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Artenschutz – ein integrativer Ansatz

Forschung zur Europäischen Turteltaube (Streptopelia turtur) mit unterschiedlichen Methoden

Die Europäische Turteltaube (Streptopelia turtur), als einzige Langstrecken-ziehende Taubenart Europas, hat Brutvorkommen in Europa, Asien sowie Nordafrika. Ihre Überwinterungsgebiete, die sie über eine westliche, zentrale oder östliche Flugroute erreicht, liegen in der Sub-Sahara (Sahel-Zone). Sie wurde aufgrund ihres stark rückläufigen Bestands, eine europaweite Abnahme von etwa 80% im Vergleich zu den 1980er Jahren, auf der Roten Liste der IUCN als „gefährdet“ eingestuft. Zur Planung von Schutzmaßnahmen waren und sind weiterreichende Artkenntnisse z. B. bezüglich der Lebensraumansprüche und räumlichen Verbreitung1, Populationskonnektivität2, Migrationsrouten3 und Überwinterungsgebiete4 erforderlich.

Daher wurden für eine deutschlandweite Studie Modelle der Artverteilung, die auf Anwesensheits-‑Abwesenheits-Daten (presence absence PA) beruhten mit solchen, die sich rein auf die Anwesenheit (presence only PO) bezogen, verglichen1. Als Umweltvariablen wurden Klima- und Landnutzungsdaten integriert1. Die resultierenden PO-Karten erwiesen sich als differenzierter und ergaben Schwerpunkte in den Gegenden von Saarbrücken, Düsseldorf, den Niederungen des Schwarzwalds sowie der Lausitz1. Die Klimavariable der Januartemperaturen zeigte sich als bedeutsam, da von ihr Faktoren wie Nahrungsverfügbarkeit und Brutplätze sowie erhöhter Bruterfolg beeinflusst werden können1. Die Performance der Landnutzungsdaten könnte durch Einführung weiterer Variablen optimiert werden, um so präzisere Informationen über entscheidenden Habitatcharakteristika zu erhalten1.

Näherer Aufschluss über die Populationskonnektivität wurde durch eine Studie erzielt, die in Untersuchungen von Turteltaubenfedern aus 13 Ländern stabile Hydrogen-Isotope (δ2H) nutzte2.  Die Methode eignet sich, weil Federn geographische Informationen ihres Ursprungsortes liefern, da sie nach ihrem Wachstum metabolisch inaktiv sind. Zunächst wurden Federproben bekannten Ursprungs genutzt, um eine europäische Wasserstoff-Isotopenlandschaft zu kalibirieren2. Anschließend wurden Federproben aus Rastgebieten während der Migration in die Sub-Sahara gesammelt und mit der entstandenen Isotopenlandschaft abgeglichen, wodurch sie Brutgebieten zugeordnet werden konnten2. Es wurden vier breite Herkunftsregionen entsprechend einem Temperaturgradienten von kühl/feucht bis heiß/trocken ermittelt2. Es zeigte sich, dass z. B. Federproben, die in Bulgarien genommen wurden, weitgehend russischen Brutgebieten zugeordnet werden konnten2.

Da sich die vormalige Nutzung von Ringdaten zum Monitoring der Migrationsbewegungen außerhalb des Brutgeschehens der Turteltauben aufgrund niedrige Wiederfunddaten aus Afrika als unzureichend erwies, wurden in einer weiteren Studie von 2016 bis 2020 Argos-Satellitentransmitter genutzt3. Mithilfe dieser sollte durch ganzjährige Datenaufnahmen detaillierter Aufschluss über die Migrationsstrategien sowie qualitative Aussagen bezüglich der Umweltbedingungen der Brut- und der Überwinterungsgebiete erhalten werden3. In Kombination mit der Analyse von Landnutzungsdaten bestätigte die Ergebnisauswertung die Nutzung mehrerer Überwinterungshabitate3. Auch die vorherige Annahme, dass für die Brutgebiete eine Kombination aus Acker- und Kulturlandschaften genutzt wird, wurde bestätigt3. Es wurden Unterschiede zwischen Brut- und Überwinterungsgebieten bezüglich der meisten Umweltparameter und der Nischenbreite sowie eine Standorttreue zu den Brutplätzen festgestellt3. Zudem wurde nachgewiesen, dass bei höheren Anteilen landwirtschaftlich genutzter Flächen die Größe des genutzten Aktionsradius („home range“) anstieg3.  Die Trackingdaten zeigten außerdem, dass die meisten Turteltaubenindividuen während des Herbstzugs längere Zeit in Rastgebieten in Europa, z.B. Ungarn, Slowakei, Frankreich und Italien, verweilten. Der Zeitraum der Rast fällt hierbei mit dem Zeitraum der legalen Jagdaktivitäten in einigen Ländern zusammen, und stellt dadurch eine potentielle Gefahr für die Turteltauben dar.

