft. Die Nationsidee wurde auf diese
Weise, der Absicht des Nationalismus entsprechend, zu einem objektiv
fassbaren Denkmuster – der nationalen Identität.
Belarus ist ein
interessantes europäisches Gegenbeispiel. Die Konstruktionsversuche der
belarussischen Nation begannen im ostmittel- und osteuropäischen Kontext
relativ spät. Dennoch entwickelten ihre Akteure ein nicht minder
schlüssiges System nationaler Mythen als die Vertreter der erfolgreich
verlaufenen Nationalbewegungen. Die Eigenart der belarussischen
Nationalbewegung bestand hauptsächlich darin, dass die Mehrheit ihrer
Adressaten im kritischenZeitpunkt aus kulturell zivilisatorischen
Aspekten nicht imstande war, die nationale Idee zu rezipieren. In den
Wirrungen des 20. Jahrhunderts wechselten auf den belarussischen
Gebieten mehrmals die politischen Systeme und mehrere
Geschichtsdeutungen kamen zum Zuge, ohne sich in der breiten
Gesellschaft vollständig zu etablieren. Heute verinnerlicht der Großteil
der belarussischen Bevölkerung die offizielle, vom Präsidenten und
seinen sorgsam ausgewählten Historikern entworfene Version der
belarussischen Geschichte und Identität, einem Gemisch aus Westrussismus
und (post)sowjetischer Geschichtsdeutung. Eine Minderheit vertritt
dagegen die Ansicht, Belarus sei ein Nachfolgestaat des Großfürstentums
Litauen mit all seinen als „demokratisch“ und „westeuropäisch“
gedeuteten Ausblicken und betrachtet die Auslegung des präsidialen
Machtapparates als einen der Russifizierung dienenden Verrat an der
Nation.
Mit der raschen Verbreitung des Internets, vor allem aber des
interaktiv und kollaborativ orientierten Web 2.0, verfügen die Akteure
des Geschichts- und Identitätsdiskurses über andere Möglichkeiten, als
ihre Vorgänger. In der im Rahmen der Leibniz Graduate School for
Cultures of Knowledge entstehenden Dissertation soll überprüft und
hinterleuchtet werden, inwiefern der nationale Diskurs in dem neuen
enträumlichten und entpersonalisierten Medium seinen erprobten Praktiken
folgt und wie er neue Strategien und Betrachtungsweisen zulässt.
Professor Bohn fungiert als Zweitgutachter.