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Steinseifer, Martin

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Martin Steinseifer

martin.steinseifer@zmi.uni-giessen.de

FB 05 - Sprache, Literatur und Kultur

Institut für Germanistik

Germanistische Linguistik und Sprachdidaktik

Otto-Behaghel-Str. 10 B

35394 Gießen

Raum B 213

Tel: (+49) 0641 99-29103

 

Zentrum für Medien und Interaktivität

Ludwigstr. 34

35390 Gießen

Raum 206

Tel: (+49) 0641 99-16382

 

 

Kurzbiographie

  • geb. 1974 in Furtwangen/Schwarzwald
  • 1994-2001 Studium der Germanistik und Evangelischen Theologie an den Universitäten Siegen und Heidelberg
  • 1997-2001 Stipendiat des Ev. Studienwerks Villigst
  • 1998-1999 Studium der Cultural Studies an der University of Birmingham/UK
  • 1999 MA in Cultural Studies
  • 11/2001 1. Staatexamen für Lehramt an Gymnasien in den Fächern Deutsch und Ev. Theologie
  • 03-09/2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt "Didaktik und Methodik der Argumentation" an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg
  • 2002-2003 Kollegiat am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt
  • 11/2003-4/2007 Kollegiat im Graduiertenkolleg "Transnationale Medienereignisse" der Universität Gießen
  • 2/2006-7/2006 & 5/2007-3/2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter für germanistische Linguistik an der Universität Siegen
  • 10/2007-8/2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der JLU Gießen
  • 11/2007 Promotion im Fachbereich 05 »Sprache - Literatur - Kultur« der Justus-Liebig-Universität Gießen
  • seit 8/2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Schreib- und Textroutinen: Kultur-, fach- und medienbezogene Perspektiven des LOEWE-Schwerpunkts "Kulturtechniken und ihre Medialisierung" an der JLU Gießen

 

Thema der Dissertation

›Terrorismus‹ zwischen Ereignis und Diskurs.

Zur Pragmatik von Text-Bild-Zusammenstellungen in Printmedien der 1970er Jahre

 

Veröffentlichungen

Aufsätze

  • »Marxian Approaches to Sociolinguistics.« In: Ammon, Ulrich, Norbert Dittmar, Klaus J. Mattheier und Peter Trudgill (Hrsg.): Sociolinguistics/Soziolinguistik. Ein internationales Handbuch zur Wissenschaft von Sprache und Gesellschaft. 1. Teilband. 2., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin/New York, de Gruyter 2004 (HSK; 3.1), S. 786-798.
  • »'Fotos wie Brandwunden'? - Überlegungen zur deontischen Bedeutung von Pressefotografien am Beispiel von Hanns Martin Schleyer als Opfer der Roten Armee Fraktion.« In: Busse, Dietrich, et al. (Hrsg): Brisante Semantik. Neuere Konzepte und Forschungsergebnisse einer kulturwissenschaftlichen Linguistik. Tübingen, Niemeyer 2005, S. 269-290 (= Reihe Germanistische Linguistik; 259).
  • »Die ›Sloterdijk-Debatte‹. Linguistische Diskursanalyse eines (Print-)Medienereignisses und seiner argumentativen Ordnung.« In: Martin Wengeler (Hrsg.): Sprachgeschichte als Zeitgeschichte. Konzepte, Methoden und Forschungsergebnisse der Düsseldorfer Sprachgeschichtsschreibung für die Zeit nach 1945. Hildesheim/New York, Olms 2005 (= Germanistische Linguistik), S. 498-526.
  • »Vom Nutzen und Nachteil der Gewalt für ein Verständnis der Medienereignisse. Kritische Überlegungen zu Massaker und Terrorismus in den Texten Wolfgang Sofskys.« In: Vogel, Christine (Hrsg.): Bilder des Schreckens. Die mediale Inszenierung von Massakern seit dem 16. Jahrhundert. Frankfurt/New York, Campus Verlag 2006, S. 15-37.
  • »Überlegungen zu Terrorismus als Medienereignis im Herbst 1977. Strategien, Dynamiken, Darstellungen, Deutungen.« In: Klaus Weinhauer/Jörg Requate/Heinz-Gerhardt Haupt (Hrsg.): Terrorismus in der Bundesrepublik. Medien, Staat und Subkulturen in den 1970er Jahren. Frankfurt/New York, Campus Verlag 2006, S. 351-381. URL: http://www.zeitgeschichte-online.de/portals/_rainbow/documents/pdf/raf/steinseifer_terr_med.pdf
  • »The medium is not the message. It is a metamessage. Der katholische Weltjugendtag in Köln als perfektes Medienereignis, der Papst als Anti-Star und die Schwierigkeiten einer angemessenen Kritik.« In: Communicatio Socialis 39/1 (2006), S. 67-80.
  • gemeinsam mit Nina Burkhardt, Stefanie Hoth und Marion Tendam: »Wie machen die Medien ein Ereignis? Ein Leitfaden durch die Ausstellung.« In: Graduiertenkolleg Transnationale Medienereignisse (Hrsg.): Unvergessliche Augenblicke. Die Inszenierung von Medienereignissen. Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung. Frankfurt am Main, Societäts-Verlag 2006, S. 16-21.
  • »Zwischen Bombenterror und Baader Story. Terrorismus als Medienereignis« In: Klimke, Martin und Joachim Scharloth (Hrsg.): 1968. Ein Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung. Stuttgart, Metzler 2007, S. 285-301 (weitere Ausgabe: Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung 2008).
  • »Bilder als Bühne oder Kulisse? Überlegungen zur visuellen Einbindung von Situativität in printmedialer Kommunikation.« In: Knobloch, Clemens, Ronald Hartz und Tom Karasek (Hrsg.): Inszenierte Konflikte – Inszenierter Konsens. Konflikt und Einigkeitskommunikation in den Printmedien und Organisationen. Münster, Unrast 2007 (= Edition Diss; 16), S. 147-176.
  • (im Druck) »Sichtbar verkörperte Artikulationen – Was wird aus dem Text(-Begriff) angesichts der Konjunktur des Performativen?« Erscheint in: Mareike Buss et al. (Hrsg.): Theatralität des sprachlichen Handelns. Eine Metaphorik zwischen Linguistik und Kulturwissenschaften. München, Fink, S. 143-163.