Die Frage nach den Überwinterungsgebieten der Europäischen Turteltauben wurde durch eine Untersuchung der stabilen Isotope δ2H und δ13C aus Federn, die während der Mauserphase in den afrikanischen Überwinterungsarealen wuchsen, bearbeitet4. Ziel war, eine erste Abschätzung der Überwinterungszonen und deren Überschneidung mit dortig ausgewiesenen Schutzgebieten zu erhalten4. Unabhängig von der Nutzung westlicher oder zentraler/östlicher Flugrouten wurden die westliche und zentrale Sub-Sahara als wahrscheinlichste Überwinterungsareale zugeordnet4. Ebenfalls konnten Unterschiede beider Isotopenwerte in Abhängigkeit von der Nutzung westlicher und zentraler/östlicher Flugrouten dahingehend festgestellt werden, dass Migranten, die Erstere nutzten, vermutlich eher in der westlichen Sub-Sahara überwinterten4. Für Migranten der anderen Routen war der winterliche Aufenthalt in der Zentral-Sub-Sahara wahrscheinlicher4. In beiden Fällen konnte keine große Überschneidung der genutzten Areale mit Schutzgebieten festgestellt werden, vielmehr, dass sich die Bedrohung der gefährdeten Art u. a. durch andauernden Landnutzungswandel verschärft4.

 

Abb. 1: Wahrscheinliche Überwinterungsherkunft europäischer Turteltauben (Farbverlauf von gelb (niedrig) bis blau (hoch)) mit a) ausgewiesenen Schutzgebieten und b) Jagdarealen; roter Umriss: bisher beschriebenes Überwinterungsareal in der Sub-Sahara 4 (Abb. 2: S. 6 modifiziert)

 

Quellen

1. Marx M, Quillfeldt P (2018): Species distribution models of European Turtle Doves in Germany are more reliable with presence only rather than presence absence data. Scientific reports, 8(1), 16898 https://www.nature.com/articles/s41598-018-35318-2

2. Marx M, Rocha G, Zehtindjiev P, Peev S, Bakaloudis D, Metzger B, Cecere JG, Spina F, Cianchetti-Benedetti M, Frahnert S, Gamauf A, Voigt CC, Quillfeldt P (2020): Using stable isotopes to assess population connectivity in the declining European Turtle Dove (Streptopelia turtur). Conservation Science and Practice, 2020: e152. 
https://conbio.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/csp2.152

3. Schumm YR, Metzger B, Neuling E, Austad M, Galea N, Barbara N, Quillfeldt P (2021): Year-round spatial distribution and migration phenology of a rapidly declining trans-Saharan migrant—evidence of winter movements and breeding site fidelity in European turtle doves. Behavioral Ecology and Sociobiology 75: 1-16. https://link.springer.com/article/10.1007/s00265-021-03082-5

4. Marx, M., Schumm, Y. R., Kardynal, K. J., Hobson, K. A., Rocha, G., Zehtindjiev, P., Bakaloudis, D., Metzger, B., Cecere, J. G., Spina, F., Cianchetti‑Benedetti, M., Frahnert, S., Voigt, C.C., Lormée, H.- Eraud, C. & Quillfeldt, P. (2022). Feather stable isotopes (δ2Hf and δ13Cf) identify the Sub-Saharan wintering grounds of turtle doves from Europe. European Journal of Wildlife Research, 68(2), 1-14. https://link.springer.com/article/10.1007/s10344-022-01567-w