Rezensionen


Artikel
gemeinsam mit Mathias Mertens: Die globale Bildermaschine. Der Papst, der Karneval und der Terror. In: Freitag, Heft 47, 22.11.2005, S. 16.
URL: http://www.freitag.de/2005/47/05471601.php

Unveröffentlichte Manuskripte

  • Siegerländer Sprachatlas. Fragebuch. Siegen 2008.
  • ›Terrorismus‹ zwischen Ereignis und Diskurs. Zur Pragmatik von Text-Bild-Zusammenstellungen in Printmedien der 1970er Jahre. Dissertation. Gießen 2007.
  • Sprache - Kultur - Kommunikation. Überlegungen zur Unterscheidung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Linguistik und zur Medialität von Kommunikation. Heidelberg 2000.
  • Diskursanalyse öffentlicher Debatten als Argumentationsanalyse? Theoretische Überlegungen und Analyse der Debatte um Peter Sloterdijks 'Regeln für den Menschenpark'. Wissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Prüfung für das Lehramt an Gymnasien. Heidelberg 2001.
  • Analyse komplexer argumentativer Aktivitäten in Unterrichtsdiskussionen. Arbeitsbericht und Ergebnisse aus dem Projekt »Didaktik und Methodik der Argumentation« (Prof. Inge Vinçon). Heidelberg 2002.

 

 

Abstract der Dissertation

Um eine Bedrohung durch ›Terrorismus‹ plausibel zu machen, wurde – in der Bundesrepub­lik der 1970er Jahre ebenso wie in den Debatten der jüngsten Vergangenheit – immer wieder auf spektakuläre Ereignisse verwiesen. Geht man der Frage nach, wie dieser Ereignisbezug in Diskursen artikuliert wird, dann zeigt sich, dass oft fotografische Bilder verwendet wer­den. Bilder von Tatorten, Tätern und Opfern, von Polizeieinsätzen und Festnahmen wer­den in den Text integriert, um einer bestimmten Deutung Evidenz zu verleihen. Umgekehrt schreiben die Texte, in denen die Bilder zu sehen sind, ihnen einen Sinn zu, der allein vom Bild her so nicht zu erfassen ist. Erst die Analyse der Zusammenstellungen von Texten und Bildern lässt daher erkennbar werden, wie die beiden Artikulationsformen zur Konstitution des Phänomens ›Terrorismus‹ zwischen Ereignis und Diskurs beitragen. In dieser Fokussie­rung der spezifischen Medialität des Diskurses wird ›Terrorismus‹ nicht nur – wie es in den Geschichts- und Sozialwissenschaften mittlerweile verbreitet ist – als gewaltsame Form ziel­gerichteten, kommunikativen Handelns erfasst, sondern als Serie von Medienereignissen.

In der Arbeit wird der theoretische Rahmen für eine solche Medienereignisgeschichte entwickelt (Kapitel 1 & 2) und in exemplarischen Analysen von Beiträgen deutscher Print­medien (Bild, Welt, FAZ, FR, Spiegel, Quick, Stern) erprobt (Kapitel 3 & 4). Der ameri­kanische Pragmatismus (C.S. Peirce, G.H. Mead) liefert mit der Unterscheidung von In­dex und Symbol die theoretische Ressource, um Ereignisbezug und begriffliche Ordnung als korrespondierende Momente zu begreifen. Die erwartbare, symbolische Bedeutung von Zeicheneinheiten bleibt an indexikalische Verweise auf Situationen gebunden, wobei der aktuell gewählte Ausdruck frühere situationsgebundene Artikulationen ›konnotiert‹ (U. Maas). Diskurse sind in dieser fundamentalpragmatischen Perspektive nicht einfach symbolische Systeme mit einer festen Ordnung (M. Foucault), sondern Prozesse der si­tuations- und damit ereignisbezogenen Reartikulation (Kapitel 2.2).

Fotografien werden dabei nach Peirce als indexikalische Zeichen verstanden, die auf ein Geschehen vor der Kamera verweisen und es mithin beweisen. Zugleich rekurrie­ren Fotografien – wie die von durch Bomben zerstörten Fahrzeugen, des nackten Holger Meins bei seiner Verhaftung, oder des entführten Hanns Martin Schleyer – jedoch auf ver­traute, visuelle Schematisierungen, die ein Wiedererkennen und Einordnen ermöglichen. Dieses symbolische Moment ist eng mit dem ikonischen Potential von Bildern verschränkt, dem Dargestellten durch eine spezifische Anordnung einen Sinn zu geben (G. Boehm). So ermöglicht die pragmatistische Perspektive produktive Verbindungen zwischen semioti­schen und phänomenologischen Bildkonzepten (K. Sachs-Hombach, L. Wiesing), und es wird deutlich, dass gerade in der semiotischen Differenz zu sprachlichen Zeichen das be­sondere Artikulationspotential von Bildern liegt – ihre spezifische Evidenz (Kapitel 2.3).

Auf dieser Grundlage werden in Kapitel 3 einzelne semantische und rhetorische As­pekte von Text-Bild-Zusammenstellungen herausgearbeitet. In semantischer Hinsicht wird genauer unterschieden zwischen dem, was Fotografien – etwa von Polizisten im Ein­satz – jeweils wiedererkennbar zeigen, was sie als Bilder mit einem typischen Aufbau dar­stellen, und für welche Ereignisse sie im Diskurszusammenhang pars pro toto als Hinweise stehen. Während bei der Etablierung dieser Bedeutungsaspekte von Bildern Zuschreibun­gen durch Texte eine wichtige Rolle spielen, verleihen Bilder umgekehrt den in den Tex­ten artikulierten Deutungen eine spezifische Evidenz. In rhetorischer Hinsicht lassen sich dabei ebenfalls mehrere Formen der Evidenzbildung unterscheiden: Neben den Beweisef­fekten, die sich der Indexikalität der fotografischen Technik verdanken, wird die Prägnanz untersucht, die durch bestimmte bildliche Ausdrucksformen wie Motivtypen und Anord­nungen im Einzelbild erreicht wird. Schließlich ist es für Printmedien charakteristisch, Bilder – etwa solche von Tatorten – zu verwenden, um die Aussagen der Texte mit einem gleichzeitig sichtbaren Wahrnehmungsraum zu verbinden und so die Ereignissituation für die Rezipienten präsent zu machen – einen Evidenzeffekt, den ich Präsentanz nenne.

Kapitel 4 fokussiert die Serialität der Medienereignisse und mithin die Frage, wie sich typische Darstellungsweisen mit einer relativ festen Bedeutung in der wiederholten Zusammenstellung ähnlicher Bilder und Texte etablieren. Dazu werden zwei Ereignis­komplexe genauer betrachtet – der ›kurze Frühling‹ der Roten Armee Fraktion im Jahr 1972 und der ›lange Herbst‹ von 1977. An den Bildern von Hanns-Martin Schleyer als ›Gefangenem der RAF‹ zeigt sich beispielhaft, wie verschiedene Deutungen im Diskurs beglaubigt werden. Denn die Bilder werden nicht in erster Linie als (indexikalischer) Be­weis für das Leben der Geisel verwendet, sondern um das Ereignis der Entführung entwe­der als erfolgreiche Umkehrung gesellschaftlicher Machtverhältnisse oder als Höhepunkt der Bedrohung durch ›Terrorismus‹ darzustellen. Hierfür erweisen sich die wiederholten Zuschreibungen in den Wochen des ›deutschen Herbstes‹ als ebenso wichtig wie der Be­zug auf ›Vor‹-Bilder – erkennungsdienstliche Fotografien der Polizei und Bilder des ent­führten Peter Lorenz. Die prägnanten Aufnahmen von Schleyer – vor weißer Wand, mit Pappschild vor der Brust und RAF-Logo darüber – wurden so nach seiner Ermordung zu Schlüsselbildern, die als diskursive Indizes bis heute pars pro toto für den ›linken Terro­rismus‹ der 1970er Jahre stehen.


Anmerkungen

Forschungsinteressen - Sprach- und Kulturtheorie, Diskurstheorien, Semiotik, Schreibforschung, Medientheorie und Mediengeschichte, Dialektologie